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Ausgabe:

1900 Nr. 1

Spalte:

3-5

Autor/Hrsg.:

Stade, Bernhard

Titel/Untertitel:

Die Entstehung des Volkes Israel 1900

Rezensent:

Kraetzschmar, Richard

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 1.

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Bishop (J. A. Robinfon), Canon, New Testament (J. A.
Robinfon), Corinthians (Sanday), Cross (Canney und
Cheyne). — Im Uebrigen feien aus der grofsen Zahl be-
achtenswerther Artikel etwa noch folgende hervorgehoben
: 1. aus dem Gebiet der altteftamentlichen Ge-
fchichte: Abraham, Adam, Ahab, Ahasverus, Ahaz,
Alcimus, Benjamin, Cainites, Cyrus, Dan, David. —

2. Aus dem Gebiet der Völkerkunde: Ammonites,
Amorites, Ar am, Assyria (von dem Affiftenten an der
ägyptifchen und affyrifchen Abtheilung des britifchen
Mufeums L. W. King, col. 347—372), Babylonia (ebenfalls
von King, col. 419—454), Canaan, Canaanite. —

3. Aus dem Gebiet der Geographie: Babylon, Bashan,
Capernanm, Cyprus, Cyrene, Damascus, Dead Sea, Dor.
— 4. Aus dem Gebiet der religiöfen und weltlichen
A lterthümer und der Naturgefchichte: Agricidture
(col. 76—89 mit zahlreichen Abbildungen), Altar, Ark of
the Covenant, Balsam, Behemoth, Camel, Candlestick, Cattle,
Chariot (mit Abbildungen), Circumcision, City, Clean and
unclean, Colours, Conduits and Reservoirs, Cooking, Cutt-
ings of the flesh, Dance, Day, Dress.

Möchte das gediegene Werk bald zu glücklichem
Abfchlufs kommen, und möchte ihm auch in Deutfch-
land bald ein ähnliches folgen!

Göttingen. E. Schürer.

Stade, Geh. Kirchen-R. Prof. D. Bernhard, Die Entstehung
des Volkes Israel. 3. Abdruck. (Abdruck 1 u. 2 kamen
nicht in den Handel.) Giefsen, J. Ricker, 1899. (24 S.
gr. 8.) M. —.60

In grofsen Zügen giebt hier der gefchätzte Verf. im
Rahmen eines akademifchen Vortrages einen umfaffenden
Ueberblick über die Entflehung des Volkes Israel, wie
diefelbe fich auf Grund der neueften Funde und For-
fchungen darflellt. Abdruck 1 und 2 find nicht in den
Handel gekommen; um fo dankbarer ift es zu begrüfsen,
dafs endlich der dritte einem weiteren Leferkreife zugänglich
gemacht worden ift, zumal der Vortrag aufs
belle über die fchwebenden Fragen und Probleme diefes
problematifchften von allen Capiteln der Gefchichte Israels
orientirt.

Die überlieferte Bttrachtungsweife kennt freilich hierbei
keine Probleme, aber es läfst fich nachweifen, dafs
diefelbe nicht nur aller Analogien in der Menfchheits-
und Völkergefchichte entbehrt, fondern auch fowohl mit
anderen Angaben des A. T. wie mit den Nachrichten
der ägyptifchen Denkmäler in Widerfpruch fteht (S. 1—6).
Anders wird die Sachlage, wenn man fich entfchliefst,
,die Nachrichten des A. T. wie andere Nachrichten des
Alterthums anzufehen und mit den Mitteln moderner
Wiffenfchaft zu unterfuchen'. Von den vier Quellfchichten
des Pentateuchs mufs naturgemäfs die ältefte, die jah-
wiftifche, den Ausgangspunkt jeder Unterfuchung bilden,
und fie hat auch die meifte Wahrfcheinlichkeit für fich.
Danach waren Jakob und feine Söhne Schafnomaden,
denen Gofen, d. i. das Land von der Grenze Aegyptens
bis zu der Paläftinas, als Weidegebiet angewiefen wurde.
Sie wohnten alfo weder in der Pharaonenrefidenz (fo
nach E) noch im beften Theile des Landes, dem Lande
Ramfes (nach P). Das getreidereiche Nilland hat zu
allen Zeiten die femitifchen Nomaden angezogen. In
das eigentliche Aegypten einzudringen hinderte fie ein
Syftem von Befeftigungen an der Oftgrenze, wo damals
der Suezkanal viel weiter nach N. ging als jetzt (etwa
bis zum heutigen Ismailije), fowie die im heutigen
W. Tümilät zu fuchende ,Fürftenmauer zur Abwehr
der Afiaten'. Bis hierher reichte wohl Gofen. Einige
Theile der in G. Eingewanderten — wohl die Grundlage
der fpäteren Rahelftärnme — mögen auch füdlich
davon gezeltet haben und dabei in Abhängigkeit von
Aeg.gerathen, wohl auch von Ramfes II. als Frohnarbeiter

benutzt worden fein, was als Mifsbrauch des Schutzver-
hältnifses angefehen ward (S. 7—10). An der Gefchicht-
lichkeit von Mofes Perfon und Werk ift nicht zu zweifeln,
wenngleich beide von Sagen umrankt find. Im Namen
des alten Sinaigottes Jahwe, der zunächft Stammgott der
Keniter, dann aber auch Schutzgott einer Conföderation
hebr. Nomaden (der fpäteren Leahftämme), die um den
Sinai (öftl. vom älamt. Meerbufen zu fuchen) zelteten,
war, trat der LevitTVfofe als Befreier der in G. Bedrückten
auf und führte fie mit Umgehung der Feflungen durch
das Schilfmeer. Der Unteigang Pharaos in demfelben
beiuht auf Sage. Die Befreiten und ihre Verbündeten
verwuchfen zu einem Volke; das Gelingen des Befreiungswerkes
war ein Beweis der Macht Jahwes und begründete
bei den Befreiten den Glauben an diefelbe. Ohne Kampf
gelangte man in die Steppen um Kadefch, die wohl bereits
im Befitze der Conföderation waren. Erft danach
fällt der Krieg mit den Amalekitern, deren Niederwerfung
einen Sieg des Volksgottes bedeutete. Von Kadefch, wo
fie lange verweilten, zogen fie — warum? — weiter, um
Edom und wohl auch Moab, die beide alfo bereits als
ftaatlich confolidirt erfcheinen, hei um in das Land zwifchen
dem Jarmuk und dem Nordrande des Toten Meeres; ein
mifsglückter Angriff auf das Weftjordanland mag dem
Abmarfche vorangegangen fein. Ift mit Israel in der
Merneptah-Infchrift das Volk gemeint, fo war zur Zeit
derfelben Israels Anfiedelung in Oftjordanien längft vollzogen
. Hier im Oftjordanlande beginnt der Uebergang
zum Ackerbau; die Namen Hebräer (= Jenfeitige) und
Israel find damals aufgekommen. Die Dauer des Aufenthaltes
hier läfst fich fo wenig beftimmen wie die des
Aufenthaltes an der Oafe von Kadefch (S. 10—15). Die
Eroberung des Weftjordanlandes hat fich nicht in einem
Zuge, fondern nur fehr allmählich und nicht ohne verfchie-
dene Rückfchläge vollzogen. Es laffen fich zwei Perioden

j dabei unterfcheiden. In der erften gelangten nur die
gebirgigen Theile des Landes in den Befitz Israels, während
die Ebenen in den Händen der Kanaaniter blieben; gegen
das Ende derfelben erfolgte eine Rückftauung der kanaan.
Bevölkerung (f. Deboralied). Die Infchriften von Tell-
el-Amarna find infofern befonders von Werth, als fie
zeigen, dafs die ägyptifche Herrfchaft damals ftark in
Verfall war und Paläftina in eine grofse Anzahl fich befehdender
kleiner Staaten und Stadtgebiete zerfiel; fie
erklären damit, wie es den Hebräern gelingen konnte,
Herren von Paläftina zu werden. Die darin erwähnten
Chabiruleute find ,weder die Israelbeduinen noch etwaige
Vorläufer derfelben'. Die zweite Periode erftreckt fich
bis in die Königszeit und ift die Zeit der Gewinnung
der noch kanaan. verbliebenen Gebiete, die theils durch
freiwilligen Anfchlufs (Gibeon, S. und W. Judas), theils
durch Eroberung (Sichern, Jerufalem) erfolgte. Die getrennten
Partikeln Israels verbinden fich wieder und vereinigen
fich zu einem Staatswefen. Israel wächft in die
Acker- und Gartenbaukultur der Kanaaniter hinein.
Jahwe wird der Gott Kanaans und verdtängt die Bealim
aus ihren Heiligthümern, und die Urbevölkerung wird
entweder zur Helotenftellung herabgedrückt oder von
den Eroberern aufgefogen und affimilirt. Diefer Procefs
ward dadurch befonders begünftigt, dafs Jahwe der
Schlachtengott Israels war und blieb, welches Bewufst-
fein durch die fteten Kämpfe um ihre Exiftenz in den
Hebräern rege gehalten wurde (S. 16—24).

In einzelnen Punkten geht Stade's Skepfis wohl zu
weit, fo gegenüber der Ueberlieferung vom Untergange
der Aegypter im Schilfmeere, von den Kämpfen im Oft-
jordanland, gegenüber der Gleichung am. habin = ffHay,
die weder aus orthographifchen noch lautlichen noch
hiftorifchen Gründen (f. S. 17) beanftandet werden kann.
Das Israel der Merneptah-Infchrift ift wahrfcheinlicher

j wohl als Name eines in vorisraelitifcher Zeit im Jabbok-
gebiete anfäffigen hebräifchen Stammes, der fpäter dem

| ganzen Volke den Namen gegeben hat, anzufehen, als