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Ausgabe:

1900

Spalte:

208-209

Autor/Hrsg.:

Butler, C.

Titel/Untertitel:

The Text of St. Benedicts Rule 1900

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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Theologifche Literaturzeitung, igoo. Nr. 7.

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dient das gewifs dazu, derfelben grofse Beachtung zu
fichern, vielfach aber auch dazu, ihre Echtheit zweifelhaft
erfcheinen zu laffen. Die vielfache Uebereinftimmung mit
D, vet. lat. und vet. syr. beweift nur, dafs auch in Alexandrien
im 2. Jahrhundert diefer durch Willkürlichkeiten aller
Art entftellte, fortwährend im Fluffe begriffene Text im
Gebrauche war.

Anders freilich Burkitt, der in Form einer Einleitung zu
Barnard's Materialfammlung eine fehr flott gefchriebene
Charakteriflik des von Clem. Alex, benutzten Textes
beigefteuert hat. Anknüpfend an ein Wort Dean Bur-
gon's gegen Hort ftellt Burkitt das gegenwärtige Problem
klar heraus: tfB, neuerdings durch T (T1 lieft übrigens
wirklich Lc. io24 jtov, nicht uov, vgl. Lit. Centr.-Bl.
1895, 52. 1859), Wobbermin's Serapion (deffen Autorfchaft
Robinfon übrigens für den Tractat jctgl stuxQoq xcd
vlov beftreitet) und den Oxyrhynchos-Papyros als ägyp-
tifcher Text erwiefen, werden gelegentlich auch von Clem.
Alex, unterftützt; meift aber tritt diefer aegyptifche Zeuge
dem durch fein Alter wie feine Verbreitung imponiren-
den fälfchlich fog. western text, dem fyro-lateinifchen,
bei, befonders nah dem afrikanifchen Zweige verwandt.
Nicht in Aegypten, fondern in dem Confenfus von Edessa
und Carthago ift nach Burkitt die Gewähr für Erhaltung
des Urfprünglichen zu fuchen, zumal, wo Aegypten (wie
bei Clem. Alex.) hinzutritt. Burkitt verkennt nur, dafs
auch die weitefte Verbreitung um 180 oder felbft 150
noch keinen Beweis der Originalität ergiebt. Vielfach läfst
fleh jene für concurrirende LAA gleichmäfsig erweifen.
Die Entftehungsgefchichte des neuteftamentlichen Textes
umfafst nicht vier, nicht zwei Jahrhunderte: in wenigen Jahrzehnten
mufs das geworden fein, was heute in einer
Unzahl von Mifchungen, Combinationen, Ausgleichsver-
fuchen uns vorliegt. Die intereffante Frage nach der
landfchaftlichen Differenzirung der Texte gehört erft einer
fpäteren Phafe der Entwickelung an; das entfcheidende
Hauptproblem ift die gleichzeitige Verbreitung verfchie-
dener Texte, die darum doch noch nicht als Doppelausgabe
aus der Hand des Autors felbft gefloffen zu fein
brauchen. Was aber diefes Problem fo fchwierig macht,
ift der Umftand, dafs nirgends diefe Textformen rein
vorliegen, etwas wie ein neutral text fleh zeigt. Das Er-
gebnifs der Textgefchichte drängt immer mehr zu einem
eklektifchen Verfahren der Textkritik.

Jena. v. Dobfchütz.

Brück, Domcapit. Prof.Dr. Heinrich, Lehrbuch der Kirchengeschichte
für academifche Vorlefungen und zum Selbft-
ftudium. 7. vermehrte und verb. Aufl. Mainz, F. Kirchheim
, 1898. (XV, 958 S. gr. 8.)

Seit beinahe vierzig Jahren hat Dr. Heinrich Brück
am bifchöflichen Seminar zu Mainz das Fach derKirchen-
gefchichte vertreten und fleh in diefer Stellung eine folche
Achtung erworben, dafs er 1899 zum Bifchofe von Mainz
erwählt wurde. Sein Standpunkt ift durchaus vaticanifch
gläubig, über Luther's Perfon und Werk wird der Stab
gebrochen und im Proteftantismus nur Selbftzerfetzung
gefehen; den Altkatholicismus hält B. für eine Secte, die
dem fichern Ruin entgegengeht. Das Bedürfnifs, akatho-
lifche Erfcheinungen zu verftehen und auf ihre relative
Berechtigung hin fie zu unterfuchen, hat der Verf. nicht.
Die Kirche ift ihm die fupranaturale Anftalt mit einem
göttlichen und einem menfehlichen Elemente in fich, von
denen nicht jenes, fondern nur diefes einer Veränderung
und Entwickelung fähig ift. Die Darftellung diefer Veränderung
[von ,Entwickelung' merkt man ftrenggenommen
nichts] wird in der Kirchengefchichte gegeben. Der Verf.
enthält fich dabei der directen Polemik und verfährt
überall möglichft fachlich; feine Darftellung ift präcis
und ernft belehrend; Quellen und Literatur werden in
weitem Umfange herbeigezogen. Die Forderung abfo-

I luter Vollftändigkeit wird hier Niemand ftellen; vieles ift
abfichtlich nicht erwähnt, z. B. alle meine kirchenge-
fchichtlichen Arbeiten, von meinem ,Peter von Ailli'

1 (1877) an. Die Anordnung des Stoffes der gefammten
Kirchengefchichte ift eine für ein fchulmäfsig lehrhaftes

' Buch recht gefchickte. Der Verf. nimmt drei Zeiträume
(bis 680, bis 1517 und bis zur Gegenwart), jeden mit zwei
Perioden an und berichtet möglichft quellenmäfsig. Auf-
faffung und Beurtheilung alles Einzelnen ift überall durch
die römifch-katholifche Theologie des Verfaffers bedingt;

| akatholifche, ketzerifche, proteftantifche Erfcheinungen
werden wenig beachtet und meift einfach abgelehnt. Aber
wohlthuend wirkt das Streben des Verf.'s nach Objec-
tivität; von Gehäffigkeit gegen Perfonen hat er fich möglichft
frei gehalten; mit lobenswerther Klarheit werden
Thatfachen und Perfonen vorgeführt, und deutlich fagt
der Verf. überall feine Meinung. Man weifs genau, woran
man mit ihm ift. Freilich ift das Ganze wefentlich
Stoffmittheilung; lebensvolle Charakteriflik von Perfonen
und kunftvolle Schilderung von Vorgängen hat der Verf.
nicht gegeben. Wenn fich aber katholifche Theologen
am Faden diefes Lehrbuches in die Kirchengefchichte
hineinarbeiten, fo können fie fich eine folide Gelehrfam-
keit erwerben; und als inhaltsreiche, correct römifch-
katholifche Stofffammlung wird das Buch auch uns Pro-
teftanten vielfach lehrreich fein , da wir doch die zweite

{ Auflage von Wetzer und Weite's ,Kirchenlexikon'
(hrsg. v. Kaulen) nicht immer leicht als Nachfchlagebuch
zur Hand haben.

Göttingen. P. Tfchackert.

Butler, C, O.S.B., The Text of St. Benedicts Rule. [Dow-
side Review, Dec. 1899.J (11 S. 8.)

In einer kurzen aber recht inftruetiven Abhandlung
befpricht Butler das in letzter Zeit viel discutirte Thema
nach dem urfprünglichen Text der Regel Benedicts von
Nurfia. Der Benedictiner E. Schmidt hatte 1880 eine kri-
tifche Ausgabe der Regel auf Grund einer neuen Ver-
gleichung der älteften Handfchriften hergeftellt. Er
gruppirte die Handfchriften in drei Familien. Die erfte
Gruppe, deren ältefte Zeugen die Manufcripte Oxford
Hatton 42, St. Gallen 916 und Verona 52 find, enthält
den fogenannten textus vulgatus der Regel, die zweite,
deren befte Zeugen die Manufcripte St. Gallen 914, Wien
2232 und München 19408 find, enthält den fogenannten
karolingifchen Text, die dritte enthält einen aus dem
textus vulgatus und dem karolingifchen gemifchten Text.
Schmidt hatte nun angenommen, dafs Benedict felbft
zwei verfchiedene Ausgaben feiner Regel hergeftellt hat,
die im fogenannten karolingifchen Text und im textus
vulgatus vorliegen. Der Münchener Philologe Wölfflin,
einer der beften Kenner des Vulgärlateins, veranftaltete
1895 eine neue Ausgabe der Regel, in der er vor allem
den Nachweis zu führen fuchte, dafs die Regel von Benedict
im Vulgärlatein verfafst war, und in dem von
Schmidt gegebenen Texte die claffifch geglätteten aber
nicht urfprünglichen Lesarten fälfchlich bevorzugt feien.
I Er felbft benutzte bei feiner Ausgabe vor allem die den
I textus vulgatus enthaltenden Handfchriften. Eine fehr
gründliche und tiefgehende Unterfuchung über die Ge-
fchichte des Textes der Regel veröffentlichte 1898 Traube.
Letzterer tritt für die Urfprünglichkeit des fogenannten
karolingifchen Textes ein und fleht in dem textus vulgatus
einen fpäter interpolirten. Mit diefen neueften Forfch-
ungen fetzt fich Butler in klarer und vornehmer Weife
auseinander, er fucht die Schwächen der Pofition Traube's
einer gründlichen und ruhigen Kritik zu unterziehen. Traube
hatte für feine Annahme der Urfprünglichkeit des karolingifchen
Textes die Gefchichte diefes Textes ins Feld
geführt. Der karolingifche Text geht zweifellos auf eine
Handfchrift zurück, die 767 aus Monte Caffino durch
Karl den Grofsen nach dem Frankenreich kam. Diefe