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Ausgabe:

1900 Nr. 11

Spalte:

324-325

Autor/Hrsg.:

Budde, Karl

Titel/Untertitel:

Die Religion des Volkes Israel bis zur Verbannung 1900

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. II.

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Wege dankbare und willige Unterthanen fchuf. Mit I hiftorifchen Wirkfamkeit, fowie des Einflufses, den es

Recht aber hebt der Verf. hervor, dafs nicht blofs rück- ! auf einzelne Heiden (Profelyten), fowie auf die grofsen

wandernde Exulanten, fondern ftarke ßeftandtheile des heidnifchen Weltmächte Griechenland, Perfien und Babel

gläubigen Reftes in Jerufalem und Umgebung an dem | ausübte. Befonders intereffant ift hier die textkritifche

Wiederaufbau des Tempels und der Wiedererrichtung ! und exegetifche Beleuchtung der Pfalmen 49. 73. 17.

der Gemeinde betheiligt waren. Sehr gut find hier vom j 16, io f. trotz einzelner Bedenken, die dem Lefer dabei

Verf. die religiöfe Hebung in den Kreifen des Volkes | aufftofsen. Im Allgemeinen kann man nur wünfehen,

und die Gegenftrömungen, mit welchen diefelbe zu ; dafs nicht blofs Theologen, fondern überhaupt gebildete

kämpfen hatte, gefchildert. Bei manchen Einzelheiten ! Lefer diefe Darftellung des eigentlichen Judenthums als

ift noch auf die Begründung zu warten, die er in Ausficht : des nachexilifchen religiöfen Israelitismus auf fich wirken

(teilt (vgl. z. B. S. Ii); anderes ift anfprechend aber doch t laffen und fich an den reichen und edlen Gaben feiner

unficher (vgl. S. 27 ff). Schöne Worte redet der Verf. 1 Literatur erfreuen, deren fchönfte Blüthen ihnen hier in

verbelferter Ueberfetzung geboten werden.
Jena. C. Siegfried.

zum Schlufs feiner erbten Vorlefung über das Recht und
den Segen biblifcher Kritik (S. 35 f.), aber die Fanatiker
wird er weder in England noch in Deutfchland anderen
Sinnes machen. — In der zweiten Vorlefung fchildert

der Verf. das Wirken des Esra und Nehemia, welches Budde, Prof. D. Karl, Die Religion des Volkes Israel bis
zur Errichtung emer jüdifchen Gemeinde nach dem Exil , zup Verbannung. Giefsen, J. Ricker, 1900. (XV, 208 S.
führte. Diefelbe beruhte auf einem vorzugsweife kultifchen 3 j m u m r

Gefetzbuche, welches die Reinheit diefer Gemeinde ver- Sr- °0 iVi- 5-—; geD> M. 0.—

bürgte. Das Schönfte und Gröfste, das die alten Pro- 1 Das vorliegende Werk hat feinen Anfchlufs an die
pheten gefchaffen, mufste dem gegenüber zurücktreten. : Vorlefungen von Cheyne über die Religion Israels nach
Fefte Ordnungen und Ceremonien verliehen der Gemeinde • hinten genommen. Handelte diefer von der Entwickelung
ihr unterfcheidendes Gepräge und unterfchieden das cor- i des nachexilifchen Judenthums, fo (teilt Budde die israeli-
recte Judenthum von den Samaritern. Aber in der Ver- . tifche Religion von ihrem Anbeginn bis zum Exil dar.
theidigung diefes correcten Judenthums fieht die neu fich j Beide Arbeiten find der Niederlchlag von Vorlefungen,
bildende nachexilifche Gemeinde eine grofse, ideale Auf- 1 die die Verfaffer in Univerfitätsftädten der vereinigten
gäbe, die ihr obliegt und für die die nachexilifche Dichtung j Staaten Nordamerika^ gehalten haben. Bei Budde dürfen
verfchiedene Typen als die des Gottesknechtes, des Davids- I wir in diefer neben der englifchen erfcheinenden deut-
fohnes, des meffianifchen Königs erfindet. Die Ausprägung fchen Ausgabe die authentifche Faffung feiner Vorträge
diefer Typen in ihren verfchiedenartigen und reichen Nu- 1 erblicken. Eine chronologifche Zeittafel nebft Angaben
ancen verfolgt der Verf. in anziehender Weife in der ! über die wichtigsten Ereignifse der israelitifchen Gefchichte
dritten Vorlefung. Daran fchliefst er die Entwickelung i ift auch hier (p. XIII) wie bei Ch. beigefügt. — Der Verf.
des Meffianismus, welche die Pfalmen bieten und giebt 1 beginnt mit der Frage nach dem Urfprung der Jahwe-
dabei aus diefen eine Auslefe des Schönften in kritifch Religion. Wir fehen in diefem Punkte jetzt etwas klarer
berichtigter Ueberfetzung. In der jüdifchen Weisheit, die | als bis noch vor Kurzem. Wenn auch nicht fo, wie die
der Verf. in der vierten Vorlefung fchildert, können wir hebräifche Sage die Genefis des eigenen Volkes vorftellt,
keine Fortfetzung defien, was in den vorhergehenden Vor- 1 die Sache verlief, der Kern der Gefchichte von der Los-
lefungen befchrieben ift, finden. Das Judenthum hat fich , löfung hebräifcher Volksftämme ift durch die Amarna-
hier freier und grofsartiger bewegt, als die nomiftifche briefe ficher geftellt. Ebenfo ift es jetzt unzweifelhaft,
und ritualiftifche Periode erwarten liefsen. Der Salomo, dafs die Religion von ältern Jahwedienern, den Kenitern,
an den es anknüpfte, war nicht der der Gefchichte, den auf Israel überging. Jahwe erwies fich den auswan-
wir weder für ,gerecht noch für weife' (S. 129) halten dernden Israeliten gegenüber als ein Retter; er ward
können, fondern der der Sage, und die Stoffe, die das ihr Führer im Kriege und ihr Rechtfprecher im Frieden.
Judenthum in diefer Periode in feinem Denken bewegte, Ein echter Nomadengott ift Jahwe von Haufe aus. Der
überfteigen weit den Inhalt der dürftigen Mappe, die Verf. läfst ihn zuletzt noch durch die Israeliten etwas
Esra aus Babel mitbrachte und Nehemia den rückge- ethifirt werden, indem nach feiner Auffaffung bei diefen
kehrten Exulanten einprügelte (Neh. 13,25). Steht auch die Religion keine blofse Naturreligion bleibt, fondern auf
nicht Alles, was hier mitgetheilt wird, gleich hoch, wir ! einem Willensentfchlufs beruht, der für alle Zeiten zwifchen
erhalten hier doch eine reiche Sammlung von Stoffen, ' Israel und Jahwe ein ethifches Verhältnifs begründet,
auch beeinflufst von perfifcher und griechischer Weisheit, 1 Diefe wefentliche Erhebung, durch welche der kenitifche
aus der der Verf. Proben bietet. Ueber die verfchiedenen ! Baal etwas total Anderes wurde, bleibt aber fchliefslich
Bearbeitungen, die das Buch Hiob im Laufe der Zeiten ein hiftorifches Poftulat, für das fich ein ftricter Nachweis
erlitt, trägt der Verf. eigentümliche Anflehten vor, die ' nicht geben läfst. hlbenfo bleibt es räthfelhaft, wie und
wir hier nicht im Einzelnen verfolgen können, gelegent- wodurch es gelang, den Gewitter- und Kriegsgott vom
lieh auch mit Streifzügen in das Henochbuch, deffen j Sinai loszulöfen und nach und nach zu einem Befitzer
Held nach ihm fogar in Ez. 28,3 den Daniel verdrängt, i Kanaansund Landesgott zumachen, obwohl der kultifche
Den ganzen Abfchnitt von S. 127—172 möchten wir als j Entwickelungsprocefs, den das Jahwethum im heiligen
äufserft anregend empfehlen. — Sehr intereffant ift auch ! Lande durchmachte, vom Verf. fehr anfehaulich und
der folgende Abfchnitt von den Spuren des Kampfes i klar befchrieben wird. Schön ift es dargeftellt, wie das
der orthodoxen Weisheit mit der ketzerifchen im A. T., ! Prophetenthum den Kampf mit der kanaanitifchen Poly-
wo es fich zunächft befonders um Spr. 30, 2—4 handelt, dämonie und insbefondere mit dem kanaanitifchen Baal-
Dann geht der Verf. näher auf Qohelet ein (S. 183—207), thum durchführt und wie es aufserdem den ethifchen
welches Werk auch der Verf. für ein mannigfach inter- ! Charakter der Jahwereligion zur Geltung bringt. Hier
polirtes erachtet. Qoh. 3, 11 glaubt er durch Emendation haben wir den Höhepunkt der religionsgefchichtlichcn
von Dbi^M in pyn beffern zu können und überfetzt ,all j Leiftungen Israels, welcher mit der Loslöfung der Reli-
die Arbeit hat er ihrem Herzen eingegeben' (S. 261 f.). ' gion von aller Politik, ja felbft vom Patriotismus erreicht
Dann hat aber py in v. Ii einen etwas anderen Sinn j wird. Von da an finkt die religiöfe Plrhebung wieder;
als in v. 10. — Dankenswerth ift auch die Befprechung ; der Ritualismus und Nomismus treten an die Stelle
des kürzlich aufgefundenen hebräifchen Sirachtextes | der Geiftesreligion. Dies Alles wird vom Verf. in
(S. 208 ff), befonders feiner Anklänge an den Zendavefta. i einer fchönen von hiftorifchen Stoffen gefättigten Dar-
Den Abfchlufs bildet die Schilderung des Judenthums 1 ftellung ausgeführt, in die er etwas von dramatifcher
in feiner Bedeutung als Zeiterfcheinung und nach feiner I Spannung und Bewegung hineinzulegen weifs. Auch