Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1900 Nr. 7

Spalte:

196-199

Autor/Hrsg.:

Smith, Henry

Titel/Untertitel:

A critical and exegetical commentary on the Books of Samuel 1900

Rezensent:

Budde, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

195

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 7.

196

nachgewiefen; aber dafs mit ihrem Namen bezeichnete
Bäume oder Pfähle, womit zweifellos die D'HOS! des A. T.
gemeint find, ihre Symbole waren, dafür fehit" jede Spur
eines Nachweifes. Oder wird damit, dafs 15 aus Jef. 65,11
als Gottesname feftfteht, der israelitifche Stamm Gad aus
der Welt gefchafft? Es mufs aufs Ernftlichfte bezweifelt
werden, dafs Smith jenen Schlufs mitgemacht hätte, wenn
ihm alle heutigen Beweife für eine Göttin Asera bekannt
gewefen wären; weshalb der Unterzeichnete fich dazu
aufser Stande fieht, hat er in einem Auffatze Ashera in
the Old Testament (The New World, December 1899)
dargelegt. Uebrigens war das Mfcr. diefes Auffatzes ab-
gefchickt, ehe Stübe's Ueberfetzung erfchienen war. Man
darf wohl fagen, dafs fich der Ueberfetzer hier auf eine
Anmerkung hätte befchränken follen, die nichts weiter
als den Thatbeftand darlegte oder doch Schlufsfolgerungen
nur für feine eigene Perfon zog. Es ift erfreulich, dafs
diefer Fall allein dafteht; denn er beweift fchlagend, wie
fchwer es ift, eines anderen Gedankengang zu berichtigen.

Endlich wird nach der Ueberfetzung im engften Sinne
zu fragen fein. Sie lieft fich gut und angenehm, und da
wir es mit einem gründlich fachverftändigen Ueberfetzer
zu thun haben, fo darf man im Voraus überzeugt fein,
dafs der Gedankengang zutreffend wiedergegeben wird.
Wenn aber Stübe felbft S. IV als den leitenden Gefichts-
punkt Treue gegen das Original, auch im Ausdruck, bezeichnet
, fo darf man doch fragen, ob nicht noch gröfsere
Treue und Wörtlichkeit mit gutem deutfchem Ausdruck
wohl verträglich gewefen wäre. Eine kleine Probe, ganz
wahllos herausgegriffen, mag das zeigen, vgl. S. 94 der
Ueberfetzung mit S. 134 des Originals:

In brief it is not unjust
lo say that, wherever the

spontaneous life of nature
was manifested in an em-
phatic way, the ancient Semite
saw something super-
natnral. But this is only
half the truth; the other half
is that the supernatural was
conceived in genuinely savage
fashion, and identified with
the quasi-human lifeascribed
to the various species of ani-
mals or plants or even of
inorganic things.

Es ift im ganzen nicht
unzutreffend, wenn man fagt,
dafs die alten Semiten überall
dort das Uebernatürliche
erblickten, wo das innere
Leben der Natur fich in be-
fonders ftarkerWeifeäufsert.
Das ift aber nur die eine
Seite des Richtigen, auf der
anderen Seite gilt auch, dafs
das Uebernatürliche in der
urfprünglichen, rohen Weife

die Kleinigkeiten kommt es beim Ueberfetzen an. Ich
würde nicht den Finger darauf legen, wenn ich es nicht
für ein Bedürfnifs hielte, bei dem erfreulichen Eifer auf
unferem Gebiete, uns die vorzüglichen Arbeiten anderer
Völker zugänglich zu machen, vor zu rafchem Betriebe
zu warnen. Nur der foll überfetzen, der fich wirklich in
den Geift der fremden Sprache eingelebt hat, und wer
fich zum Ueberfetzen für befähigt hält, foll keine Mühe
fcheuen, um fo weit zu kommen.

Aber fchliefsen mufs der Berichterftatter mit dem
wärmften Dank für das Geleiftete. Diefe Ueberfetzung
wird felbft demjenigen unentbehrlich fein, der das Original
befitzt, und wer nicht eine grofse Bibliothek zur Verfügung
hat, wird Robertfon Smith's bahnbrechendes Werk
von jetzt an weit gründlicher ausnutzen können, als bisher.

Bei diefer Gelegenheit fei die Frage wiederholt, mit
der ich die Anzeige in 1895 No. 22 fchlofs: Wo bleibt
die zweite und dritte Reihe von Smith's Vorlefungtn
über die Religion der Semiten? Bei meinem Befuche in
England Oftern 1896 fand ich die Angelegenheit im Flufs,
es war mir vergönnt, das Vorhandene für einige Vor-
lefungen einzufehen, und ich gewann daraus den Eindruck
, dafs die Veröffentlichung vollauf lohnen würde.
Nun ift alles wieder ftill geworden. Noch einmal fei an
die Hüter des Nachlaffes die dringende Bitte gerichtet,
uns nicht länger warten zu laffen. Dafs die vorliegende
Ueberfetzung den Zufatz auf dem englifchen Titel: First
Series Fundamental Institutions einfach fortgelaffen hat,
kann ich nicht für gerechtfertigt halten.

Strafsburg i/E. K. Budde.

menfchlichen Lebens gleich-
geftellt wurde, das man verschiedenen
Arten der Thiere
und Pflanzen und felbft unorganischen
Dingen beilegte.

Das geradezu Unrichtige ift hier fett gedruckt; aber
auch fonft liefse fich Einiges noch beffer und wörtlicher
wiedergeben. Hier ein Verfuch der Berichtigung: ,In
kurzem Ausdruck wird man nicht fehlgehen, wenn man
fagt, dafs die alten Semiten etwas Uebernatürliches fahen,
wo immer das treibende Leben der Natur fich unverkennbar
offenbarte. Aber damit ift nur die eine Hälfte ge-
fagt; die andere Hälfte ift, dafs das Uebernatürliche in
urwüchfig roher Weife aufgefafst und mit dem quasi-
menfchlichen Leben gleichgefetzt wurde, das man den
verfchiedenen Arten der Thiere oder Pflanzen oder fogar
der unorganifchen Dinge zufchrieb'. Nur um zu zeigen,
dafs es fich hier nicht um eine vereinzelte Beobachtung
handelt, noch einige Beifpiele. S. 241 wird der Satz
that the two bloods should meet on the sacred stone wiedergegeben
: ,wenn das Blut beider Parteien mit dem heiligen
Stein in Berührung kam'. Es heifst: ,wenn das Blut der
beiden Parteien fich auf dem heiligen Steine begegnete';
to meet on ift nicht to meet with. So ift (S. 114 Z. 34)
irrationality nicht .Unzulänglichkeit', e?iforce (S. 123 Z. 25)
nicht .innehalten', fondern ,durchfetzen', wie denn in
1. Sam. 21,5 f. von einem Durchfetzen bei Anderen wirklich
die Rede ift. Das alles find Kleinigkeiten; aber auf

Smith, Prof. Henry Preserved, A critical and exegetical
commentary on the Books of Samuel. Edinburgh, T. u. T.
Clark, 1899. (The International Critical Commentary.)
(XXXIX, 421 S. gr. 8.) Geb. Sh. 12.—

Es ift ein eigenthümlicher Vorzug diefes Commentar-
werkes, vielleicht ein rein zufälliger, dafs feine erften
Bände fich fo eng an einander anfchliefsen. Auf Driver's
Deuteronomium folgten Moore's Richter, auf diefe Smith's
Samuel, fo dafs nur Jofua bisher dazwifchen fehlt. Das
erleichtert auch dem Berichterftatter feine Aufgabe, da
fich der Vergleich zwifchen den Auslegungen fo ver-
vorgeftellt und einer Art j wandter Bücher wie Richter und Samuel von felber darbietet
. Freilich würde man diefem Samuelcommentar
nicht ganz gerecht werden, wenn man ihn ohne Weiteres
mit dem Moore'fchen Commentar vergleichen wollte.
Man braucht nur die Seitenzahl der beiden Bände zu
vergleichen, um das einzufehen. Moore behandelt die
21 Capitel des Richterbuches auf 526, Smith die 55 Ca-
pitel der beiden Samuelbücher auf 460 Seiten. Mag man
für die befonderen Schwierigkeiten des Richterbuchs etwas
zugeben, fo fehlt es doch an folchen auch in Samuel wahrlich
nicht, und ein Samuelcommentar in gleichem Mafs-
ftab könnte kaum weit unter dem doppelten Umfang
eines Richtercommentars bleiben. Wenn nun bei Moore
die gedrungene Kürze der Darftellung einen Hauptvorzug
bildet, fo dafs an der Form nicht viel zu fparen
war, fo leuchtet es ein, dafs der vorliegende Commentar
an wirklichem Inhalt entfernt nicht fo viel bieten kann
wie jener, dafs er weit weniger reich ift. Sehe ich recht,
fo gilt das kaum von dem Gebiete der Textkritik und
der Worterklärung, in geringem Mafse nur von dem der
Literarkritik, am meiften von dem der fachlichen Auslegung
nach ihrer pfychologifchen, culturgefchichtlichen
und religionsgefchichtlichen Seite. Ich kann den Eindruck
nicht verhehlen , dafs das Buch in diefen Richtungen
etwas mehr hätte bieten können, dafs es dadurch
bei aller Tüchtigkeit und Gediegenheit etwas mager er-
fcheint und dem Reichthum diefes fo ungemein werthvollen
Bibelbuches nicht ganz gerecht wird. Wie weit
dabei Grenzen in Betracht kamen, die dem Verf. durch die