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Ausgabe:

1900

Spalte:

266-269

Autor/Hrsg.:

Walker, Theodor

Titel/Untertitel:

Jesus und das Alte Testament in ihrer gegenseitigen Bezeugung 1900

Rezensent:

Baldensperger, Wilhelm

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wahrfcheinlich Interpolation des Eleafar, 36 — 37 die
Kriege der Kinder Jacobs, 38 das Teftament Naphthali,
43—48 (mit wenig Ausnahmen) die Mofeslegende, welche
doch trotz Gafter's Ausführungen (LXXXVIII) nach

c. 458 dem Sepher Hayaschar entlehnt zu fein fcheint,
49 der Tod Aarons, 50—52 der Tod und die Himmelfahrt
des Mofes (ausdrücklich als Hinzufügung des Eleafar
bezeichnet), 60 die Aufzählung der acht Exile der
Kinder Israels, 61—63 drei Varianten der Sage über das
Schickfal der Kinder Mofes und der 10 Stämme (f. die
überfichtliche Zufammenftellung der Ueberlieferungen
diefes Sagenkreifes bei Müller, Eldad-Ha-Däni, Denkfchr.

d. Akad. z. Wien, phil. hift. Claffe 41, 1892), ferner (ohne
Nummern f. o.) die hebräifche Ueberfetzung des ara-
mäifchen Daniel und im aramäifchen die Zufätze der
Septuaginta von Daniel und dem Drachen, Daniel und
Bei, Gefang der drei Männer, nach ausdrücklicher Angabe
von Jerachmeel felbft hinzugefügt, und zwar (gegen
Gafter) wieder nach den eigenen Ausführungen Jerach-
meels der Ueberfetzung des Theodation entlehnt; endlich
63 der Midrafch von Ahab und Zedekiah, 64 die Ge-
fchichte der Sufanna.

Die hier aufgezählten Stücke repräfentiren den werth-
vollften Beftand der Chronik des Jerachmeel. Schade
darum, dafs wir faft vollftändig im Unklaren über die
Herkunft der Stücke gelaffen werden. Bei den meiden
bleibt es zweifelhaft, ob fie von Eleafar oder von Jerachmeel
in die fortlaufende Chronik eingefügt wurden.
Aber wie immer diefe Stücke auch in diefes fpäte Werk
verfchlagen fein mögen, eine Reihe derfelben find von
allergröfstem Intereffe und höchftem Alter. Die erfte
Abrahamslegende (33) fcheint der älteren Gruppe der
Abrahamsfagen anzugehören und zeigt Verwandtfchaft
mit der von Bonwetfch herausgegebenen Abrahamsapo-
calypfe. Den Midrafch von den Kriegen der Kinder
Jacobs hat bereits der Verfaffer der Jubiläen und der
der Grundfchrift der Teftamente der Patriarchen gekannt.
Das Testament tun Naphtali ift zwar nicht der hebräifche
Grundtext des griechifchen Teftaments, aber doch eine
vollftändige zweite Relation, und ift als folche bereits in
Kautzfch's Ueberfetzung der Pfeudepigraphen aufgenommen
(f. dort die Literatur über diefes Stück, 458 f.).

Nach Abzug auch diefer Stücke bleibt nun noch
immer vom Jerachmeel das Gerippe eines mit Adam beginnenden
fynchroniftifchen Werkes übrig, das ebenfalls
nicht ohne Intereffe ift. Diefe Chronik mufs auch Petrus
Comeftor in feiner Historia Scholastica benutzt haben.
Sie kann mit Hilfe des Jerachmeel und Petrus Comeftor
conftruirt werden, und es ergiebt fich aus einem Vergleich
der eng verwandten Quellen, dafs Jerachmeel
ftark gekürzt haben mufs. Der Verfaffer diefer Chronik
fchöpfte noch aus guten Quellen. Er hat noch den
echten Jofephus, d. h. diefen felbft oder irgend eine auf
ihm ruhende Quelle, gekannt. Die Berufungen bei Jerachmeel
auf Jofippon 35, e und 58, 1 oder gar Jofippon
ben Gorion 56,2 (?) beziehen fich auf das echte Werk des
Jofephus. Sie können fich gar nicht auf Jofippons Machwerk
beziehen, weil diefes den in Betracht kommenden
Zeitraum gar nicht umfafst. Unfer Chronift hatte bereits
die üble Angewohnheit, die Quellen feiner Gewährsmänner
als felbftgelefene Quellen zu citiren. So citirt
er den Nicolaus von Damascus an Stelle des Jofephus
(Jerachmeel 35, 2; genau fo Petrus Comeftor in Genes. 44).
Wenn wir bei Petrus Comeftor gar das intereffante Fragment
des Kleodemus (hier Eldaeus) Malchas, einige
Capitel vorher ein Fragment des Heftiaeus (hier Eficius)
unter deren Namen citirt finden, fo haben wir hier die
Spuren desfelben dem Jofephus folgenden Chroniften
(cf. Jofephus Antiq. I, 119 mit P. Com. in Gen. 38; I 240f.
u. P. Com. 62). Solche Schwindelcitate, wie jenes im Jerachmeel
35, 5: Jofippon habe erzählt, dafs die Abrahamseiche
bis zur Zeit des Theodofius (!) geftanden habe und
Strabo habe von Jonithus, dem Sohne Noahs berichtet,

find unferm Chroniften allerdings nicht zur Laft zu legen.
Hier giebt Petrus Comeftor das eine Mal Hieronymus
(Cap.45), das andere Mal Methodius (Cap.37) als Quelle
an. Gerade ein Vergleich der letzteren Stellen ift höchft
lehrreich. Es gewinnt faft den Anfchein, als wenn Jerachmeel
eine chriftliche Weltchronik in fein Werk
aufgenommen und die auf chriftliche Autoren hinweifenden
Citate durch feine Schwindelcitate erfetzt hat.

Wenn Petrus Comeftor Recht hat mit feiner Angabe,
dafs die Jerachmeel 32 ff. vorliegende Erzählung von
Jonithus-Nimrod aus Methodius flammt, fo würde damit
auch die Zeit der fynchroniftifchen Quelle des Jerachmeel
früheftens ins achte Jahrhundert einzufetzen fein.
Es wäre deshalb nicht zu verwundern, wenn unfere
Quelle, wie Gafter vermuthet, bereits von Ifidorus v. Sevilla
abhängig fein follte. Daneben aber kannte der
Chronift oder wieder deffen Gewährsmann viel ältere
Quellen wie die echten Werke des Jofephus, jedenfalls
auch die Chronik des Eufebius in der Bearbeitung des
Hieronymus und den Genefiscommentar des Hieronymus.')
Faffen wir zufammen. Dem Sammelwerk des Eleafar
lag das Werk des Jerachmeel im Wefentlichen zu
Grunde. Er hat es wahrfcheinlich durch eine Reihe
kleinerer Stücke vermehrt, fo ficher um die erften Capitel
des Jofippon und um die Legende vom Tode des Mofes,
vielleicht auch um die Abrahamslegenden und die Vita
des Mofes. Jerachmeel hat bei feiner Compilation folgende
Hauptquellen benutzt: 1) eine wohl erft früheftens
aus dem achten Jahrhundert flammende Weltchronik,
wahrfcheinlich chriftlichen Urfprungs, 2) die pfeudophilo-
nifchen Antiquitates, 3) den Jofippon mit Ausnahme der
einleitenden Capitel, 4) die aramäifchen Danielftücke im
hebräifchen, die griechifchen Zufätze im aramäifchen Text
nachTheodotion, 5) eine Reihe kleinerer Stücke, bei denen
fich der Antheil, den Eleafar und Jerachmeel bei ihrer
j Zufammenftellung gehabt haben, nicht mehr genau ausmachen
läfst.

Göttingen. Bouffet.

Walker, Pfr. Theodor, Jesus und das Alte Testament in
ihrer gegenseitigen Bezeugung. Zwei Vorträge auf theo-
logifchen Curfen gehalten. I. Jefus und das Alte Teftament
. II. Jefus im Alten Teftament. Gütersloh, C.
Bertelsmann, 1899. (VIII, 132 S. gr. 8.) M. i.8o;

geb. M. 2.40

Wie auf dem bekannten Feriencurfus zu Bonn Prof.
Meinhold dieRefultate der neueren Forfchung über die alt-
teft. Religionsgefchichte vorgeführt hat, lo hat unfer Verf.
auf theologifchen Curfen in Württemberg an diefen Re-
fultaten Kritik geübt, und wie der Erftere in einigen Bro-
fchüren feinen Standpunkt verdeutlichte, fo giebt der
Zweite in den zwei gedruckt vorliegenden Vorträgen feine
abweichende Meinung kund. Für die richtige Beurthei-
lung des A.T. in der von der Kritik gefchaffenen un-
ficheren Lage fucht er nach einem feften Punkte, und
findet denfelben in der Stellung Jefu zum A.T., welche
gegen die Aufftellungen der modernen Theologie aus-
gefpielt wird. Es wird zunächft conftatirt, dafs die Bibel
Jefu in Bezug auf ihren Umfang ungefähr mit unferem
A. 1. übereinftimmte, und dafs er in feiner Auffaffung der
heiligen Schriften nicht von den Anflehten der jüdifchen
Schriftgelehrten abhing, wenn er auch mit denfelben
vertraut war. An dem Inhalt des A.T. nach den drei
Seiten hin: Gefchichte, Gefetz und Prophetie habe Jefus
keine Kritik geübt, fondern darin unverfälfehte, göttliche
Zeugnifse erkannt. Er glaubte an die altteft. Erzählungen

1) Die von James veröffentlichten Fragmente aus Pf-Philo (s. o.)
entflammen einem Sammelbande, in welchem fich Werke des Hieronymus,
des Ifidorus und jene Fragmente bei einander finden. — Das ift etwa
derfelbe Umkreis von Schriften, aus denen auch Jerachmeel hervorgegangen
ift.

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