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Ausgabe:

1900

Spalte:

187

Autor/Hrsg.:

Dennis, James S.

Titel/Untertitel:

Christian Missions and Social Progress. Vol. II 1900

Rezensent:

Wurm, Paul

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18;

Theologifche Literaturzeitung. 1900. Nr. 6.

188

das alte Teftament, genauer Kenntnifs der einfchlägigen,
neueren Forfchungen über dasfelbe und zugleich auch
von feinem pädagogifchen Verftändnifse Zeugnifs ablegt.

Krefeld. F. R. Fay.

Dennis, Rev. James S., D. D., Christian mlsssions and social

progress. A sociological study of foreign missions.
In three volumes. Vol. II. Chicago, Fleming H. Revell
Company, 1899. (XXVI, 486 S. gr. 8.)

Wir haben in Nr. 20 des Jahrg. 1898 den erften
Band diefes auf umfangreichen Studien beruhenden
Werkes befprochen, das einen werthvollen Beitrag zur
Apologetik bildet. Während im erften Bande die Unfähigkeit
der heidnifchen und mohamedanifchen Religionen
für einen allfeitigen focialen Fortfehritt dargelegt war,
wird nun in diefem Bande im einzelnen nachgewiefen, wie
viel die evangelifche Mifüon in den verfchiedenften
Weltgegenden und unter mancherlei Verhältnifsen für
einen wirklichen Culturfortfchritt geleiftet hat und noch
leiftet. Es gebricht uns der Raum für die Aufzählung
der einzelnen Capitel. Leider ift das Werk mit diefem
Bande nicht abgefchloffen, wie im erften Bande verheifsen
war, und es wäre gewifs den meiften Lefern erwünfehter
gewefen, wenn der Verf. die gleichartigen Erfcheinungen
kürzer zufammengezogen hätte, denn es kommen viele
Wiederholungen vor. Trotz dem grofsen Umfange tritt
eine Unart fo mancher englifchen und amerikanifchen
Miffionsfchriftfteller auch hier zu Tage: dafs fie die deutfehe
Miflionsarbeit ignoriren oder nur oberflächlich berühren.
Z. B. von der Culturarbeit der Basler Mifflon auf der
Goldküfte zu einer Zeit, da die englifche Regierung nichts
für diefe Küfte gethan hat, ift mit keiner Silbe die Rede,
obgleich die englifchen Offiziere im erften Afantekrieg
ihre grofse Befriedigung ausfprachen über die Handwerksleute
, welche die Basler Miffion unter den Negern
herangezogen hatte, und obgleich der englifche Gouverneur
der Goldküfte kürzlich bei einer Kircheneinweihung
in Chriftiansborg gefagt hat: ,Aus den Werkftätten der
Basler Miffion gehen tüchtige Arbeitsleute hervor; der
ganzen Küfte entlang findet man Zimmerleute, Maurer
und Steinhauer, und immer mehr werden folche gewünfeht.
Die Basler Miffion hat praktifche Arbeit gethan, und eine
folene Religion, die auch äufserliche Frucht trägt, war
in diefem Lande nöthig, eine Religion, die den Leuten
auch dazu verhilft, ein menfehenwürdiges Leben führen
zu können'. Die Verdienfte der Basler Miffion um Ab-
fchaffung der Sclaverei auf der Goldküfte werden vvenig-
ffens S. 303 erwähnt, wenn auch nicht in ganz richtiger
Darfteilung. In Bezug auf die Taufe von Polygamiften
ift das Urtheil des Verfaffers S. 212 f. ein felir ausfchliefs-
liches. In Bezug auf ärztliche Miffion ift Deutfchland
noch weit zurück hinter dem, was die Chriften englifcher
Zunge geleiftet haben. — Wir haben in diefem Buche
trotz mancher Mängel eine Fundgrube von Beifpielen für |
die Leifttmg der Miffion auf focialem Gebiet.

Echterdingen. P. Wurm.

Baur, weil. Dr. theol. Gen.- Superint. Wilhelm, Gesammelte
Schriften. II. Band: Aus Gottes Welt und
Gottes Reich. Bremen, C. E. Müller, 1900. (VII, 514 S.
fjr- 8.) M. 6.—; geb. 7 —

Dafs uns der Titel diefes zweiten Bandes der Ge-
fammelten Schriften Baurs nicht viel fagen kann über
feinen Inhalt, erkennt der Lefer ohne weiteres von
felber. Man hat aus dem gefammten vorliegenden Stoff
zunächft alles Biographifche herausgenommen und in
dem erften Bande gefammelt, über den wir bereits berichtet
haben. Von dem Uebrigen hat man weiter die
Artikel und Vorträge ausgefchieden, die biblifche Gegen-
ftände und chrifiliche Liebeswerke behandeln, um fie

für einen dritten Band aufzufparen; und Alles, was fo
noch übrig blieb, ift nun in diefem zweiten Bande vereinigt
. Baur aber war ein fo vielfeitiger Mann und hat
jeder Aufforderung, einen fchriftlichen Beitrag zu liefern,
nach Möglichkeit fo freudig entfprochen, dafs im Laufe
der Jahre ein ganzer Vorrath grofser und kleiner Abhandlungen
über alle möglichen Themata entftanden ift,
wie fie ein Hofprediger und Generalfuperintendent vor
der Oeffentlichkeit behandeln kann. Dabei hat er fich
in bemerkenswerthem Unterfchied von vielen ähnlich begabten
und ähnlich gearteten Theologen immer in gleicher
Weife bewegen laffen von der Liebe zu feinem Glauben
und feiner Kirche und von feiner begeifterten Vaterlandsliebe
. Er war ein fo deutfeher Chrift, dafs Luther
der deutfehe Mann, ihm gewifs auch das Herz abgewonnen
hätte, wenn er mit diefem Herzen und in diefer
Geiftesrichtung aus katholifchem Stamme hätte heran-
wachfen können ; und er war ein fo chriftlicher Deutfeher,
dafs er das deutfehe Volksthum von der älteften Zeit ab
gar nicht anders betrachten konnte, als in feiner Bereit-
fchaft, das Chriftenthum in fich aufzunehmen, und in
feiner Beftimmung, die reinfte Geftalt diefer Religion zu
verwirklichen. Hieraus ergiebt fich von felbft, auf welchen
Forfchungsgebieten fein Geift fich mit Vorliebe bewegen
und unter welchem Gefichtspunkte er fie alle betrachten
mufste: von deutfeher Gefchichte, deutfeher Dichtung
und deutfeher Sitte, wie fie dem Chriftenthum gedient
haben und von ihm beeinflufst worden find, mufste er
wieder und wieder reden und fchreiben. Er hat davon
nicht gehandelt als gelehrter Forfcher, der er im engeren
Sinne nicht werden konnte, wenn er doch den Haupt-
theil feines Lebens und feiner Zeit dem Amte der Predigt
und der Seelforge gewidmet hat, fondern als ein fröhlicher
Zeuge aller der Volks- und Glaubensherrlichkeit, die er
durch fleifsigftes Studium in feiner Jugend und durch ununterbrochene
freudige Betheiligung an edler Geiftesarbeit
beobachten und fchätzen gelernt hatte. So find es allerlei
einzelne Gegenftände aus den bezeichneten Gebieten,
deren gefchichtliche oder ethifch- äfthetifche Grundlage
er unterfucht, deren Entfliehen und Befchaffenheit er
finnig betrachtet hat: der deutfehe Kaifer und das deutfehe
Reich, die deutfehe Volksfeele und die deutfehe Jugend,
das deutfehe Haus und das deutfehe Pfarrhaus, das
deutfehe Volkslied und das deutfehe Kirchenfeft.
Wir können die einzelnen Abhandlungen, die der Band
enthält, noch nicht einmal ihrem Titel nach alle namhaft
machen, fchon deshalb nicht, weil die Ueberfchrift, wie
bei dem ganzen Rande, nicht jedes Mal eine genaue
Darftellung von dem Inhalte fchafft, und wir viel weitere
Worte der näheren Beftimmung hinzufugen müfsten.
Und einen höheren Werth, als folche Aufzählung, wird
für den Lefer die Verficherung haben, dafs er überall
bedeutfame gefchichtliche Erinnerungen, wenn auch einzelne
öfter wiederholt, intereffante Zufammenftellungen,
feine, geiftvollen Beobachtungen und allerlei Bekanntes in
neuer, übeirafchender Beleuchtung finden wird. Zwei
längere Abhandlungen können auch eine wiffenfchaftliche
Bedeutung in Anfpruch nehmen. Die eine, eine Arbeit
aus der erften Amtszeit, behandelt das deutfehe Volkslied
aus dem Gefichtspunke der inneren Miffion. Sie
giebt eine sehr überfichtliche kurze Gefchichte des geift-
lichen und des weltlichen Volksliedes und ftellt über die
Verwerthung beider zur Volkserziehung Grundfätze auf,
die feitdem fchon reichlich Beachtung gefunden haben,
aber fortwährend neue Berückfichtigung verdienen. Die
andere ift der bekannte Auffatz über die deutfehe
Weihnacht, wohl die befte Darftellung, die wir haben,
von der Entftehung und Entwickelung diefes Fßftes nach
feiner religiöfen und feiner nationalen Bedeutung und
von den Pflichten, die feitens der Kirche ihm gegenüber
durch fchonende Erhaltung und befländige Neubelebung
des Beftehenden zu erfüllen find.

Dres len. Dr. phil. B. Kühn.