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Ausgabe:

1900 Nr. 7

Spalte:

201-205

Titel/Untertitel:

Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments 1900

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 7.

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Als Lefebuch, gewiffermafsen zur erften Orientirung
für Studenten, ift das Buch wegen feiner Ueberfichtlich-
keit und Klarheit aufs Befte zu empfehlen. Wefentlich
Neues bietet es natürlich nicht. Hier und da hätte aber
aus den bisherigen Arbeiten etwas mehr geboten, bezw.
als gefichertes wiffenfchaftliches Refultat aufgenommen
werden können. Z. ß. hätte über den Text der Verfionen,
befonders den der echten LXX etwas ausführlicher gehandelt
, vor allem aber hierbei bemerkt fein können, dafs
derfelbe nicht einheitlich ift; vgl. Joh. Dav. Michaelis, in
dem vierten Theile feiner orientalifchen und exegetifchen
Bibliothek, Frankfurt a/M. 1773, S. 1— 44. Auf S. 76 f.
wäre zu den Beamtenliften von 3,2 f. eine Notiz über die
wichtige textkritifche Differenz zwifchen den beiden Liften
im mafforetifchen Texte und Syrer, wie in LXX und
Theodotion wünfchenswerth gewefen, vgl. Lagarde, Agathangelus
in AGG 1887, S. 157. Die textkritifchen Fragen
kommen überhaupt fchlecht weg. Andererfeits zeigt der
Verf. dem canonifchen Texte gegenüber bisweilen einen
übertriebenen Confervatismus, fo S. 58 zu 1,2 linbit tTO,
welches zweifellos als eine Gloffe anzufehen ift. Desgleichen
S. 71 zu 2,40 N5D b»m prffXO sbns "H bip-b=.
Verf. bleibt mit einer gewiffen Starrheit bei feinem thefi
is no reason for regarding the words as a gloss. In dem
philologifchen Commentar vermifst man zu 4,24 eine Be-
fprechung der Pluralform Wp und eine Abweifung der
Bemerkung Baer's zu diefer Form in feiner Ausgabe
von Daniel, Esras et Nehemias S. 73, vgl. jetzt Rahlfs,
i;y und 135> in den Pfalmen S. 91 f. Auch geht der Verf.
wiederholt an fchwierigen Wörtern vorüber, ohne eine
Erklärung oder wenigftens ein Referat über die bisherigen
Erklärungsverfuche zu geben; bevorzugt werden von ihm
gewöhnlich die Wörter, für welche man eine Erklärung
aus dem Affyrifchen glaubt beibringen zu können.

Was endlich die fachlichen, fpeciell die theologifchen
Partien betrifft, fo fei nur hervorgehoben, dafs dem Verf.
der Menfchenfohn in cap. 7 keine Einzelperfönlichkeit
ift. Er bemerkt: he (the auf hör of Daniel) seems to take
no aecount of a personal Messiah such as we find in the
Deutero-Isa iah.

Alle diefe Bemerkungen follen aber nur Wünfche
für eine event. Neuauflage des Buches fein und das obige
allgemeineUrtheilüberdasfelbe keinesfalls beeinträchtigen.

Breslau. Max Lohr.

Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments

in Verbindung mit Lic. Beer, Prof. Blafs u. f. w. über-
fetzt und herausgegeben von Prof.E.Kautzfch. i.Bd.
Die Apokryphen des Alten Teftaments. 2. Bd. Die
Pfeudepigraphen des Alten Teftaments. Tübingen,
J. C. B. Mohr, 1900. (XXXII, 507 u. VII, 540 S. gr. 8.)

M. 20.— ; geb. M. 24.— ;
einzeln ä Bd. M. 12.—; geb. M. 14.—

Als Ergänzung und Fortfetzung feiner Ueberfetzung
des Alten Teftamentes bietet uns Kautzfeh hier eine
deutfehe Ueberfetzung der ,Apokryphen' und (Pfeudepigraphen
' des Alten Teftamentes in einem Umfange, wie
er bisher noch nie von einem ähnlichen Unternehmen
angeftrebt worden ift. Der Plan dazu wurde faft unmittelbar
nach Vollendung jenes früheren Werkes gefafst. Dank
der energifchen Leitung und dem Eifer zahlreicher Mitarbeiter
ift das grofse Werk in verhältnifsmäfsig kurzer
Zeit zum Abfchlufs gebracht worden. Befonders bedeut-
fam erfcheint uns die Aufnahme der ,Pfeudepipraphen'
in den Plan des Unternehmens. Die Wichtigkeit diefer
Literatur für die hiftorifche Erforfchung des Neuen Teftamentes
wird ja neuerdings in immer weiteren Kreifen erkannt.
Es verhält fich zwar etwas anders, als kürzlich Gunkel
gemeint hat: dafs die Mitbehandlung des Judenthums in
einer biblifch-theologifchen Unterfuchung noch vor elf

Jahren eine ,Neuerung' gewefen fei, die er erft damals
eingeführt habe (Die Wirkungen des heiligen Geiftes,
1 2. Aufl. S. VII.) — eine Selbftfchätzung, die doch nur
möglich ift, wenn man die theologifche Literatur der
letzten hundert Jahre nicht kennt oder gegenüber den
eigenen Leiftungen wieder vergeffen hat. Richtig ift aber,
dafs die Befchäftigung mit der nachkanonifchen Literatur
des Judenthums in den letzten Decennien lebhafter geworden
ift, als fie es zuvor war. Ein Symptom in diefer
Bewegung ift auch die vorliegende Ueberfetzung. Ja man
wird ihr in gewiffem Sinne epochemachende Bedeutung
zufchreiben dürfen, infofern fie die bisher zerftreuten und
zum Theil fchwer zugänglichen Texte zum erften Male
in bequemer Zufammenfaffung darbietet und fo in weite
Kreife hineinträgt, in welchen man bisher wenig Notiz
davon genommen hat. Die einfache Leetüre der Texte
mufs aber zur Weckung des hiftorifchen Verftändnifses
des Neuen Teftamentes mehr beitragen, als manche gelehrte
Unterfuchung. So dürfen wir hoffen, dafs das
Werk in hervorragendem Mafse dazu dienen wird, unter
der heranwachfenden theologifchen Jugend den hiftorifchen
Sinn zu beleben und den Bann des Dogmatismus in der
Behandlung des Neuen Teftamentes zu brechen.

Ueber die Ausführung im Einzelnen würde ein genaueres
Urtheil nur auf Grund mehrjährigen Studiums
zu gewinnen fein: fo reich und mannigfaltig ift der Inhalt.
Und auch dann müfste Referent darauf verzichten, da
aufser den griechifchen und lateinifchen auch aethiopifche
und fyrifche Texte in Betracht kommen. Im Allgemeinen
darf ficher gefagt werden, dafs die 17 Mitarbeiter ihrer
Aufgabe gewachfen waren und ein tüchtiges Gefammt-
werk gefchaffen haben, wenn auch Grad-Unterfchiede
zwifchen den einzelnen Beiträgen vorhanden fein werden.

Für die im I. Bande behandelten ,Apokryphen' der
griechifchen Bibel lagen anfehnliche Vorarbeiten vor.
Aufser dem Commentar von Fritzfche und Grimm und
manchen Einzel-Commentaren exiftiren bereits vier neuere
deutfehe Ueberfetzungen (in De Wette's Bibel-Ueber-
fetzung, Bunfen's Bibelwerk Bd. VII herausgegeben von
Holtzmann, Zöckler's Kurzgef. Kommentar zum A T
Abth. IX, Reufs, Das Alte Teftament Bd. VI — VII)!
Trotzdem ift fchon im Intereffe der Vollftändigkeit die
Aufnahme der .Apokryphen' in den Plan des Unternehmens
zu billigen. Für manche ift hier in der That
auch das Verftändnifs des Textes gefördert worden.

In den einleitenden Bemerkungen von Kautzfeh ift
mir gleich auf der erften Seite der Satz aufgefallen, es
laffe fich zum Minderten nicht beweifen, ,dafs der Name
[Apokryphen] von irgend einem Brauche der jüdifchen
Synagoge herflamme'. Wenn damit - - wie es nach dem
Zusammenhange fcheint — gefagt fein foll, dafs die Bezeichnung
diefer Bücher (d. h. der im hebräifchen Kanon
fehlenden Bücher der griechifchen Bibel) als .Apokryphen'
nicht aus der Synagoge herllamme, fo ift das zweifellos
richtig. Dann ift aber der Satz mifsverftändlich ausgedrückt
. Denn er kann auch fo verftanden werden, dafs
der Ausdruck .apokryph' überhaupt nicht von einem
Brauche der jüdifchen Synagoge herftamme. Dafs letzteres
aber in der That der Fall ift, fcheint mir zweifellos
. Denn der Sprachgebrauch des Origenes zeigt deutlich
, dafs ,apokryph' fo viel ift wie ,vom öffentlichen
Gebrauch ausgefchloffen'; und das ift genau der Sinn des
hebräifchen genuzim. Diefer Zufammenhang ift jetzt auch
von den Meiften, welche fich eingehender mit der Frage
befchäftigt haben, anerkannt (vgl. meinen Artikel .Apokryphen
' in Herzog-Hauck's Real-Enc. 3. Aufl.). Die
Anwendung des Ausdruckes auf die im hebräifchen Kanon
fehlenden Bücher der griechifchen Bibel ift freilich
fehr fpät. Sie findet fich vereinzelt bei Hieronymus und
ift erft durch Luther herrfchend geworden.

Die Bearbeitung der einzelnen Bücher ift von folgenden
Herren übernommen worden: Das dritte Buch Efra
von Guthe, erftes und drittes Makkabäerbuch von

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