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Ausgabe:

1900 Nr. 8

Spalte:

242-245

Autor/Hrsg.:

Cornelius, C.A.

Titel/Untertitel:

Historische Arbeiten, vornehmlich zur Reformationszeit 1900

Rezensent:

Virck, H.

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 8.

242

Abhandlung Schwabes, Herzog Georg, ewiger Guber-
nator von Friesland, im Neuen Archiv für Sächfifche
Gefchichte Bd. 12, und ebtndort Bd. 19 hat Gefs über I
Habsburgs Schulden bei Herzog Georg gehandelt. Alle
diefe Schriften und Auffätze betreffen aber mehr oder
weniger nur einzelne Punkte aus der Regierung bez. dem
Leben des Herzogs, eine umfaffende Biographie des ]
Fürften, welche das reiche archivalifche Material in er-
fchöpfender Weife heranzöge, fehlte bisher durchaus.
Zwar hat Gefs in feiner oben erwähnten Schrift eine
gröfsere Arbeit über den Gegenftand für eine nicht zu ferne |
Zeit in Ausficht geftellt, diefes Verfprechen ift aber noch
nicht eingelöft worden. Unter folchen Umftänden ging j
Ref. mit ziemlicher Spannung an das Welck'fche Buch,
da er glaubte, es werde diefe empfindliche Lücke ausfüllen
. Mit grofsem Bedauern aber mufs er conftatiren,
dafs diefer Verfuch, wenn anders er dem Verfaffer überhaupt
vorgefchwebt hat, nicht gelungen ift; die Schrift
erfüllt folche Erwartungen nur in befcheidenflem Mafse. |
Zweifelsohne ift von Welck, das Zeugnifs foll ihm nicht
vertagt werden, mit Liebe an feine Aufgabe heran- I
getreten, die Literatur über den Gegenftand hat er fleifsig
zufammengetragen und gewiffenhaft benutzt, aber feine
archivalifchen Studien laffen beträchtlich zu wünfchen
übrig. Er hat ja, wie die Citate beweifen, das Dresdner 1
Archiv benutzt und bringt hier und da (vgl. S. 26, 29, 32)
Stücke im Texte, für deren Wiedergabe man ihm dank- ,
bar fein wird, aber ebenfo ficher dürfte fein, dafs er die
dortigen reichen Schätze auch nicht nur annähernd er-
fchöpft hat. Eine Arbeit über einen fo wichtigen und
intereffanten Fürften hätte auf einer viel breiteren Bafis
aufgebaut werden müffen, als von Welck das gethan hat. t
Das Urtheil, welches der Verfaffer über Georg und feine j
Thaten fällt, ift befonnen und mafsvoll (vgl. Vorwort, j
S. 102, 110, I94/5); trotzdem er ein überzeugter Proteftant
ift ')> was fich nur einmal (S. 195) auffallend bemerklich
macht, verfteht er es, dem Herzoge und deffen Ablichten
gerecht zu werden, befonders tritt das hervor bei der (
Beurtheilung dts Streites Herzog Georgs mit Luther, bei
welchem die mafslofe Heftigkeit des letzteren nicht fcharf
genug verurtheilt werden kann. Ueberblickt man die
Thätigkeit Georgs, fo erhält das Bild feines Lebens, wie '
Verfaffer richtig betont, eine wehmüthige Färbung durch
den feinem kräftiglten Streben faft durchgängig verfagten
Erfolg. Am treffendlten hat wohl Brandenburg in feinem
Moritz Bd. I, S. 34 den Herzog charakterilirt, wenn er
fagt: Er lebte in einer Zeit, deren treibende Kraft er
nicht begriff, fo rang er gegen fie mit der Ausdauer der
Verzweiflung, obwohl er die Mitflreiter um fich her erlahmen
oder fallen fah, obwohl er fich fchliefslich felbft
kaum noch verhehlen konnte, dafs fein Mühen vergebens
fei, und dafs nach feinem Tode die Ketzerei auch über
fein forgfam umhegtes Gebiet hereinbrechen werde.
Wohl mag man feine Handlungsweife verbiffen und hals-
ftarrig nennen, aber das Zeugnifs wird ihm Niemand
verfagen: er war ein ganzer Mann und ein ganzer Fürft.
Die Arbeit gliedert fich in 10 Capitel, deren Werth ein j
verfchiedener ift. Für am beften gelungen möchte Ref.
neben dem nicht üblen Abfchnitte über den Bauernkrieg ]
die Capitel 4 und 5 halten, wo Schvvabe's Arbeit aus- j
giebig benutzt worden ift, während die vorhergehenden j
Abfchnitte fich vielfach mit Langenns Albrecht berühren.
Für die Kloftervifitationen ift Verfaffer natürlich und mit
Recht der Gefs'fchen Schrift gefolgt, ohne dafs es ihm [
aber geglückt wäre, ein klares, abgerundetes, zufammen-
hängendes Bild derfelben zu geben; für das Ende der
Arbeit endlich konnte er Brandenburg's tüchtige Abhandlung
über Herzog Heinrich den Frommen im Neuen |

t) Herr von Welck ift auch ein überzeugter Confeivativer. Ref.
hat nicht vermuthet, in einem Ruche über Herzog Georg einen fo kräftigen
Ausfall gegen die heulige Socialdemokratie i'vgl. S. 101, Note l) zu
finden.

Archiv für Sächfifche Gefchichte Bd. 17 heranziehen. Die
fchwächften Capitel find die beiden letzten, wo alle möglichen
Angelegenheiten und Dinge ziemlich bunt durcheinander
gehen; augenfeheinlich ift der Stoff dem Verfaffer
über den Kopf gewachfen. Was Ausfüllungen im
Einzelnen anlangt, fo giebt es deren leider mehr als
genug. Gleich die erflen Sätze der Einleitung enthalten
mehrere Fehler, aber auch fonft begegnen uns folche,
vgl. z. B. die wunderliche Notiz S. 64 Note 1 über den
Verfaffer des i.Theiles der Epistolae obscurorum virorum.
Das Geburtsjahr Thomas Münzers ift falfch angegeben
S. 95, wo die Angaben fich widerfprtchen. Mit Eigennamen
geht von Welck fehr willkürlich um, unmöglich
kann Alles dem Druckfehlerteufel zur Laft fallen! So
macht er aus Langenn Langrun (S. 6 und 12), Voyt von
Drachsdorff begegnet uns mehrmals ftatt Veit von Drax-
doiff, ftatt Simon von Reifebach (S. 55) mufs es heifsen
Simon von Reifchach; die Namen der friefifchen Städte
(S. 36 und 42) wären beffer in der heute üblichen Form
zu geben gewefen. Recht ftörend wirkt der Umftand,
dafs die Daten vielfach nicht aufgelöft worden find, fo
S. 16, 17, 25, 27, 28, 30 u. f. w. Diefe Mühe hätte der
Verfaffer dem Lefer entfehieden erfparen follen. Der
Faden der Erzählung wird durch die Fülle der Einzelheiten
und der Actenexcerpte mehrfach empfindlich unterbrochen
, fo S. 32 ff., 41 ff. und befonders 130. Auch von
dem Vorwurfe zu grofser Breite kann Verf. nicht frei-
gefprochen werden; fo ift z. B. die doch ziemlich nebenfächliche
Minkwitz - Epifode auf S. 106/110 viel zu ausführlich
behandelt; endlich fehlt es auch nicht an
Wiederholungen und gelegentlichen Widerfprüchen. Eine
ganz fchwache Seite des Verfaffers fei zum Schluffe
noch berührt, das find die Citate! In diefem Punkte
herrfcht die reinfte Willkür, bald vird fo bald fo citirt,
oft mit lakonifcher Kürze, dann wieder in behaglicher
Weitfchweifigkeit, ganz wie es dem Verfaffer pafst. Die
lateinifchen Citate erfreuen fich daneben noch einer beträchtlichen
Menge von Lefe- oder Druckfehlern!

Es ift Ref. nicht ganz klar geworden, an welchen
Leferkreis von Welck bei feinem Buche eigentlich gedacht
hat. Das aber dürfte feftftehen: Eine'den wiffen-
fchaftlichen Anfprüchen voll genügende Biographie des
Herzogs Georg mufs erft noch gefchrieben werden. Man
wird aber hoffen dürfen, dafs eine folche in nicht zu
ferner Zeit zn erwarten fein wird; wird doch in Bälde in
den Schriften der Kgl. Sächfifchen Commiffion für Gefchichte
von berufener Seite der erfte Band einer Acten-
publication erfcheinen, welche geeignet fein dürfte, die
fefte Grundlage dafür abzugeben.

Weimar. Trefft*.

Cornelius, C. A., historische Arbeiten, vornehmlich zur Reformationszeit
. Leipzig, Duncker & Humblot, 1899,
(IX, 628 S. gr. 8.) M. 13 —

Es berührt wehmüthig, wenn der um die Gefchichte
des 16. Jh. hoch verdiente Verfaffer des vorliegenden
Sammelbandes in der Vorrede erklärt, dafs er mit
der Zufammenftellung feiner darin enthaltenen kleinen
Schriften wegen fchwerer Krankheit von der wiffenfehaft-
lichen Arbeit Abfchied nehmen mufs. Um fo mehr wird
man fich mit ihm freuen, dafs es ihm wenigftens vergönnt
war, diefe Zufammenftellung mit Hilfe eines
jüngeren Gelehrten noch felbft zu beforgen. Die hier
vereinigten Schriften zerfallen inhaltlich in drei Theile.
Der erfte enthält Arbeiten zur Gefchichte der Reformation,
der zweite kirchenpolitifche Auffätze, der dritte kleinere
Biographien, Nekrologe und Reden. Den Anfang der
Sammlung macht die a. 1851 erfchienene Schrift über
die Münfterifchen Humaniften und ihr Verhältnifs zur
Reformation, worin uns in anziehender Weife das Leben
und Wirken jener Männer gtfchildert wird, die, um den