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Ausgabe:

1900 Nr. 1

Spalte:

309-310

Autor/Hrsg.:

Neumann, Robert

Titel/Untertitel:

Der evangelische Religionsunterricht im Zeitalter der Reformation 1900

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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Seite 1

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309

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 10.

ebenfo in der alten halberftädter Bisthumschronik, die
auf die narratio eines gleichartigen Diploms für Halber-
ftadt zurückgeführt wird, Beflätigungen des Salzer Friedens
durch Karl felbft. Sie müffen demnach, wenngleich fie
fich bekanntlich für älter ausgeben, dem Jahre 803 angehören
. Aber fie enthalten in ihrer überlieferten Ge-
ftalt auch Beftandtheile älterer königlicher Präcepte, fo
z. B. das für Bremen eine bei Willehad's Bifchofsweihe
am 14. Juli 787 und eine andere bei feiner Einfetzung
als Mifuonar 780 erlaffene Urkunde. Die von Hüffer
vorgenommene Reconflruction der Urkunden mag bei
den Diplomatikern im einzelnen Bedenken erregen; ich
wage kein Urtheil darüber, bekenne indes, dafs mir
einzelnes, wie z. B., was S. 119fr. in der Note über die
Entflehung des Bisthums Osnabrück gefagt ift, etwas
phantaftifch aufgeputzt erfcheint. Dem wichtigften Reful-
tate der fehr complicirten Unterfuchung, von der es
unmöglich ift in einem kurzen Referate eine Vorftellung
zugeben, bin ich geneigt zuzuftimmen, der Anficht nämlich
, dafs im J. 803 grenzumfchreibende und organifa-
torifche Diplome für die acht fächfifchen Bisthümer von
Karl erlaffen worden feien. Die Korveier Studien werden
vorausfichtlich in manchen Punkten eine Gegenkritik hervorrufen
, aber eine wefentliche Förderung der hiftorifchen
Studien wird man ihnen zuerkennen müffen. Für die
Gefchichte der Hiftoriographie, für die Urgefchichte der
fächfifchen Kirche, für die allgemeine Gefchichte Karls
des Grofsen und felbft für die Gefchichte einzelner
Perfönlichkeiten, wie insbefondere Alcuins, bringen fie
eine Fülle neuer Thatfachen oder gut und fcharffinnig
begründeter Hypothefen.

Bremen. v. Bippen.

Schmidt, Wilhelm, Die Kirchen- und Schulvisitation im
Herzberger Kreise vom Jahre 1529 nebst Urkunden.

(Wiffenfch. Beilage zum Jahresbericht des Leibniz-
Gymnafiums zu Berlin. Oft. 1899.) Berlin, R. Gaertner,
1899. (27 S. 4.)

Neumann, Oberlehrer Robert, Der evangelische Religionsunterricht
im Zeitalter der Reformation. (Wiffenfch. Beilage
zum Jahresbericht der Siebenten Realfchule zu
Berlin. Oft. 1899). Berlin,R. Gaertner, 1899. (26 S. 4.)

Diefe beiden Programme, beide Beiträge zur Refor-
mationsgefchichte, feien hier zufammengeftellt.

Wilh. Schmidt veröffentlicht aus dem Kgl. fächfifchen
Hauptarchiv und dem Kgl. Staatsarchiv in Magdeburg
einen Theil der Acten der im Jahre 1529 im Herzberger
Kreife abgehaltenen Kirchen- und Schulvifitation und
fügt damit dem über die reformatorifchen Vifitationen
fchon vorliegenden Urkundenmaterial: Den Protocollen
über die Kirchenvifitationen von 1528 und 1533 im
Wittenberger Kreife von F. Winter (Neue Mittheilungen
aus d. Gebiet hift. - antiqu. Forfchungen. Halle 1862
S. 76ff); der erften lutherifchen General-Kirchen-Vifitation
im Erzftifte Magdeburg 1562—1564 von Fr. H. O.
Danneil, Magdeburg 1864; der Diöcefe Grimma von
Grofsmann, Leipzig 1873; des Bisthums Halberftadt in
den Jahren 1564 u. 1589 von Gurt. Nebe, Halle 1880; in
den Aemtern Vogtsberg und Plauen 1529 u. 1533 v.
Joh. Müller (Mittheilungen des Alterthumsvereins in
Plauen 1. V. VI); in den Aemtern Zwickau, Crimmitfchau
und Werdau i. J. 1529 (Allerlei aus Drei Jahrhunderten
von G. Buchwald, Zwickau 1888); in den welfifchen
Landen 1542—1544 von Karl Kayfer, Göttingen i89Öu.a.m.
eine Bereicherung hinzu.

Die Gründe, die ihn zur Veröffentlichung gerade
diefer Protocolle veranlafst haben, zählt er felbft S. 3
auf: 1. läge der Kreis Herzberg in der nächften Nach-
barfchaft Wittenbergs, ftehe alfo noch unter dem unmittelbaren
Einflufs der Metropole der Reformation;
I 2. mache fich hier ftärker, als in den benachbarten
I Kreifen Kurfachfens eine Nachwirkung der katholifchen
Zeit geltend; 3. erhielte das Herzberger Protocoll ein
befonderes Intereffe durch bisher nicht veröffentlichte
Randbemerkungen Melanchthon's.

Hat C. A. H. Burkhardt in feiner Gefchichte der
fächfifchen Kirchen - und Schulvifitationen von 1524 bis
1545 (Leipzig 1879) S. 31 ff. diefes Material auchfchon benutzt
, fo ift Schmidt's Veröffentlichung doch dankenswerth,
denn ganz anders, als das bei einer blofs referirenden
Behandlung möglich ift, treten uns hier einzelne Züge
der Vifitation vor Augen; nur fo gewinnen wir ein wirklich
anfchauliches Bild von den damaligen Vorgängen
und Verhältnifsen.

Gerade die wiffenfchaftlichen Programme unferer
höheren Schulen aber find der rechte Ort zur Veröffentlichung
folchen Materials. Möchten fie doch recht eifrig
dazu benutzt werden. Möchte vor allem die vorliegende
Publication im nächften Programm oder in einem der
nächften vervollftändigt werden!

Neumann's Schrift charakterifirt zuerft einleitend die
religiöfe Jugenderziehung des Mittelalters. Wenn der
Herr Verfaffer dabei, von Kämmel's ,Gefchichte des
deutfchen Schulwefens im Uebergange vom Mittelalter
zur Neuzeit' geleitet, von einer Reihe von Katechismen
redet, die theils für den Lehrer, theils für die Jugend
beftimmt gewefen feien, fo behauptet er damit ent-
fchieden zu viel. Ein Buch, das wir heute Katechismus
nennen, d. h. eine kurze Auslegung oder auch nur Zu-
fammmenftellung der wichtigften Religionslehren direct
für die Hand der Kinder war dem Mittelalter völlig fremd.

Die Abfchnitte II bis IV enthalten eine Ueberficht
über den Religionsunterricht im Reformationszeitalter.
Nach einander werden Luther's, Melanchthon's, Bugen-
hagen's und Brenz' Principien hinfichtlich des Religionsunterrichtes
dargelegt und befprochen, was fie für ihn
geleiftet. Eine Ueberficht über wichtige Vorfchriften,
über religiöfen Unterricht in Kirchen- und Schulordnungen
und eine kurze Erwähnung der Lehrbücher von
Chytraeus und Trotzendorf als einziger Repräfentanten
der grofsen Zahl gelehrter Schulkatechismen bilden den
Schlufs.

Das Buch bringt nichts Neues, aber — fo weit das
in dem knappen Rahmen möglich ift — veranfchaulicht
es die warme Sorge der evangelifchen Kirche um die
ihr anvertraute Jugend im erften Jahrhundert ihres Be-
ftehens.

Der Herr Verfaffer bemerkt im Eingange, dafs er
auf das Reformationsjahrhundert für diefes Mal fich beschränke
; er hätte die Kenntnifs des Religionsunterrichts
im 16. Jahrh. beffer gefördert, wenn er fich noch weit
mehr befchränkt hätte, wenn er nur eine kleine Periode,
für deren Behandlung der Raum eines Programms ausreichte
, herausgegriffen und diefe gründlich und allfeitig
möglichft auf Grund des Quellenmaterials behandelt hätte.

Efchershaufen i. Brfchw. Ferdinand Cohrs.

Lemmens, Prien. P. Leonhard, Pater Augustin von Alfeld

(t um 1532). Ein Franziskan er aus den erften Jahren
der Glaubensfpaltung in Deutfchland. (Erläuterungen
und Ergänzungen zu Janfsens Gefchichte des deutfchen
Volkes. Herausgegeben von Ludwig Paftor. I. Band,
4- Heft.) Freiburg i. B., Herder, 1899. (VII, 108 S.
gr- 8-) M. 1.60

Der Franziscanermönch Auguftin aus Alfeld, meift
kurzweg Auguftin Alfeld genannt (in meiner kleinen Abhandlung
über Joh. Toltz in den Mittheilungen für deutfche
Erziehungs- und Schulgefchichte VII S. 361 habe ich ihn
verfehentlich zum Auguftiner gemacht, was Lemmens.