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Ausgabe:

1900 Nr. 10

Spalte:

314-315

Autor/Hrsg.:

Schanz, Paul

Titel/Untertitel:

Apologie des Christenthums. 3 Theile. 2., verm. u. verb. Aufl 1900

Rezensent:

Hartung, Bruno

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 10.

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Synode, gerichtet an die General-Staaten; Briefe von
Verfchiedenen; Inhaltsverzeichnifs der fämmtlichen (im
Reichsarchiv vorhandenen) Acten der Synode.

Königsberg. Benrath.

Schleiermacher, Friedrich, Ueber die Religion. Reden
an die Gebildeten unter ihren Verächtern. Zum
Hundertjahr-Gedächtnifs ihres erflen Erfcheinens in
ihrer urfprünglichen Geftalt neu herausgegeben und
mit Ueberfichten und Vor- und Nachwort verfehen
von Lic. Rudolf Otto, Priv.-Doz. Mit 2 Bildniffen
Schleiermachers. Göttingen, Vandenhoeck &Ruprecht,
1899. (XII, 182 S. gr. 8.) Kart. M. 1.50

Die Veranftaltung diefer billigen und guten neuen
Ausgabe von Schleiermacher's Reden, und zwar in ihrer
erften, wirkfamften Geftalt von 1799, ift fehr dankenswerth.
Ich brauche mich hier nicht über die Bedeutung der Reden
auszulaffen. Das ift allgemein anerkannt, dafs es auch
heute noch zur vollftändigen Bildung eines Theologen
gehört, diefe Reden einmal gründlich gelefen und durchdacht
zu haben. Sie führen am beften ein in die Gedankenwelt
Sch.'s und in die Genefis der modernen
proteftantifchen Theologie überhaupt. So deutlich auch
der gegenwärtige Lefer merkt, welch ein Abfland zwifchen
ihnen und uns hegt, wie verfchieden die Verhältnifse und
Bedürfnifse, aus denen fie einft herauswuchfen, von denen
unterer Zeit find, wie Vieles in ihnen noch unklar und
unentwickelt ift, was wir dank der inzwifchen gethanen
theologifchen Arbeit vollftändiger zu beurtheilen und
präcifer zu bezeichnen wiffen, To lebhaft empfindet er
doch auch, dafs in ihnen zum erften Male gewiffe wichtige
Probleme aufgeftellt und geiftvoll erörtert find, die feit-
dem die Theologie bewegt haben, dafs in ihnen eine
Reihe neuer Gedanken in die Theologie eingeführt ift,
die ihr für immer erhalten bleiben müffen.

Die Ausgabe ift mit zwei trefflichen Bildnifsen Sch.'s
und einer genauen Reproduction des urfprünglichen Titelblattes
ausgeftattet. Der Herausgeber hat eine kurze
orientirende Einleitung vorausgefchickt und in einem
Schlufsworte den Werth der Reden im Ganzen zu würdigen
gefucht. Er giebt aufserdem unter dem Texte
einen ,Leitfaden des Gedankenzufammenhanges'. Dem,
der fich fchnell in den Reden zurechtfinden will, mögen
diefe Ueberfichten über den Gedankengang recht bequem
fein. Soweit ich fie controllirt habe, find fie durchaus
zutreffend. Aber mit Rückficht auf den zu wünfehenden
Gebrauch diefer neuen Ausgabe bei der Leetüre der
Reden in theologifchen Seminarien mufs ich die Beigabe
diefer ,Erleichterung' — alias Efelsbrücke — bedauern.
Der Lefer, der ein felbftändiges Verftändnifs des Gedankenzufammenhanges
fuchen foll, wird durch fie prä-
occupirt; er wird davon abgehalten fchwierige Gedankengänge
wiederholt zu lefen, um fie zu verftehen, und
allem Einzelnen darin forgfältige Beachtung zu fchenken.
Das braucht natürlich nicht überall die Wirkung zu fein,
wird es aber thatfächlich in der Regel fein. Ich möchte
rathen, bei einer neuen Auflage diefe Ueberfichten weg-
zulaffen.

Jena. H. H. Wendt.

Herr mann, Prof. D. W., Römisch-katholische und evangelische
Sittlichkeit. Nach einem Vortrag, gehalten
auf der fächfifchen kirchlichen Konferenz am 26. April
1899. Marburg, N. G. Elwert, 1900. (45 S. gr. 8.

M. —.60

Herrmann fucht in diefem fehr anregenden, fcharf
gedachten und in die Tiefe gehenden Vortrage den
einen Hauptpunkt darzulegen, dafs der römifche Katholik,
wenn er auch in dem allgemeinen Urtheile, das fittliche

Gebot fei das Gebot Gottes, mit den Evangelifchen über-
einzuftimmen fcheint, doch im Verftändnifs diefes Urtheils
weit von jenen abweicht. Denn für ihn bedeutet diefes
Urtheil, dafs das fittliche Gebot eben deshalb, weil es
Gottes Gebot ift, nicht unfer eigenes fittliches Gefetz ift.
Für ihn ift das die Sittlichkeit beftimmende Gottesgefetz
ein autoritativ von aufsen herangebrachtes Gefetz, das
ihm beftimmte äufsere Handlungen vorfchreibt und
Schranken zieht, aber nicht fein inneres Sein durchdringt.
Er darf fich deshalb auch mit diefem Gefetze fo bequem
wie möglich abzufinden fuchen. H. führt diefen Grundgedanken
aus in fpecieller Bezugnahme auf die katholifche
Auffaffung der Wahrheitspflicht und des Probabilismus.
Er hebt mit Recht hervor, wie die katholifche äufserlich
rechtliche Auffaffung des von Gott geftellten Sittenge-
fetzes fittlich lähmend wirkt. Er ftellt diefer katholifchen
Auffaffung gegenüber die evangelifche, die keinen Glauben
anerkennt, der nicht eine freie, perfönliche, auf eigenem
inneren Erlebnifs beruhende Ueberzeugung ift, und keine
Sittlichkeit, die nicht vom eigenen Gewiffen getragen
wird. Er zeigt, wie Jefu Forderungen ftets auf das
Innerfte des Menfchen zielen, das eigene fittliche Urtheil
des Menfchen vorausfetzen und ohne diefe fittliche Selbft-
ftändigkeit nicht verftanden werden können.

Bezeichnet das von H. hervorgehobene charakte-
riftifche Moment, das ja allerdings von fundamentaler
Bedeutung ift, das ganze eigenthümliche Wefen der
katholifchen Sittlichkeit, ihren ganzen Unterfchied von
der evangelifchen Sittlichkeit? H. felbft nimmt in feiner
Einleitung Bezug auf eine Reihe weiterer, die Sittlichkeit
betreffender katholifcher Anfchauungspunkte, die von
den Evangelifchen beanftandet werden: auf den Mangel
an gehöriger Schätzung des Berufes, auf die Vorftellung
von der Möglichkeit verdienftlicher, über die Pflicht hinausgehender
Werke, auf dieUnterfcheidung einer doppelten
Sittlichkeit. H. ftellt diefe Punkte hin als die äufserlich
zu Tage tretenden Symptome der tiefer liegenden fitt-
lichen Verderbnifs, die er in ihrer Wurzel aufdeckt. Ift
diefe Beurtheilung ganz richtig? Ift nicht der asketifche
Charakter als ein befonderes Moment der katholifchen
Sittlichkeit zu würdigen neben ihrem autoritativ-gefetz-
lichen Charakter? Er ift freilich mit diefem letzteren infofern
eng verbunden, als die asketifchen Leiftungen in
Befolgung der autoritativen kirchlichen Gebote vollbracht
werden und nicht unmittelbar aus dem fittlich-religiöfen
Gewiffen entfpringen. Aber diefe Verbindung ift doch
keine an fich nothwendige. Der autoritativ-gefetzliche
Charakter könnte in ftarker Ausprägung gerade auch in
feinen demoralifirenden Wirkungen vorhanden fein, ohne
fich in Askefe zu bewähren. Natürlich kann in einem
kurzen Vortrage nicht alles gefagt werden, was über ein
grofses Thema, wie das von H. geftellte, an fich zu
fagen wäre. Es ift m. E. fehr dankenswerth, dafs H. fich
auf die gründliche Darlegung des einen Punktes, den er
fpeciell ausführt, befchränkt. Aber dabei könnte doch
beftimmt vorbehalten fein, dafs für das eigenthümliche
Wefen der katholifchen Sittlichkeit auch die asketifche
Tendenz charakteriftifch ift, die wieder ihre befonderen
Wurzeln und Beziehungen hat.

Jena- H. H. Wendt.

Schanz, Prof. Dr. Paul, Apologie des Christenthums.

3 Theile. Zweite vermehrte und verbefferte Auflage.
Freiburg i. B., Herder, (gr. 8.)

1. Gott und die Natur. (VIII, 668 S.) 1895. M. 7.— ; geb. M. 8.80.
— 2. Gott und die Offenbarung. (X, 763 S.) 1897. M. 8.— ; geb.
M. 10.—. — 3. Chriftus und die Kirche. (VIII, 581 S.) 1898. M. 6.— ;
geb. M. 7.80.

Die Apologie des Chriftenthums von D. Paul Schanz
mit ihren drei dicken Bänden liegt nun abgefchloffen in
zweiter Auflage vor uns. Es wäre übergewiffenhaft,