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Ausgabe:

1900 Nr. 8

Spalte:

232-233

Autor/Hrsg.:

Burkitt, F. Crawford

Titel/Untertitel:

Early Christianity outside the Roman Empire 1900

Rezensent:

Goltz, Eduard Alexander

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 8.

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dem für Clemens befonders intereffirten Reformabt Richard
von Verdun ihre Entftehung verdankt, während die Ueber-
fetzung im 2. Jahrhundert entftanden ift. Geht man mit
der nöthigen Vorficht zu Werke und fieht von den har-
monifirten Citaten ab, fo ift L ein aufsergewöhnlicher
alter Textzeuge, welcher an einigen Stellen, die auf
S. 58 aufgezählt find, den urfprünglichen Text uns allein
aufbewahrt hat. Zumal 42,4 verdient hier befondere
Hervorhebung, wo L hinter evangelizare (sie! — A xyovö-
öovxsq), die Worte cos qui obaudiebant voluntati Dei
baptizantes einfehiebt. Knopf wagt es unter Hinzufügung
eines xcd darnach den Text fo zu reconftruiren: xrjQVÖOOV-
xeg xal zovq vjtcixovovxaq zy ßovXyOei xov frsov
ßctJtz iC,ovz eq xaMoxavov zag ccJiaQxäq uvxmv, indem
er nun darauf hinweift, dafs fo erft das ,avzmd in feiner
Rückbeziehung klar werde. Einzuwenden bleibt hier
freilich, dafs avzmv fich im griechifchen Text auch auf
XOjQaq xcd stoXsiq zurück beziehen könnte und dafs die
Äuslaffung des Satzes weniger erklärlich fcheint als feine
Hinzufüguhg in L. Die im vierten Abfchnitt der Pro-
legomena (S. 64 ff.) angeffellten Unterfuchungen über
Verwandtfchaft und Genealogie der Textzeugen führen
zur Aufftellung eines Stammbaums, der die orientalifche
(A) und die occidentalifche (L)Linie fcheidet, aber zugleich
Mifchtexte conftatirt. Noch wichtiger als diefe immerhin
nicht geficherte Conftruction der Textgefchichte find
die fetten Grundfätze für die Wertheinfchätzung der
Zeugen da, wo fie fich widerfprechen. AL gilt Kn. als
die bette Bezeugung, dann folgt CS; LS ift beffer wie
AC; AS gegen CL halten fich das Gleichgewicht. —
So hat die Entdeckung von L es möglich gemacht,
einen Text herzuftellen, der, wie Kn. meint, im ungün-
ftigften Falle nur um wenige Jahrzehnte von dem urfprünglichen
Text entfernt ift. Befonderen Werth hat
L natürlich für die Capitel, die in A fehlen. Die Emendationen
der früheren Herausgeber am Text von C
haben hier aber nur an wenigen Stellen durch L Be-
ftätigung erfahren, wie Kn. in einem befonderen Capitel
(S. 75—82) nachweift. Das Zeugnifs des Clemens Alex,
beftätigt die Autorität von L, befonders aber von A L
und fetzt die von C herab (S. 82—85). In einem Excurs
über 1 Clem. 2,1 entfeheidet fich der Verfaffer für die
Lesart k<poöloiq xov Xqiozov vorwiegend aus innern
Gründen (S. 85—93).

Nach diefen Prolegomena ift der von Knopf emen-
dirte Text abgedruckt mit vollftändigem textkritifchen
Apparat, der im Kleindruck unter den Text gefetzt ift.
Jede Seite enthält durchfehnittlich den Umfang eines
Capitels, fodafs der Text ohne viel Umblättern in
gröfseren Partien vom Auge überfehen werden kann.
Das macht diefe Ausgabe angenehmer als die fo umfangreiche
Lightfoot'fche oder die Gebhardt'fche und doch
enthält fie viel mehr wie die ed. minor der Harnack-
Gebhardt-Zahn'fchen. Die zahlreichen altteftamentlichen
Citate find durch kleineren Druck hervorgehoben. Das
mag Raum erfparen, ift aber doch nicht fehr zu empfehlen
; fie treten dadurch zu fehr zurück. Als Anhang
zum textkritifchen Apparat bietet Knopf noch ein Ver-
zeichnifs der Schreibfehler und der Lücken im Cod. A
und der Veränderungen, die im Texte der Morin'fchen
Ausgabe vorzunehmen find. Diefe Verzeichnifse können
auch jedem Palaeographen von Intereffe fein.

Endlich fügt Knopf eine Unterfuchung über den lite-
rarifchen Charakter des erften Clemensbriefes bei, welche
den Werth feiner Arbeit noch erhöht. Nach einer fum-
marifchen Inhaltsangabe weift Kn. zunächft alle Verfuche
zurück, die gemacht worden find, um aus den Angaben
des Briefes die Zuftände der korinthifchen Gemeinde zur
damaligen Zeit im Eünzelnen herauszufinden. So weit-
fchweifig die Erörterungen des Clemens auch find, fo
wenig verräth er eine concrete Einzelanfchauung von
den Verhältnifsen in Korinth. Er ift nur fehr im Allgemeinen
über den dort entftandenen Streit orientirt, wahr-

i fcheinlich durch mündlichen Bericht einzelner von Korinth
nach Rom gekommener Chriften. Der Brief ift nach Kn.
nur zu verftehen, wenn man ihn als eine homilienartige
Paränefe auffafst, die von vornherein dazu beftimmt war,
in der Gemeindeverfammlung zurVerlefung zu kommen.
Und zwar find es lauter einzelne oft durch kleine Ueber-
| gangsfätze, oft auch unvermittelt aneinander gereihte Parä-
nefen über verfchiedene Themata chriftlichen Glaubens
und Lebens. Nur gelegentlich wird dabei auch auf die
augenblicklichen Zwiftigkeiten Rückficht genommen. Die
1 Doxologie 20,12, der Schlufsfatz 34,7 und das allgemeine
Gebet 59 ff. laffen diefe gottesdienftliche Beftimmung
deutlich hervortreten. Freilich find Anfänge und Ab-
fchlüffe der einzelnen Parenäfen nicht immer recht deutlich
, und Knopf macht feine Hypothefen entfehieden annehmbarer
und fympathifcher dadurch, dafs er nicht,
wie es fonft fo oft bei ähnlichen Beobachtungen beliebt
wird, gleich neue ,Quellen' conftruirt. Er betont vielmehr
energifch, an der literarifchen Einheit und Selbft-
ftändigkeit des Ganzen fefthalten zu wollen. Der Verf.
fchreibt nur in der ihm geläufigen Form homiletifcher
Paränefen einen allgemeinen chriftlichen Mahnbrief.

Nimmt man diefe Idee Knopfs auf, fo darf man
vielleicht fogar noch einen Schritt weiter gehen. So
gewifs die literarifche Einheit feftzuhalten ift, fo führt
doch die formelle Abgefchloffenheit einzelner Paränefen
dazu, dafs der Verf. eigene ,Predigtconcepte', von ihm
felbft herrührende, aber doch vor Abfaffung der Briefe
j fchon vorliegende Homilien, die der Verf. in Rom fchon
! gehalten hatte, mit hineingearbeitet hat. Ift das Gemeinde-
j gebet, wie auch Knopf vermuthet, das der römifchen Ge-
l meinde, fo mögen auch diefe einzelnen Paränefen fo oder
| ähnlich, wie fie hier flehen, im römifchen Gemeindegottes-
dienft gehalten worden fein. Dann hätten wir hier
wirklich einige der älteften chriftlichen ,Predigten' und
wenn diefelben keine Auskunft geben über die dem
Clemens unbekannten korinthifchen Verhältnifse, fo trifft
doch wohl Vieles, was Wrede u. A. hervorgehoben haben,
| für die römifche Gemeinde zu. Nach diefer Richtung
1 hin mufs die Unterfuchung noch fortgefetzt werden. Knopf
hat fich jedenfalls das Verdienft erworben, diefen fchon
von Harnack flüchtig berührten Gedanken, dafs wir im
Clemensbriefe eine Art von Predigtftücken befitzen, näher
nachgegangen zu fein, und denfelben in einer feinen
und vorfichtigen Form ausgeführt zu haben. Während
der textkritifche Theil der Knopf'fchen Unterfuchung
| die wiffenfehaftliche Arbeit zu dem vorläufig zu erreichenden
Abfchlufs führt, eröffnet der zweite von
1 Neuem in anregendster Weife die Discuffion über diefes
werthvolle Denkmal der älteften Chriltenheit.

Deyelsdorf i. Neuvorpommern. Ed. von der Goltz.

Burkitt, F. Crawford, Early Christianity outside the Roman
Empire. Two Lectures delivered at Trinity College
, Dublin., Cambridge, University Press, 1899.
(89 S. 8.) Sri. 2. 6.

Diefe beiden Vorlefungen , welche der Verf. am
Trinity College zu Dublin gehalten hat, verdienten es
wohl, der Oeffentlichkeit übergeben zu werden. Sie
wollen die Aufmerkfamkeit derer, die fich überhaupt
mit Kirchengefchichte befchäftigen, einmal hinlenken auf
einen wenig beachteten Zweig der christlichen Kirche.
Die vorwiegende gefchichtliche Bedeutung der griechifch-
römifchen Kirchengemeinfchaften, aber auch die Un-
kenntnifs der fyrifchen Sprache feitens der Theologen
hat es veranlafst, dafs eine lebensvolle energifche und
thatkräftige Nationalkirche des Alterthums bisher fafl
I unbeachtet geblieben ift. Erft in neuerer Zeit beginnt
man aufmerkfamer zu werden, auf die Literatur der
; älteren fyrifchen Kirche, die wenig berührt von der Ent-
| wickelung der Reichskirche auch ihre felbftändige Ge-