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Ausgabe:

1900 Nr. 10

Spalte:

292-293

Autor/Hrsg.:

Smit, Gerard

Titel/Untertitel:

De Profetie van Habakuk 1900

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 10.

292

Tekoa, des Zeitgenoffen Jerobeams II. enthält, nicht blofs
eine Legende über ihn, und dafs der Lauf der Jahrhunderte
, in denen das Buch von Gefchlecht zu Ge-
fchlecht weiter getragen wurde, hie und da einen Zufatz
zu dem Buch gefügt hat. Hierzu möchte ich auch 1 2—
2 7» rechnen; denn diefe Drohungen gegen die Völker
können wohl kaum öffentliche Prophetenreden gewefen
fein und die Ungleichartigkeit des Spruches über Israel
legt nahe, dafs hier nur das Schema der Gerichtsformel
von I 3 ff. mit Amosworten (cf. 8* ff.) nothdürftig ausge-
ftattet wurde.

Ebenfo radical wie in der Frage nach der Verfaffer-
fchaft ift E. in dem Verfuch, dem Text der Amospro-
phetie ein anderes Geficht zu geben. Da er nicht überall
einen guten Zufammenhang findet, nimmt er nach dem
gleichen Princip wie in feiner 1891 erfchienenen Schrift
bei Micha eine durchgängige Umgeftaltung der Abfchnitte
vor. Urfprünglich nämlich feien die einzelnen Abfchnitte
der Amosfchrift in zwei Columnen gefchrieben gewefen,
fo, dafs je einem Abfchnitt der rechten der gleichlaufende
und ungefähr gleichlange Abfchnitt der linken folgen
follte; ein Abfchreiber aber fchrieb allemal die ganze rechte
Columne zuerft ab, darnach eift die linke. Die richtige
Ordnung des Buches wäre demnach die: 1 1 f., 1 11 f., 1 3-5,

I 13-15, I 6-8, 2 1-3, I 9f., 2 4 f.; 2 6, 5 6b-7, 2 7 f., 5 8 f., 2 9-12,

5 10-12, 2 i3-i«, 5 1315) 3 if-i 5 16 *"•> 3 3"8> S 18"2°> 3 3"i*. 5 21~25>

4 1-3, 5 26f-> 4 6 1-6, 4 12, 6 7, 413, 6 8, 5 i~3, 69-11, 5 4f.,

6 12f., s «i 6 14; 7 !"10> 7 n'17) 8 1-6, 9 1-6, 8 7-14, 9 7-15. Das
macht fchon rein äufserlich den Eindruck der künftlichen
Abhilfe ; auch ift es im Princip verfehlt, einen ganz fortlaufenden
Zufammenhang in den Prophetenfchriften verlangen
zu wollen, denn die einzelnen kurzen Prophetenworte
wurden bei der Niederfchrift aneinander gereiht,
ohne dafs dabei die Herftellung eines organifchen Ganzen
bezweckt war. Wenn freilich das Amosbuch ein rein
literarifchesWerk wäre, dann müfste man einen ftrammen
Gedankenfortfehritt erwarten; aber der wird auch bei
E.'s neuer Anordnung nicht erreicht. Es ift verlorene
Liebesmühe, z. B. zwifchen 8 s und 8 4 einen Zufammenhang
zu fuchen. Aufserdem aber ift der Verfuch E.'s
reich an willkürlichen Umftellungen: es ift nicht recht
z. B. 6 7 von 6 6, 8 7 von 8 6 zu trennen und der Anfchlufs
von 58 an 2 s, von 5 10 an 2 12 u. f. w., vor Allem die
Ineinanderfchiebung von 412—56 und 67-14 und die
Aenderung des Textes in 9 1, als gehe der Vers auf die
Getreide verkaufenden Grofsen von 8 sf. *) ift gezwungen.
Endlich aber wird die Hauptfchwierigkeit des Amos-
buches von E.'s Hilfsmittel gar nicht berührt, wie nämlich
die eigenthümliche Stellung der Vifionen zu begreifen
fei.

Alfo auch in diefem Punkt möchte ich den Weg
E.'s nicht mitgehen, fondern mich damit begnügen, durch
einzelne kleinere Umftellungen (wie z. B. 6 13 an Stelle
von 6 2) den Text klarer zu machen: dabei wird man
gern einige Verfetzungen E.'s, wie die von 5 6b hinter 2 e,
von 5 26f. hinter 4 3 oder von 6 9 f. hinter 5 3 in Erwägung
ziehen.

Der zweite Haupttheil des Buches giebt den auf
den vorausgehenden Unterfuchungen ruhenden Text
mit Ueberfetzungen und Erläuterungen. Von den zahlreichen
Textconjecturen erwähne ich folgende: 2 13 Sinn:
wie die garbenvolle Tenne den Drefchwagen fchwankend

macht (pifin): 39 rntris-by i3>i»«n '» fyt i»i ■vi««»;
312 ptOTS'n' "Di; 43 y&ktn WfOg; 53 nö'' b^järi;

5 e 2'bno» für bin»; 65 für 610 für i'sho»

Aenderung mit 160» («»3); 8 5 ISIS für 10; 86i> (teilt E.
mit Recht zu 85»'; dagegen ift 10« für ins 99 Ver-
fchlechterung, da ja beim Sieben das Getreide zu Boden
fällt und die Steine gerade drin bleiben follen, auch

1) E. ändert in 9 I: ob?«« 3353 »23 "»SSM und die Kornbetrüger
will ich ihrer Kinder berauben; ich fchlagevor: "ilP.BSri Tpl rt3tan
0^3 ttJSlS oder BX53X BSS3K l»tt»5.

!l3y 3 e für n«y empfiehlt fich nicht, da 3 6b der Schlufs-
fatz zu den Gleichnifsen 3 3-5 ift, und 3 6» ift mit 3 8 zu-
fammenzunehmen (vor Jahwes Stimme erfchrickt man wie
bei Trompetenftofs und Löwengebrüll). Die Aenderung
in 7 if. l««0 Wl ! pbll na IIS nsm ift etwas gezwungen -t
ich möchte lefen: «ipb'En Pi»"in« «pb'rTl als Gloffe, dann

bos(b) nb i»xn

Es wäre mit grofser Freude zu begrüfsen, wenn der
Verf. das ihm eignende hohe Mafs von Scharffinn und
Selbftändigkeit in den Dienft biblifch-theologifcher und
religionsgefchichtlicher ftatt der rein literar-kritifchen
Forfchung ftellen möchte.

Tübingen. P. Volz.

Smit, Gerard, De Profetie van Habakuk. Proeffchrift.
Utrecht, A. J. v. Huffei, 1900. (VI, 114 S. gr. 8.)

Der Verf. giebt zunächft eine eingehende Ueberficht
über die verfchiedenen Anfchauungen von der Einheitlichkeit
oder Zufammenfetzung der Schrift Habakuk und von
ihrer Abfaffungszeit (S. I—22), dann eine Worterklärung
des Textes (S. 23—73) nebft einer Ueberfetzung (S. 74
bis 81), feine eigene Anfchauung über die Entftehung
und Zeit (S. 82—100) und einige Bemerkungen über den
religiöfen Gehalt der Schrift (S. 101—107).

Die ganze Schrift Habakuk wird (abgefehen von
kleineren fpäteren Zuthaten, S. 92) als eine einheitliche
aufgefafst; in dem Paffus vom Aufftellen der Chaldäer
c. 15—11 citire Habakuk einen älteren Propheten (S. 84).
Habakuks eigene Zeit ift nach Smit die der beftehendtn
chaldäifchen Herrfchaft über Juda. Der ,Frevler' in den
Anfangsfchilderungen ift der Chaldäer; an die Befchrei-
bung eines Gegenfatzes von Frevlern und Gerechten
innerhalb Judas ift nicht zu denken, ebenfowenig daran,
dals unter dem Frevler der Affyrer zu verftehen fei, dem.
mit dem kommenden Chaldäervolke gedroht würde.

Den Ausführungen des Verf. über die vorausgefetzten
politifchen Verhältnifse ift m. E. im Allgemeinen zu-
zuffimmen. Nur fcheint es mir nicht möglich, die Schrift
erft in das Exil (fo bis dahin, fo weit ich fehe, nur Giefe-
brecht) und ihren Verf. in diefelbe Umgebung wie Deu-
terojefaja (S. 100), d. h. doch wohl unter die Exulanten
in Babylonien zu verfetzen. Allerdings das ,Gebet Habakuks
' c. 3 ift gewifs früheftens exilifch (wahrfcheinlich
noch jünger), da es (S. 98) unverkennbar mit dem ,Ge-
falbten' das Volk Israel meint. Es ift aber doch recht
unwahrfcheinlich, dafs dies Lied zu der voranftehenden
Prophetie gehört. Es fcheint mir nicht anders denkbar,
als dafs Habakuk noch vor der Deportation Judas gefchrieben
hat, denn er klagt nicht darüber, dafs der
Frevler, d. h. der Chaldäer, gebeugtes Recht hervorbringe,
fondern darüber, dafs, weil der Frevler Bedrückung übt,
,deshalb' gebeugtes Recht hervorgeht (c. 1 4). Die Juftiz
ift alfo in den Händen Judas und leidet unter der fremden
Oberherrfchaft. Aber darin ftimme ich dem Verf. vollkommen
bei, dafs Habakuk nicht an den Anfang, fondern
in eine fpätere Periode der chaldäifchen Macht zu verlegen
ift. Es ift richtig, dafs feine Auffaffung von Israel
als dem ,Gerechten' fich der Anfchauungsweife Deutero-
jefajas nähert. Die Hauptfache aber ift, dafs diefen Propheten
nicht wie Jeremia das von den Chaldäern ausgehende
Gericht befchäftigt, fondern das über die Chaldäer
ergehende.

Der Abfchnitt c. 15—11 ift kaum fo früh anzufetzen,
wie Smit will (erfte Hälfte der Regierung Jojakims, S. 96);
diefes Stück kennt fchon (was S. nicht überfieht) Siegeserfolge
der Chaldäer. Wenn es davon redet, dafs Jahwe
die Chaldäer ,aufftellt', fo bezieht fich das fchwerlich nur
auf die Aufteilung gegen Juda; der Verfaffer diefer
Schilderung verfetzt fich damit auf einen Zeitpunkt, der
vor feiner wirklichen Gegenwart liegt. Ich möchte deshalb
nicht beflreiten, dafs diefes (vielleicht verftellte) Stück
von dem Verfaffer der übrigen Prophetie herrühre.