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Ausgabe:

1899 Nr. 5

Spalte:

153-156

Autor/Hrsg.:

Baumann, Julius

Titel/Untertitel:

Realwissenschaftliche Begründung der Moral des Rechts und der Gotteslehre 1899

Rezensent:

Elsenhans, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 5. 154

j j -Mo^traa 1 Veränderungen als immer neuen Combinationen der
vgl. Weimarer Luther-Ausg. IV 442 und den Nachtrag ( ™nedn^Unu§dn ihrer Kräfte verläuft< Was dagegen die

dazu ebd. auf S. VIII
Breslau. G. Kawerau

IMCUJCULe UHU III. V.1 im.* u. .-~ .—

räumliche Ausdehnung der Welt betrifft, fo häufen fich
nach des Verf. Anficht die Beweife allmählich ,welche
auf die Möglichkeit hinweifen, dafs die ununterbrochenen
Reihen von immer kleineren Sternen, welche die ftetig
wachfende Kraft der Telefkope in unfer Gefichtsfeld
bringt, nicht in immer gröfseren Entfernungen flehen,
fondern dafs wir wirklich die Grenze der Welt fehen' (S. 96).

Im Vordergrunde diefer Beweisführung fleht alfo
nicht etwa die organifche Natur oder die gciftige Welt,
fondern das Unorganifche. Die organifche Natur, für fich genommen
, enthält,vielAnfcheindes Widerftreites von Zwt-ck,
Gegenzweck, und einem bunten Durcheinander, was dem

r 1 11 cz- J„..^„t----j—u ;u_

Baumann, Prof. Julius, Realwissenschaftliche Begründung

der Moral, des Rechts und der Gotteslehre. Leipzig,

Dieterich, 1898. (VII, 295 S. gr. 8.) M. 7.—

Der bekannte Göttinger Philofoph giebt mit diefem
Werke eine zufammenfaffende Darfteilung feiner Anflehten
über die wichtigflen Gegenftände philofophifcher Eor-

fchung, wie er fie fchon theill^t^J^f"^^ | üegenzweck, und einem ounren uu,™,,,,™, w«,
weniger umfaffenden Vero^nthchungen vertr^ I ^ tau{c£end ähniich fleht'. Sie deutet nur durch ihr

feien hier nur «wähnt: Die grundlegende^ Verflochten fein mit den phyf.kalifchen und chemifchen

zu einer w.ffenfchaftl.chen Welt- un^ L^sang ' I Erfcheinungen des Unorganifchen auf Gott als einheit-
1894. Die Grundfrage der Religion 1895. WieLhn InteUf Ebenfo könnte ,das vielfach Wirre der

ftus urtheilen und handeln wurde ^"^^X%. ! thierifchen Geiftesart und die kraufe Mannigfaltigkeit der

r.m m""3,, , tCL ,l8°6)- lks ZJS dSdäht * menfehlichen geiftigen Art' die Einheit der intelligenten

fchloffene Weltanfchauung bis ms einzelne durchdaem , ^ begdrohen fcheinen; aber diefe geiftige Welt

und ausgearbeitet, die uns hier entgegentritt DerJ • , durchaus ei artig und unableitbar, bedingt

fcheut 1fich nicht, auch die hochften P™beme Kantifchen durch das Organifche und Unorganifche und läfst fich

anzufaffen und-inbewu^ diefer Bedinfrtheit willen auf diefelbe einheitliche
Erkenntniskritik — auch an die uberfinnlictie y e^ uen

pcnntniisKTitik- — aucn an L

für r' ■ b PhiIofoPhirchen Denkens zu legen. Dabei ift
fei ne . Syflembildung charakteriflifch, dafs er trotz
b_n^r Philofophifchen Gotteslehre keineswegs ein An-
m "ger fpeculativer Philofophie ift, fondern in durchaus
errier Weife jede wiffenfehaftliche Folgerung aus den
^gebnifsen der realen Wiffenfchaften ableiten will. Er
r,ifsU|!t denn auch über eine beifpiellos umfaffende Kennt-
fonh er Ergebnifse, fo dafs man faft an die dem Philo-
**wder ab:en Zeit eigene Beherrfchung der univer-
Leih .erarum erinnert wird, wie fie zuletzt noch in
ve' "iens wiffenfchaftlicher Perfönlichkeit annähernd
errrehr-rcht wan üiefe befländige Beziehung auf Einzel-
den n u der realen Wiffenfchaften bringt freilich auch
böte, d mit flch' dafs durch die Fulle des Ge'

Aufben °^ genu^ cne Durchfichtigkeit des fyftematifchen
dru ,aus gefährdet ift. Man hat manchmal nur den Ein-
Ba 1 e'.ner bunten Reihe von Kuriofitäten, bis das geiftige
An wieder fichtbar wird, das fie zufammenhalten foll.
nau mancnen Stellen wäre man auch dem Verf. für ge-
ZUr e/.e Quellenangabe dankbar, um einen Anhaltspunkt
dem acnPrüfung oder Weiterforfchung zu haben. Aus
rifl f rl,cnen Inhalte des Buches können nur einige charakte-
fich .Hauptpunkte hervorgehoben werden. Sie laffen
mit an, upfen an die Grundbegriffe des Rationalismus,
, welchem der Verf. mehrfach fich berührt: Gott, Frei-
neit «nd Unfterblichkeit

um diefer Bedingtheit willen auf diefelbe einheitliche
Intelligenz als Urfache zurückführen. So vermag die von
der unorganifchen Natur ausgehende realwiffenfehaftliche
Erkenntnifs Gottes die Zweifel an Gott zu heben, welche
aus der für fich betrachteten organifchen Natur entftehen
können und aus der für fich betrachteten menfchlich-
geiftigen Welt entftehen müffen (291).

Allerdings können wir auch von diefer realwififen-
fchaftlichen Grundlage abfehen und uns Gott als Phan-
tafievorftellung entwerfen, eine ideahfirende Thätigkeit,
die in der Poefie und Kunft überhaupt ihre grofse Bedeutung
, in der Wiffenfchaft aber keine Berechtigung hat.
Zu dielen Phantafievorftellungen gehört auch, dafs man
Gott als unendlich bezeichnet. .Unendlich wäre foviel wie,
wo weder im Sein noch im Denken ein Ende, eine Ganzheit
zu erreichen wäre', was dem Begriff Gottes als einer
einheitlichen intelligenten Welturfache widerfpricht(S. 127).
Ueberhaupt alles, was über diefen Begriff Gottes hinausgeht
, gehört in's Gebiet der wiffenfehaftlich nicht haltbaren
Phantafievorftellungen.

Hieraus ergiebt fich auch die realwiffenfehaftliche
Beurtheilung der überkommenen Religionen. In diefen
verknüpfen fich Gefühle der Hoffnung mit Phantafievorftellungen
. Religion ift ,im eigentlichen Sinne Vorftellung
eines Gegenftandes, an welchen Gefühl der Zu verficht
und des Vertrauens fich anfchliefst, entweder dauernd
(Indianer) oder vorübergehend (Neger), fei diefer Gegen-
ftand, was er fonft wolle'. Aber auch die erhabenften

—« uuu unlterDiicnKerc. .. , . , . a,.f e-me ftand, was er fonlt wolle'. ADer aucn uie eriiaucm«:..

a Der Gottesbegriff Baumann's gründet fich aui e Gefuhl auch das myftifche Sicheinsfühlen mit der Gott-
Art kosmologifch teleologifchen Rewelfex,fg'%h^ heit, find phyfiologifch bedingt, von körperlichenZu-
">fche Natur, wie fie von der modernen ^.^l^ , ftänden abhängig. Die religiöfe Extafe die fich felbft oft
foffcht fei, mache dem Kundigen den k™™« „eenz | leib frei vorkam, verfchwindet durch Abfperrung der Blut-
gfofsen mathematifch-mechanifchen ^eilige { zum Qehirn_ A1ie Erfcheinungen diefer Art, auch
»nd wegen des Zufammenhangs ihrer ^aI«, j dje . Anfcnauung< bei Schelling, die Immanenz des
-auptfächhch in dem Gefetz von der ^vffihen ■ abfoluten Geiftes bei Hegel, das buddhiftifche Nirvana
Energie fich offenbare, den Eindruck einer einn^ ; flnd daher, weil körperlich bedingt, keineswegs die ewigen
inteUigenz, und .führe daher von felbft darauf,^ des Verga£glichen. Ueber diefe Gefühle eines
dafs eine folche einheitliche Intelligenz die Ur acne ; durchaus ftets phyfiologifch bedingten Bewufstfeins kann
[^alen Naturerfcheinungen ift, dafs alfo e, igettheher
Geift die objectiven Naturerfcheinungen denk und io
?>kt, dafs fie zugleich als reale Dinge find (S. 93>
Dabei find Gott und Welt nicht etwa als ve^chiejene
Ausdrücke für dasfelbe zu faffen, f?nder" d^
e'n Werk, welches verfchieden ift von feinem W**™^
aber in den Grundzügen auf einen Werkmeifter deutet.
,. Von Gott felbft nochmals eine Urfache: zu fuchen,

legt kein Grund vor; denn irgend ein Uaieinu j cordienforme] in weicher der Verf. die maafsgebende

^t-ztes, nicht mehr weiter Bedingtes angenommen^wc , 1 gefchichtliche Ausprägung desfelben lieht, ,auf dem durch
Auch läfst fich die Schöpferthätigkeit Gottes nac^nrue, offenbarten Sündenfall der

warts nicht begrenzen; man wird vielmehr aut ae Menfchheit und der einzig möglichen Erlöfung der fünd-

danken einer ewigen Schöpfung gefuhrt, die ,in iteten

allein die realwiffenfehaftliche Erkenntnifs entfeheiden und
diefe führt im Menfchen ,auf immer nur bedingten Geift
und eine auf Grund der Erfahrung angezeigte ewige
Schöpfung und Erhaltung der Welt, die ein Werk Gottes
ift, keineswegs Gott felber' (S. 165).

Diefer realwiffenfehaftlichen Beurtheilung unterliegt
auch das Chriftenthum in feiner proteftantifchen Form.
Das proteftantifche Chriftenthum ruht nach der Con-

' irr,. , ,