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Ausgabe:

1900 Nr. 9

Spalte:

279

Autor/Hrsg.:

Elze, Theodor

Titel/Untertitel:

Luther‘s Reise nach Rom 1900

Rezensent:

Cohrs, Ferdinand

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279

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 9.

280

Elze, Dr. Theodor, Luther's Reise nach Rom. Berlin,
A. Duncker, 1899. (XI, 98 S. gr. 8.) M. 2. 50

Die letzte Monographie über denfelben Gegenftand,
den unfer Buch behandelt, war Adolf Hausrath's ,Martin
Luther's Romfahrt' (Berlin 1894). Im Anfchlufs an Kolde
.Innere Bewegungen im Auguftinerorden und Luther's
Romreife' (Ztfchr. f. Kg. II, 3. 460 ff., vgl. Kolde's Lutherbiographie
S. 75 ff.) legte auch Hausrath Luther's Reife
ins Jahr l$lil2 und neu3 ue veranlafst fein durch Staupitz'
Entfchlufs, den Ordensoberen von dem Widerfpruch einiger
Convente gegen die von ihm eingeleitete und durch eine
päpftliche Bulle legitimirte Aenderung in der Verfaffung
des Auguftinerordens Bericht zu erftatten. Aber während
Kolde Luther bei diefer Gefandtfchaft an erfter Stelle
nennt, fieht Hausrath in ihm nur den socius itinerarius
Johanns von Mecheln (S. 7 f.), in letzterem alfo den
eigentlichen Gefandten. Mit Recht weift Elze (S.VIII u.
S. 11 Anm. 6) auf die Unzuträglichkeiten hin, die fich
daraus ergeben.

Vorliegende Publication kehrt zur älteren Annahme
zurück, dafs nämlich die Reife fchon im Jahre I510/n
ftattgefunden habe; und da der von Kolde für fie ermittelte
Anlafs bei diefer Datirung natürlich hinfällig ift,
fo nimmt Elze an — auf Matth. Dreffer, Historiae M.
Lutheri, Lipsiae 1598 fich ftützend —, dafs Luther vom
Wittenberger Klofter .jedenfalls im Einverftändnifs und
mit Zuftimmung Staupitzen's' nach Rom gefandt fei, um
dort Dispens von den wieder eingeführten rigorofen
Faftengeboten der Obfervanz, namentlich für die Lehrer
der Univerfität zu erwirken. Er meint, diefe Angabe
über den Reifezweck fei ,fo ausgedrückt, wie man das
Streben der mit Univerfitäten in näherer Verbindung
flehenden reformirten Klöfter des Auguftinerordens nach
einer milderen, ihrer Wirkfamkeit erfpriefslicheren Handhabung
der ftrengen Obfervanz einem Laien kurz möge
dargeftellt haben, den man nicht tiefer in den Stand der
Angelegenheit blicken laffen mochte' (S. 92).

Ganz abgefehen davon, dafs Dreffer, felbfl wenn
man ihm gerne die Gerechtigkeit widerfahren laffen will,
die Elze für ihn in Anfpruch nimmt (a. a. O.), doch
immer nur eine fecundäre Quelle ift, fo mufs es befremden
, gerade Luther, der an Rigorofität alle anderen
übertraf (vgl. bei Elze felbft S. 1 f.), zum Träger eines
folchen Dispens-Gefuches gemacht zu fehen.

Freilich kann Elze der Annahme Kolde's gegenüber
bedeutfame Momente für feine Conftruction in Anfpruch
nehmen: fo ift er einmal mit Luther's eigenen Ausfagen
über den Termin feiner Reife im Einklang, denn diefe
als Gedächtnifsfehler zu erklären (Hausrath S. 7) ift und
bleibt bedenklich; er kann auf Mathefius' Auslage fich
berufen, dafs ,fein Convent in des Klofter's Gefchäften'
Luther gen Rom gefandt habe; der Heimweg Luther's
regelt fich entfchieden beffer, wenn man annehmen darf,
dafs er über Mailand durch die Schweiz nach Augsburg
gereift fei, als wenn man ihn den Weg über Salzburg
nehmen läfst, wobei Elze ganz richtig bemerkt (S. XI),
dafs die Wanderung von Salzburg über Augsburg nach
Wittenberg ein offenbarer Umweg war. Dennoch kommen
auch Elze's Ausführungen vorläufig über ,Vermuthungen'
nicht hinaus (f. Hausrath S. VII). .Mangel an geographi-
fcher Wahrfcheinlichkeit und Genauigkeit' wird man ihnen
nicht zum Vorwurf machen (Elze S.XI), aber gerade von den
Aufftellungen, auf denen die ganze Anlage der Reife bafirt,
hat man nicht den Eindruck zwingender Nothwendigkeit.

Aber auch von Elze's Darftellung gilt, was Hausrath
S. XIV fagt: ,Schon die Erwägung der Möglichkeiten hat
bei einem Leben wie diefem feinen Reiz'. Mit gröfstem
Intereffe folgt man feinen Combinationen und bekommt
über zahlreiche Einzelheiten der Reife neues Licht.

Ganz gewifs ift das Buch eine werthvolle Bereicherung
der Luther-Literatur.

Efchershaufen i. Brfchw. Ferdinand Cohrs.

Luthers, Dr. Martin, Fünfundzwanzig Psalmen, dem Veit
Dietrich ausgelegt 1530 auf der Fefte Koburg. Mit Anmerkungen
verfehen, revidiert und herausgegeben von
Prof. Dr. Eduard Böhl. Gütersloh, C. Bertelsmann,
1899. (IV, 196 S. gr. 8.) M. 2.40; geb. M. 3.—

,Man foll diefe Pfalmenauslegung als ein Andachts-

i buch gebrauchen.....Es foll ja keine correcte Aus-

| gäbe fein, fondern ein paffendes Vademecum für trübe
| Tage' — fo beftimmt der Herausgeber im Vorwort
(S. III) den Zweck diefer Neuausgabe "der Pfalmenauslegung
Luthers aus der Zeit des Augsburger Reichstages
. Dafs diefe der eigenen Erbauung urfprünglich
dienenden Meditationen Luthers als aus Gebetsftimmung
herausgewachfen und beftändig von ihr getragen ein Andachtsbuch
werden können, unterliegt keinem Zweifel,
und da die für weitefte Kreife beftimmte fogenannte
Braunfchweiger Lutherausgabe fie nicht aufgenommen
hat, ift ein Neudruck an fich willkommen zu heifsen.
Dafs aber der vorliegende dem gefetzten Zwecke ent-
fprechen wird, glaube ich nicht. — Darüber wird man
ftreiten können, ob die im Wefentlichen getreue Wiedergabe
des Luther'fchen Wort- und Satzgefüges beizubehalten
— wie es in vorliegendem Falle gefchehen ift —■
j und nicht vielmehr eine modernifirte Ueberarbeitung nach
Art der von H. v. Lüpke in der Chr. Welt 1899 Nr. 43 ff.
| mitgetheilten Proben vorzuziehen ift, aber das dürfte
1 doch Norm für jede populär gehaltene Neuausgabe, nun
gar für ein Andachtsbuch, fein, dafs gelehrter Ballaft des
Textes, wofern er nicht zum Verftändnifs nothwendig
| ift, fortfällt, oder, wo er auftritt, erläutert wird. Beides
ift von Böhl nicht gefchehen, oder wenigftens nur unvollkommen
gefchehen. In einer ganzen Reihe von
Fällen (S. 65, 68, 73, 83, 105 u. ö.) find z. B. die von
Luther in den Text herübergenommenen Worte des he-
bräifchen Urtextes in hebräifchen Lettern wieder
abgedruckt, ebenfo mitunter lateinifche Worte, fei es in
Klammern zum deutfchen Texte, fei es ohne Klammer
(f. S. 58, 59, 84 u. ö.). Auch lateinifche Cafusendungen
ff. S. 55: wider Eccium, Cochleum, S. 70, 83 u. ö.) find
flehen geblieben. Auf der anderen Seite kann der Laie
beanfpruchen, dafs ihm kurz gefagt wird, wer Cochläus,
Faber (S. 66) Thomas (-Münzer S. 67), Sylvefter (S. 68),
magister sententiarum Petrus Lombardus (S. 129) ift, oder
was er unter .Konfcientz' (S. 86) ,Hadermetz' (ebda.) unter
dem Sprichwort: ,es brennet der Rhein' (S. 92) ,ftöcken
und plöcken' (S. 58) u. a. verliehen foll. Mit einem Verweis
auf Grimm's Wörterbuch (f. S. 80) kann e r doch
kaum etwas anfangen. Auch fonft find viele Anmer-
| kungen nur für den Fachmann berechnet (f. S. 32, Anm. 2,
67 68 2, 102 > 133 134 2 u. öd, andere hingegen nichts
weiter als Wiederholungen im lext gefagter Worte (z. B.
S. 134 im Text: ,Es hat Münzer in diefen Pfalm viel
Speculirens gehabt, aber alles nur vom Geift'; in der
Anm.: Münzer fpeculirt vom Geift, f. ferner S. 34 48 l,
72 2, 73 2, 74 2 u. ö.). Sollten auf diefe Weife etwa die
Kernfprüche kenntlich gemacht werden? War dann nicht
Sperrdruck angemeffener? Es ermüdet und ftört die Erbauung
, fo oft nach unten fehen zu müffen und dann
doch nur Wiederholung zu finden. Und wäre das etwa
ein Kernfpruch: ,D. Eck ein Schlemmer und Vergeuder'
(S. 803)? Auf einige gar zu erbauliche Anmerkungen
(z. B. der Schlufsfatz S. 68 2, 155 )) fei nur hingedeutet.
Es wird klar geworden fein, dafs die Ausgabe, um ihren
Zweck zu erfüllen, auf der einen Seite zu viel, auf der
anderen zu wenig bietet; fie fleht in der Mitte zwifchen
wiffenfchaftlicher und Volksausgabe, keiner von beiden
wird fie gerecht.

Zeigt fich hierin eine Inconfequenz, fo wird diefelbe
nahezu unerträglich bei der Willkür, mit welcher bei der
Textgeftaltung verfahren ift. Wie fchon erwähnt, wollte
B. die Lutherfche Textform im Wefentlichen flehen laffen,
nur ,etliche zeitgemäfse Veränderungen' vornehmen, d. h.