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Ausgabe:

1900 Nr. 9

Spalte:

260

Autor/Hrsg.:

Jeffreys, Letitia D.

Titel/Untertitel:

The unity of the book of Jsaiah. Linguistic and other Evidence of the undivided authorship 1900

Rezensent:

Volz, Paul

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259

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 9.

260

lieh nur eine kurze fummarifche Ueberficht geben über
die grofse Fülle des neu ausgegrabenen Materials, und
man wird es menfehlich finden, wenn dabei die Verdiente
englifcher Forfcher befonders hervortreten. Immerhin
hätten hier wie im vorigen Auffatz die deutfehen
Arbeiten eine ftärkere Hervorhebung verdient. Die
wefentliche Aufgabe aber, einem allgemeinen Leferkreis
klar zu machen, wie die archäologifchen Funde und die
Autoritäten der Literatur fich gegenfeitig ergänzen und
wie gerade in Griechenland beide zufammen genommen
uns ein reiches und vollfländiges Bild griechifcher Ge-
fchichte und griechifcher Cultur gegeben haben, ift in
den beiden letztgenannten Auffätzen in durchaus an-
fprechender Weife gelöft. Das Gleiche darf auch von
dem vierten Capitel gefagt werden, in welchem F. Haver-
field über ,die römifche Welt' berichtet (S. 296—331).
Die Auswahl des darzubietenden Materials aus der Fühle
des Neuentdeckten war hier noch fchwieriger. Der Verf.
vermag nur für die verfchiedenen Perioden auf die wichtigsten
Dinge im Grofsen und Ganzen hinzuweifen, wobei
er der deutfehen Forfchung alle Ehre widerfahren
läfst. Zumal auf die grofse Bedeutung der Infchriften-
forfchung unter Mommfen's Leitung und der deutfehen
Limesforfchung wird nachdrücklich hingewiefen. Auch
der fonfi nicht unterrichtete Lefer gewinnt einen Eindruck
von der Wichtigkeit, der Tragweite und dem bisherigen
Stande diefer Forschungen.

Nicht fo glücklich erfcheint mir dagegen die Stoffauswahl
und Bearbeitung, die im dritten Theile von Rev
A. C. H eadlam unter der Ueberfchrift ^Christian Author-
iiyL gegeben wird (S. 355—422). Schon die Eintheilung
des Capitels in die Abfchnitte I. The early church,
IL The remains in Phrygia, III. The catacombs at Rome
ift einigermafsen unklar, da fie den geographifchen und
den fachlichen Eintheilungsgrund mit einander vermengt.
Vor Allem aber hat der Verf. in feinem Beftreben, alle
intereffanten Entdeckungen feinen Lefern mitzutheilen,
die Grenze zwifchen allgemein anerkannten Refultaten
und fubjectiven Hypothefen fehr undeutlich gezogen.
Auch verliert er fich zuweilen in der kritifchen Erörterung
fehr ftrittiger Fragen, die er dann doch des zur
Verfügung flehenden Raumes wegen nicht in extenso aufrollen
kann, fondern durch einen Machtfpruch löfen mufs
(z. B. bei der Befprechung der Abercius-Infchrift gegen
Ficker und Harnack). Ob die im erften Capitel zuerft be-
fprochenen Papyrusfragmente {Oxyrynchus - Jefusworte,
Apoc. und Evang. des Petrus, libelli) überhaupt hierher
gehören, kann zweifelhaft erfcheinen; nur von den libelli
aus der decianifchen Verfolgung wird man das behaupten
können. Die anderen Funde gehören vielmehr in die alt-
chriftliche Literaturgefchichte. Jedoch wird der Leferkreis,
der auf Solche Unterscheidung wenig Wert legt, dankbar
fein, wenn er hier auch über diefe Funde etwas näher unterrichtet
wird. Die darauf folgenden Ausführungen zeigen
an einzelnen Stellen des N. T., zumal der Act., wie fonft
dunkle und zweifelhafte Ausdrücke oft neues Licht, ja
eine Sichere Erklärung durch archäologifche Funde erhalten
haben. H. folgt darin wefentlich den Forfchungen
Ramfay's — auch deffen kühnften Combinationen. Die
Begeifterung für diefelben hat den Verf. auch verleitet,
mit einer Ausführlichkeit auf die in Phrygien gefundenen
Infchriften einzugehen, die eigentlich nicht in den Rahmen
des Buches pafst. Ehe der chriftliche Charakter diefer
Infchriften klarer geftellt ift, erfcheint es mir nicht an
der Zeit, diefe Dinge darzulegen, wo man eine wiffen-
fchaftliche Beurteilung und Prüfung weder vorausfetzen
noch geben kann. Dagegen hätte der Verf. fonft ein
etwas vielfeitigeres Bild zeichnen können von den Beziehungen
der Archäologie und der altchriftlichen Literatur
. Der Abfchnitt über die Katacomben ift entfehieden
beffer in der Richtung als die beiden vorhergehenden,
weil er fich auf das Geficherte befchränkt. Neue Auf-
fchlüffe oder neue Gefichtspunkte wird man aber auch

hier nicht erwarten dürfen. Bleibt alfo in diefem dritten
Theile manches zu wünfehen übrig, fo erhält der Lefer
doch auch hier einen Eindruck von der Bedeutung der
archäologifchen Entdeckungen und nicht weniger auch
von den Grenzen ihres Werthes. Das ganze Buch kann
alfo dazu dienen, weitere Kreife für die archäologifchen
Forfchungen zu intereffiren aber auch vor zu fanguini-
fchen Erwartungen zu warnen, die, wenn fie unerfüllt
bleiben, nur zu leicht in Geringfchätzung umfchlagen.
In Deutfchland kann das Buch zumal denen empfohlen
werden, die gegenüber der leider zu oft gemifsbrauchten
Berufung auf ,die neueren Entdeckungen' einen Mafsftab
gewinnen möchten für Art und Gewicht diefer Beweife
für oder gegen die Autorität unterer bisherigen Geschichtsbilder
. Zu diefem Zwecke wäre das Buch auch einer
Ueberfetzung werth. Beffer freilich wäre es noch, wenn
eine ähnliche Arbeit von den berufensten deutfehen Fach-
genoffen den Gebildeten unferer Nation geboten würde.

Deyelsdorf in Neuvorpommern. Ed. von der Goltz.

Jeffreys, Letitia D., The unity of fhe book of Jsaiah.

Linguistic and other Evidence of the undivided author-
ship. With a preface by the Rev. R. Sinker, DD.,
Cambridge, D. Bell & Co., 1899. (XV, 56 S. 8.)

Geb. 2 Sh. 6 p.

Verf. Sieht in der modernen kritifchen Forfchung, die
den altteftamentlichen Kanon nicht mit der gleichen Ehrfurcht
behandelt wie der jüdifche Rabbiner, einen Abfall
vom Wort und der Wahrheit Gottes. Prophetie ift ihr
Weiffagung, und zwar fo, dafs die Gröfse des Propheten
wächft mit dem zeitlichen Zwifchenraum zwifchen ihm und
dem Geweisfagten. Indefs möchte Verf. Streng wiffen-
fchaftlich zu Werk gehen und die Einheit des Jef. hauptfächlich
durch linguiftifche Gründe beweifen. Aber es
zeigt Sich auch hier, dafs fprachliche Argumente nur den
überzeugen, der fchon vorher feiner Sache Sicher ift. Wie
gewaltfam dazu noch die hier gegebene linguiftifche
Vergleichung ift, follen ftatt vieler anderer folgende Bei-
fpiele zeigen: Ttra 2mal im i.Jef. (14«, 1613!), 6mal im
2. Jef., im übrigen A. T. nur 8 mal, fleht S. 17 unter den
Ausdrücken, die für Jef. charakteriftifch durch's ganze
Buch hindurchgehen, alfo ein Einheitsbeweis feien; Jjy
S. 29 in 2 6 573, aufserdem noch 6mal im A. T. wird
unter den Wörtern angeführt, die weil ,in beiden Theilen
und fonft nur einmal oder nur feiten vorkommend' für
die Einheit zeugen; ja onn S. 31 in 14 17, 22 19, 49 17,19
mufs hier mithelfen, weil es fonft blofs noch 40 mal im
A. T. Sich findet. Da beiden Theilen das Vorkommen
von feltenen Wörtern oder ast. Hey. eigenthümlich ift,
müffen Sie vom gleichen Verfaffer fein. Flüchtig ift die
Verwechfelung von nbb Ez. 14 4 mit Hb 3 S. 27 und die
Behauptung (gegen Dnver), t-riKrut'"1 |frWl ftehe nicht
blofs in Jef., fondern auch Ex! '23 17, Mal. 3 1 S. 33.
Manches fällt aufserdem für den dahin, der auch im
1. Theil des Jef. verfchiedene Autoren annimmt. Die Verf.
aber findet in ihrer fprachlichen Unterfuchung den vollen
Beweis für die Unmöglichkeit eines Deuterojef., diefer
Erfindung des 19. Jahrh. — Das Schriftchen ift in doppelter
Beziehung bezeichnend für den Stand der eng-
lifchen Wiffenfchaft: es zeigt, mit welcher Theilnahme
drüben auch das gröfsere Publicum die kritifchen Arbeiten
der altteftamentlichen Theologen begleitet, und wie viel
andererfeits, vielleicht eben wegen diefer Erfcheinung,
die englifchen Forfcher noch zu thun haben, um folche
Publicationen wie die vorliegende unmöglich zu machen.
Tübingen. P. Volz.