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Ausgabe:

1900 Nr. 9

Spalte:

284-285

Autor/Hrsg.:

Robertson, Frederick William

Titel/Untertitel:

Tägliche Gedanken 1900

Rezensent:

Hans, Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 9.

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auffallend mit dem an Melanchthon im Briefe vom 13. Juli ausgefprochenen
(Enders Nr. 1712). Die lange Paufe vom 10. Juli bis 10. September
(f. S. 146) erklärt fich einerfeits aus Luthers erregter Correfpondenz mit
Melanchthon, andrerfeits aus Luthers Krankheit, die ihn damals arbeitsunfähig
machte. (Enders Nr. 1735, '738, l77>9, '74° und 1786; letzterer
Brief als Beweis für die Genefung Anfang September.) Auch fehlt
in der Auslegung von Pf. 22—25 — die nach der Dietrich'fchen Edition
in die Tage vom 10.—25. Sept. fällt—jede Beziehung zu den Er-
eignifsen Ende Juli und Auguft. Luthers Urtheile über den Augsburger
Reichstag lauten refignirt, fo war auch feine Stimmung im September, und
wenn er die Uebergabe der Confeffion erwähnt (S. 194), fo gefchieht es
in der abwartenden Stimmung, in der er am 23. September fchrieb:
rursus causa rcjecta est ad Caesarem. (Enders Nr. 1791.) Beachtens-
werth ift das Citat aus Pf. 22 in dem Briefe vom 15. September, am
10. September hat nach Dietrich's Notiz Luther Pf. 22 auszulegen begonnen
.

Diefes Beweismaterial, das fich noch vermehren
liefse, (f. zu S. 55 die [von B. ausgelaffene] Notiz über
den Tod von Jonas' Sohn, die Luther im Briefwechfel
zuerft am 15. Mai erwähnt) wird die Zuverläffigkeit der
Dietrich'fchen Datirung dargethan haben.

Ein zukünftiger Herausgeber der 25 Pfalmen Luthers
von der Coburg wird aus B.'s Edition manchen guten
Wink für die Textherftellung nehmen, und falls er eine
populäre Ausgabe beabfichtigt, die Heranziehung gleichzeitiger
(was mir freilich noch nicht ficher erfcheint)1) oder
gleichartiger Auslegungen Luthers nach B.'s Mufter be-
rückfichtigen können, wird aber vor allen Dingen con-
fequenter in feinen Editionsgrundfätzen fein müffen.
(Die Anm. S. 187 wird er ändern, Luther denkt nicht
an Mt. 5,5, fondern an den Vulgatatext zu der betr.
Stelle f. Wehn. Ausg. III, 144.)

Tübingen. W. Köhler.

Zwingliana. Mittheilungen zur Gefchichte Zwingli's und
der Reformation. Herausgegeben von der Vereinigung
für das Zwinglimufeum in Zürich. 1899, 2 Nrn. [Nr. 5
u. 6.] Zürich, Zürcher & Furrer. (S. 81 — 128 gr. 8. m.
2 Tafeln.) M. 1.50

Die beiden Hefte des Jahrganges 1899 der Zwingliana
geben wiederum eine ganze Reihe kleiner werthvoller Beiträge
zur Gefchichte Zwingli's und des Reformationsjahrhunderts
. Zwingli als Feldprediger in der Schlacht bei
Kappel mit der durchlöcherten Sturmhaube, durch welche
er die erfte Wunde erhielt, dem Schwert und dem Fauft-
rohr, von welchen S. 105 fr. eine eingehende Befchreibung
und eine Abbildung gegeben ift, und mit der kleinen
lateinifchen Bibel von 1519, einem Freundesgefchenk, in
der Satteltafche macht einen unauslöfchlichen eigenartigen
Eindruck. Für die künftige Neuausgabe von
Zwingli's Werken giebt Egli eine Reihe Vorarbeiten, z. B.
Erklärung von Orts- und Perfonennamen, Zu Fabula S. 84
vgl. die Nachweife bei Stähelin, Zwingli 2, 537 (Nachträge).
In Hirudaeus könnte einEgler, in Aedtlitius ein Bau-, Buherr
ftecken. Finsler weift gegen Mörikofer und A. Baur die
Snggestio deliberandi de propositione Hadriani pontificis
Romani Nerobergae facta ad principes Germaniae, 1522
als geiftiges Eigenthum Zwingli's nach, deffen Concept
noch erhalten ift. Sehr verdienftlich ift der Nachweis
der Berührung des Züricher Wandkatechismus von 1525
mit einem Brief von Zwingli an Val. Kompar aus dem
gleichen Jahr, was Ferd. Cohrs zu verdanken ift. Doch
läfst fich daraus für die Abfaffung des Katechismus
durch Zwingli kein zureichender Beweis erbringen, da
nach Egli Zwingli gerade bei der Faffung des zweiten
Gebots, um das es fich handelt, Leo Jud buchftäblich
folgt, der wohl eher der Verfaffer des Wandkatechismus
ift, wenn er auch von Zwingli infpirirt fein könnte.
Weiter giebt Egli eine Reihe ungedruckter Briefe und
Briefftücke, z. B. von Pellikan c. 1526 und von Hans

1) Sie fehlen bei Aurifaber und find farblos; oder vielleicht Präparationen
Luthers zum Diktate für Dietrich? cf. oben das partim-partim.

v. Fuchsftein 1531 an Zwingli, von Gwalther an Bullinger aus
Marburg 1540 mit Nachrichten über Heinrich VIII. und
England, von demBaslerStipendiaten Ph.Bächi anO.Myco-
nius aus Wittenberg 1542 mit Aeufserungen über Luther,
Melanchthon u. A., wie über die Wittenberger Studenten-
verhältnifse. Ferner finden fich Nachrichten über Männer
aus Zwingli's Kreis, wie Peter Gynoräus, Nik. Peier, Karl-
ftadt (Auszüge aus feinen Zürcher Predigten), den Täuferagitator
Sim. Stumpf, zu deffen Converfion, wie fie der Ulmer
Höflich berichtet, fein fpäterer Lebensgang gut pafst. Vgl.
Bl. f. Württemb. KG. 1891, 48. Eine ungedruckte Biographie
Zwingli's von dem Convertiten Kafp.Ulenbergf 1617 ift trotz
der Nachforfchungen Finsler's in Köln noch verfchollen.
Zu der neuerdings viel verhandelten Frage über die Ent-
ftehung der Kirchenbücher, deren Wiege ficher in Zürich
zu fuchen ift, giebt Egli genauere Mittheilungen. Mit
Recht machte Zwingli auf die Unentgeltlichkeit der
neuen Bücher aufmerkfam. Die alte Kirche hatte nur
ihre Nekrologien und Anniverfarien, wozu auch der
Uber vitae in Einfiedeln zu rechnen ift, pünktlich geführt.
Diefe aber hatten wefentlich finanzielle Bedeutung. Das
Taufbuch, das der Basler Leutpriefter U. Surgant 1490
bis 1497 führte (noch im Britifchen Mufeum), ift ein vereinzeltes
Privatunternehmen eines tüchtigen Pfarrers, von
dem reformatorifche Anregungen ausgingen. In Zürich
aber ift die Führung der Bücher amtliche Pflicht und
eine Waffe im Kampf gegen die Täufer. S. 126 ift
Württemberg 1558 zu ergänzen. Das Jahr 1555 kann
für Baden aufser Conftanz kaum ganz zutreffen. Baden-
Durlach wurde erft 1556 reformirt. Zu beachten find
die Sagen über die Schlacht am Gubel S. 123 und über
Zwingli's Riefenfprung S. 95, wobei wohl eine Erinnerung
an altdeutfche Mythologie mit unterläuft, ferner für den
Liturgiker das Gebet um rechten Verftand der Schrift
von 1523, für den Religionspolitiker das Gutachten des
Antiftes Lavater über die Parität, für den Culturhiftoriker
die Bemühung der jungen evangelifchen Kirche um Aerzte,
wie fie fich auch in Württemberg nachweifen läfst, wo
das ganze Medicinalwefen ein Stück der Kirchenordnung
von 1559 war, da es fich um ein Stück Liebesthätigkeit
handelte. Bei der Reichhaltigkeit der kleinen Hefte wäre
ein Inhaltsverzeichnifs für jedes Heft auf dem Titel er-
wünfcht.

Nabern. G. Boffert.

Robertson, Fr. W., Tägliche Gedanken. Gefammelt aus
den Schriften R.'s von Elifabeth Reichhoff. Göttingen,
Vandenboeck & Ruprecht, 1899. (266 S. gr. 8.)

M. 3.—; geb. 4.—

Eine Sammlung aus Robertfon's Schriften, wie
wir eine folche, ganz in derfelben Anlage und Aus-
ftattung aus Kingley's Schriften fchon feit einiger Zeit
befitzen. Für jeden Tag des Jahres ift eine kürzere
oder längere Stelle ausgewählt und mit dem ent-
fprechendem Datum verfehen. In der Regel füllen
drei folcher Stellen eine Seite; die gegenüber liegende
Seite ift freigelaffen, um Raum für etwaige Eintragungen
zu geben. Ich mufs geftehen, dafs ich mich für folche
,Blüthenlefen' meinerfeits nicht fonderlich erwärmen
kann, ich lefe lieber längere Gedankenreihen, und
ziehe vor, auch von einem Tag zum andern, wenn ich
etwa nur ein kurzes Stück aus einem Autor täglich
lefen kann, im Zufammenhang zu bleiben. Doch fcheinen
andere einen anderen Gefchmack zu haben. Viele finden
offenbar Gefallen an folchen Büchern. Die oben erwähnte
Sammlung aus Kingley's Schriften hat fchon die
2. Auflage erlebt. Und wem es zufagt, die geiftige
Nahrung in folcher Form fich reichen zu laffen, der
findet natürlich in dem vorliegendem Buch eine Fülle
guter und tiefer Gedanken. Denn dafs die Schriften
Robertfon's daran befonders reich find, wird kaum ge-