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Ausgabe:

1900 Nr. 10

Spalte:

301-303

Autor/Hrsg.:

Budge, Wallis

Titel/Untertitel:

The History of the Blessed Virgin Mary and The History of the Likeness of Christ 1900

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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301

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 10.

302

Budge, E. A. Wallis, M. A., The History of the Blessed
Virgin Mary and The History of the Likeness of Christ,

which the Jews of Tiberias made to mocke at. The
Syriac Texts edited with English Translations.
(Luzac's Semitic Text and Translation Series. Vol.
IV & V.) London, Luzac and Co., 1899. (8.)

Vol. L The Syriac Texts (XI, 224 S.) 12 sh. 6 d. — Vol. EL English
Translations (XVII, 246 S.) 10 sh. 6 d.

Ein fehr erfreulicher Beitrag zur chriftlichen Legen-
dengefchichte oder vielmehr deren zwei, gewidmet (im
zweiten Band) to Lady Priestly, who in the intervals of
a busy life spent in the application of the principles of
hygiene to the well-being of our race, finds time to inlerest
herseif in the rcligious literatnre of the ancient people of
the East, and in tracing its influence upon the beliefs of
the nations of our own time.

Ueber das zweite, kleinere Stück (S. 154—210 des
fyrifchen, S. 169—246 des englifchen Textes) können wir
kurz fein. Ein Diakonus Philotheus erzählt, wie die
Sehnfucht nach den heiligen Stätten ihn über den Eu-
phrat führte; er kommt aber nur bis in die Gegend von
Tiberias, wo ihn der Engel über das Heer des Herrn
über den verödeten Zuftand des Landes und deffen Ur-
fachen, die Sünden der Juden, aufklärt, namentlich die
neufte und fchrecklichfte, die fich nach dem volleren
Titel des Stückes ,in den Tagen des gottliebenden Kaifers
Zeno' zutrug, dafs fte in Tiberias ein Bild Jefu zum
Spott in einer Kammer der Synagoge aufftellten. Als
einer bei der Verhöhnung des Bildes auch den Lanzen-
ftich wiederholt, fliefst zu ihrem grofsen Schrecken Blut
und Waffer heraus. Ein Blinder, Namens Judas, dann ein
Gichtbrüchiger werden dadurch geheilt und bekehrt, und
verrichten mit einem Dritten durch den von ihnen in ein
Horn gefammelten ,Gnadenftoff' viel Wunder an Kranken
und Befeffenen, auch an einem Samaritaner aus dem
nahen "'1353, fodafs zuletzt auch der Hegemon gläubig
wurde. Das Bild wird gleich zu Anfang aus der verriegelten
Kammer auf wunderbare Weife in den Himmel
erhoben. Zuletzt flüchten fleh die drei Hauptperfonen,
von einem Eutychus gewarnt, vor der Wuth der Juden
in ein Klofter nach Cilicien, während die Erzählung des
Philotheus aufhört, ohne dafs er feines urfprünglichen
Zweckes weiter gedenkt.

Budge entnahm feinen Text einer Hdf., die ihm ein
Schreiber Tat) 13 1D3TB (Francis Simonfen?) 1892 in
Tell-Kef bei Moful copirte, vielleicht ein Verwandter des
in Berliner Handfchriften oft genannten Pransi(s) bar
Giwargis. Unter der Ueberfetzung werden aus der Londoner
Hdf. 14645 einige beffere Lesarten mitgetheilt. In
Paris findet fleh in den Hdff. 234 und 236 eine doppelte
Recenfion der Erzählung; in Berlin fleht fle in dem von
Bedjan vielbenutzten cod. Sachau 222, der im Jahr 1881
von demfelben Schreiber Ifa bar Efaia in Elkofch her-
geflellt wurde, der für Budge 9 Jahre fpäter die an erfter
Stelle gedruckte Marienlegende copirte. Für die Kunft-
archäologen mag die Stelle S. 166 des fyrifchen Textes
von Intereffe fein (die Seiten des fyrifchen Textes find
im englifchen Band wiederholt, daher ift für gewöhnlich
nach den erfteren zu citiren), wo die Juden auf die Frage
des Malers, wie er Jefum darfteilen folle, antworten:
,Mal ihn für uns auf einem grofsen Holzbrett, hängend
am Kreuz, gekleidet in den Purpurmantel und
die Dornenkrone auf dem Haupt'.

Das erftere gröfsere Stück entnahm der oben genannte
Copift laut Vorwort einer Hdf. des 13. oder 14.
Jahrhunderts. Unter dem Text giebt der Herausgeber
nach einer Hdf. der R. Asiatic Society in London die
Varianten einer abweichenden Recenfion. Im Vorwort
zum zweiten Band bezeichnet er den Inhalt des Werkes,
which in its present form is now published for the first
time, als a tolerably füll summary of a number of apo-

cryphal books, among which may be mentioned the Prot-
evangelium of James, the Gospel of the Pseudo-Matthew,
the Gospel of Thomas, the Gospel of the Infancy, the
Gospel of the Nativity of Mary and the ' Transitus' or the
Assumption of the Blessed Virgin Mary.') Mit diefen
und anderen griechifchen und lateinifchen Büchern hat
der fyr. Ueberfetzer und Herausgeber uns eine forgfältige
Auswahl der wichtigften Erzählungen über Mutter und
Kind geliefert, die in Syrien und Paläftina fchon gegen
Ende des vierten Jahrhunderts umliefen; einige weitere
aus fpäterer Zeit habe er hinzugefügt.

Es kann nicht Aufgabe diefer Anzeige fein, eine vergleichende
Unterfuchung der verfchiedenen Theile anzuflehen
, aus denen die Sammlung herrührt. Schon ein
Blick auf Budge's Ueberfchriften zeigt, dafs an die Erzählungen
von der Geburt und Kindheit der Maria und
der Kindheit Jefu und die darauf folgenden vom Tod
der Maria, zwei Sammlungen über Marienwunder fich
anfchliefsen (S. 119 und S. 146 beginnend), die dem Unterzeichneten
neu find; fehr ausführlich die Gefchichte von
einem Marienverehrer Andronicus in Apamea, deffen
Sohn Andrea während eines Marienfeftes im Meer ver-
finkt, aber von Maria wunderbar, bewahrt bleibt; auch
von einem dreimal aus Schiffbruch geretteten Kaufmann,
der auf eine einfame Infel verfchlagen drei wunderbare
Perlen findet und dafür eine Marienkirche baut. Es wird
Sache unterer deutfehen Forfcher fein, diefe Stoffe zu
unterfuchen, vorher aber nochmals zu überfetzen. Denn
leider hat Budge, dem wir fo viel verdanken, fich offenbar
nicht die Zeit genommen, die auch für fo leichte
Texte, wie fie hier vorliegen, nöthig ift. Die nächftliegen-
den Verbefferungen feiner Vorlage hat er unterlaffen, fogar
anStellen, wo der Text in Ordnung ift, falfch überfetzt und
unter dem englifchen Texte lange nicht alle bemerkens-
werthen Abweichungen der zweiten Recenfion mitgetheilt.
Eine folche Bearbeitung müfste dann natürlich auch
die weiteren fyrifchen Faffungen dieser Stoffe (Berlin,
ms. or. 40, 802, S. 202 von Sachau's neuem Katalog;
Paris 196, 77 u. f. w.) beiziehen. Nur einige Belege der
Mifsverfländnifse des Herausgebers. Die Juden bitten
Pilatus während der drei Tage nach Jefu Kreuzigung den
Jofef von Arimathia gefangen zu halten; Budge überfetzt
Joseph who reared him (alfo den Nährvater Jefu),
weil in feinem Text S. 85 MTl ftatt »nan fleht. Maria
bittet für die unfruchtbaren Frauen and those who wish
to become the mothers of children, ftatt ,die zu meinem
Haufe kommen werden' (S. 107); Maria war 14 Jahre alt
(S. m) when shc was frightened by the appearance of
the angel. Von der Erfcheinung des Engels fleht im
fyrifchen Text gar nichts; ftatt MmfiOK ift einfach mar©»
zu lefen, ,als die Verkündigung erfolgte'. Jefus forgt für
den Leib of his Church (S. 115), fetze: ,feiner Mutter'
oiZj^ ftatt 01^); S. 131 the Holy nun (»«"Hp) ftatt ,Pha-
rifäer' (sajins).' S. 147: fie freuten fich am Feft of the
chariot of the Lady Mary; Helle zwei Buchftaben um
(KrDiatt ftatt KlTOBTD) und ftatt des Wagens haben wir das
Feft der gefegneten Jungfrau Maria. ,Rabbuli' ift nicht
blofs S. 138 der engl. Ueberfetzung verkannt (f. Anm.
fyr. S. 224) fondern auch S. 112 und 127. Die zwei
Worte NKilD MTlU S. 144 überfetzt Budge: some distance
through the mountains. Es ift diefelbe Verwechfelung,
bezw. Vermifchung der zwei Ausdrücke xnita Berg und
S"Vlt3)( Diftanz, aus der ich das paxnav Mt. 8,30 und ij>
xät opet Lc. 8,32 herleitete; in unferem Zufammenhange
heifst es nur ,eine weite Strecke', von ,Bergen' ift keine
Rede. Auch in der zweiten Erzählung vergl. S. 176
in thy hands is the knowledge of Christ, ftatt ,durch
dich lernte ich Chriftus kennen'; S. 184 thou art the
counsellor that doeth benefit us, ftatt ,rathe was uns nützlich
ift1 u. f. w. Es ift mir peinlich, diefe Warnung aus-

1) In den Anmerkungen zur engl. Ueberfetzung ift auf die entfprechen-
den Abfchnitte diefer Texte verwiefen.