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Ausgabe:

1900 Nr. 11

Spalte:

332-334

Titel/Untertitel:

Gregorii Barhebraei Ethicon seu Moralia 1900

Rezensent:

Ryssel, Viktor

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. II.

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nostram genügt, um diefe Correctur zu würdigen. 617,8 ift
redigit ft. redegit unhaltbar, da das Refultat eines gefchicht-
lichenProceffes befprochen wird. 527,7 kann nurGedanken-
lofigkeit in dem Satze cogiiandum est saepissime homines,de
quarum adtdterio suspicanhir, ad ins iurandum provo-
care conjuges suas das quarum in quorum emendiren, da
es doch auf die conjuges suas nachher geht; 538, 23 wird
mit quae ad substantiam vitae huius pertinent ft. neces-
saria lediglich eine Gefchmacklofigkeit in den Text gebracht
. Der Editor, der 586, 10 per angustam et artam
viam huius propositi regnum dei quaerere in vitam
verfchönt, hat von dem Spruch Mt. 7, 13 wohl keine
Ahnung, aber ift ihm die nicht einmal 588, 15 bei feinem
arta via gekommen?

So halten fich Verbefferungen und Verfchlechterungen
des Maurinertextes bei Z. die Wage, nur in der Orthographie
geht er ganz moderne Wege. Freilich darf man
fchon fragen, nach welchem Princip er verfährt, wenn er
zwar Raab aber Israhel und Johanna, zwar Jericho aber
Hiericuntina und Hierufalem fchreibt. Aber bei echt lateini-
fchen Worten weifs ich keine Erklärung dafür, weshalb
Zycha 81, 20 adtinet, 603, 20 attinet, 564, 4 compati, 586, .1
8 conpati, 588, 2 conlocari, 643,15 colloqui, 595, 20 quicquam,
625,10 quidquam, 652,15 obpugno, 103, 23 oppugno fchreibt, j
kurz jedes orthographifche Princip — denn ich bin bereit,
die Beifpiele zu verzwanzigfachen — vermiffen läfst. Entweder
weifs man, welche Orthographie zu Auguftin's
Zeiten die übliche war, dann ift diefe confequent, allen
Handfchriften zum Trotz, durchzuführen, und man er-
fpart es dem Lefer, dafs er z. B. bei Hoffmann den j
Äuguftinus immer aput und adque, bei Zycha apud und
atque fchreibend vorfindet. Oder man weifs nichts be-
ftimmtes über Auguftin's Schreibweife, dann hat die j
Leitung folch' eines Unternehmens die Pflicht, da nun einmal
Willkür in diefem Nebenpunkte zu entfcheiden hat, fefte I
orthographifche Normen aufzuftellen, nach denen die ein- j
zelnen Herausgeber fich richten müffen. Wenn das Durch- I
einander fchon innerhalb eines Bandes nur komifch wir- j
ken kann, welchen Eindruck mufs es erft machen, wenn
die Werke Auguftin's in diefer Ausgabe einmal vollendet j
vorliegen und man über die orthographifchen Grundfätze [
von 15 Herausgebern wird nachfinnen dürfen?

Man endet also immer wieder bei der alten Klage:
was bei dem Wiener Corpus vermifst wird, ift vor allen j
Dingen eine einheitliche und mafsgebende Leitung. Eine j
fo glänzende Einheitlichkeit, wie die Benedictiner-Aus- ,
gaben fie zeigen, mag als ein opus monachorum heute
fchwer erreichbar fein, aber das Ideal, weil es für Dirigenten
wie Dirigirte fo das Bequemfte ift, einfach preisgeben, '
ift um der hohen Intereffen willen, die hier auf dem
Spiele flehen, ein fchwerer Fehler. Nur foll diefe Anklage
nicht Zycha zur Rechtfertigung helfen; ihm mangelt mehr ]
als fefte Leitung, ihm fehlt — da ich über feine philologifche j
Qualification insgemein abzufprechen kein Recht habe, 1
befchränke ich mich auf das Zweifellofe — die Liebe zu
diefer Arbeit. Wenn aber Marx folche Liebe fogar für
den armfeligen Filaftrius hat gewinnen können, dafs er
uns im Corpus eine Mufterausgabe fchuf, fo dürfte man [
ein wenig Liebe zur Sache von einem Herausgeber der !
gröfsten Werke eines Auguftin wahrlich beanfpruchen;
wet fie da nicht erfchwingen kann, ift zur Mitarbeit j
fchlechthin ungeeignet. Um des Auguftin willen braucht '
Niemand feinen Migne bei Seite zu ftellen und den koft-
fpieligen Zycha zu ftudiren; den Editoren alter Texte
ift dagegen die Befchäftigung mit ihm dringend zu em- 1
pfehlen; hoffentlich wirkt er als abfchreckendes Beifpiel.

Marburg i. H. Ad. Jülicher.

Gregorii Barhebraei Ethicon seu Moralia. Edidit Paulus
Bedjan, Cong. Miss. Parisiis. Lipsiae, O. Harrassowitz.
1898. (IX, 18 u. 606 S. 8.) M. 22. 50

Einen Ueberblick über den Inhalt des Ethicon von
Barhebräus hatte bereits Jofephus Simonius Assemanus
in dem zweiten, im Jahre 1721 erfchienenen Bande feiner
Bibliotheca Orientalis (S. 303—6) gegeben und aufserdem
einen der intereffanteften Abfchnitte, den Abrifs der
Gefchichte der fyrifchen Poefie CS. 65 f. der vorliegenden
Ausgabe), in Band I auf S. 166 im Wortlaute mitgetheilt.
Auf diefen Mittheilungen fufst auch noch das, was W.
Wright in feiner Syriac Literature (Encyclopaedia Bri-
tannica XXIII, p. 854; Separatabdruck S. 276 ff.) über
das Ethicon anzugeben weifs. Darnach fchrieb der berühmte
Schriftfteller, der der fyrifchen Literatur, die fchon
faft erlofchen war, zu einer bedeutfamen Nachblüthe
verhalf, den Kethäbha d/i Jthikon (d. i. das Buch xmv
yß-ixmv) im Jahre 1279, alfo nur wenige Jahre vor feinem
Tode, zu Maräghah in Adhurbäigän, an welchem Orte
er dann auch 1286 ftarb. Ferner wufste man auch, dafs
der Kethäbha dhe-Jaunä (d. i. das Buch der Taube) des-
felben Verfaffers ein ähnliches Werk war, nur dafs dies
letztere insbefondere für den Gebrauch von Asketen,
die in der Wüfte als Einfiedler leben, benimmt war,
und dafs der vierte und letzte Teil des /Buches der
Taube', das faft zu gleicher Zeit auch durch Gabriel
Cardahi (Rom, Löfcher & Co., 1898) veröffentlicht
worden ift, eine autobiographifche Skizze feines eigenen
geiftigen Lebens enthält. Nun liefs fich zwar aus den
Mittheilungen Affemanis unfchwer erkennen, dafs der
Inhalt nur in befchränktem Mafse von Intereffe für einen
modernen abendländifchen Leferkreis fein könnte. Immerhin
find wir dem unermüdlichen P. Bedjan zu Danke verpflichtet
, dafs er uns mit dem Wortlaute und vollen
Inhalte diefes Werkes bekannt gemacht hat, wobei
wir überdies nicht verfchweigen wollen, dafs die Methode
des zugleich praktifche Zwecke verfolgenden
Herausgebers trotz der Gewiffenhaftigkeit in der Wiedergabe
des Wortlautes feiner Texte es mit fich bringt,
dafs diefe Ausgaben nicht ganz den Anforderungen ent-
fprechen, die die abendländifche Wiffenfchaft an eine
derartige Edition zu ftellen berechtigt ift.

Wir fehen in unferer Befprechung des durch ihn
edirten Ethicon von vornherein davon ab, den Nutzen
aufzuzeigen, den die Veröffentlichung für unfere Kenntnifs
der fyrifchen Sprache hat und der um fo mehr nur ein
relativer ift, weil fich die Diction des Barhebäus von der
claffifchen Sprache der Blüthezeit der fyrifchen Literatur
an Reinheit des Styls und des Wortfchatzes entfernt
und überdies die fcholaftifche Schulung des Verfaffers
fich in einem künftlichen, an Neubildungen reichen Style
kund giebt. Aber mit der lexikalifchen Ausbeute ift der
Werth der Publication Bedjan's auch keineswegs fchon er-
fchöpft. Vielmehr liegt er in erfter Linie in den interel-
fanten Auffchlüfsen, die das Ethicon über die Denk- und
Anfchauungsweife eines hervorragenden orientalifchen
Chriften und über die chriftliche Zucht und Sitte in
jenen fernen, von der Cultur des Islam überwucherten
Gegenden uns übermittelt. Angefichts der Zeitverhältniffe,
unter denen der Verfaffer lebte, dürfen wir uns nicht
wundern, dafs dabei mancherlei mit unterläuft, was dem
Herausgeber von feinem römifchen Standpunkte und
überhaupt von feiner modernen geläuterten Auffaffung
aus als anftöfsig erfcheint. Nicht blofs, dafs er mifs-
billigt, wenn Barhebräus die Nothlüge gutheilst (S. 265),
fondern er übt auch an feinen dogmatifchen Aeufser-
ungen und ebenfo an feinen Anflehten über die kirchliche
Sitte (z. B. die Feftbräuche) Kritik, wie feine
Bemerkungen zu S. 12, 178, 230, 360, 469, 563, 568,
578, fowie zu S. 87, 167, 337 beweifen. Derartige