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Ausgabe:

1899 Nr. 5

Spalte:

147-149

Autor/Hrsg.:

Fritz, Wilh.

Titel/Untertitel:

Die Briefe des Bischofs Synesius von Kyrene. Ein Beitrag zur Geschichte des Attizismus im IV. und V. Jahrhundert 1899

Rezensent:

Dräseke, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 5.

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aber auch die zuweilen fich findenden Ausfälle gegen
die moderne Theologie unterlaffen follen, da er ja in
der Methode mit ihr eins ift.

Göttingen. E. Schürer.

Fritz, Gymn.-Lehr. Dr. Wilh., Die Briefe des Bischofs Synesius

von Kyrene. Ein Beitrag zur Gefchichte des Attizis-
mus im IV. und V.Jahrhundert. Leipzig, B. G. Teubner,
1898. (V, 230 S. gr. 8.) M. 8.—

Dem vorftehend verzeichneten Werke gegenüber
dürfte die Frage am Platze fein: Gehört die Befprechung
desfelben überhaupt in eine theologifche Literaturzeitung ?
Nein und ja, wird man darauf antworten müffen. Nein,
infofern es fich uns als ,ein Beitrag zur Gefchichte des
Attizismus im IV. und V. Jahrhundert' darbietet und weil
faft fein gefammter Inhalt (i.Capitel, Ausgaben und Hand -
fchriften, S. 4—22; 2. Capitel, Die Sprache des Synefius,
S. 22—201; 3. Capitel, Einzelne Stellen, S. 202—224
nebft Regifter zum grammatifchen Theil des 3. Capitels,
S. 225—230) rein philologifches Gepräge trägt und mit
Theologie auch nicht das Minderte zu thun hat. Ja, wird
die Antwort lauten, infofern wir in diefen überaus gründlichen
philologifchen Unterfuchungen die verheifsungs-
vollen Vorboten und Vorarbeiten zu einer längft fchmerzlich
vermifsten neuen Ausgabe der auch kirchengefchichtlich
höchrt wichtigen Briefe des geiftvollen Bifchofs von Kyrene
zu begrüfsen haben. Dazu kommt die Einleitung (S. 1—4),
die allerdings von kirchengefchichtlichem Standpunkte aus
Beachtung verdient. Erwachfen ift dem Verf. fein Werk
aus einer Prüfungsarbeit, die fchliefslich der hohen philo-
fophifchen Facultät der Univerfität München zurErlangung
der Doctorwürde eingereicht wurde. Er kehrte zu den
ihm lieb gewordenen Forfchungen, fie immer wieder
richtend, fördernd, ausgeftaltend, zurück, ,zugleich in der
feften Ueberzeugung, dafs die Fortfetzung wiffenfchaft-
licher Studien, wenn fie nur mit Selbftverleugnung geübt
wird, dem Lehrer eine nicht hoch genug zu veran-
fchlagende LTfrifchung und Erhebung einbringt'. So
fchulmeifterlich und felbftverftändlich das klingt, fo gern
und freudig zuftimmend begrüfse ich diefen Ausdruck
einer ehrlichen Ueberzeugung, die heutzutage leider nicht
als felbftverftändlich gilt, die aber gerade im Hinblick
auf den unverkennbaren, wie es fcheint unaufhaltfamen
Niedergang der claffifchen Studien bei uns dem jüngeren
Gefchlecht zur Beachtung und Nachahmung empfohlen
fein möge. Was den Verf. zur Veröffentlichung feiner
Arbeit ermuthigte, war die ftille Hoffnung, dafs das, was
ihm ,fchliefslich dem Endziel einer Neuherausgabe der
Briefe des Synefius zuführen foll, doch wohl als eine
nicht unwillkommene Fortfetzung von W. Schmid's Attizismus
— in feinen grammatifchen Partien wenigftens —
fich geben darf und manchem auf dem gleichen Gebiete
arbeitenden Collegen einigen Gewinn bringen könnte'.
Dazu kam endlich das verdienftvolle Entgegenkommen
des Verlegers, des rühmlichft bekannten langjährigen und
verdienten ,patronus der humaniora'.

Schon im Anfang der fechziger Jahre fchaute ich in
den auf den Umfchlägen der BibliotJieca Teubneriana
befindlichen Ankündigungen der Verlagshandlung nach
Synefios aus. Wufste ich doch, dafs damals unfer verehrter
Lehrer, Prof. Dr. Rudolf Hercher für Didot in
Paris eine Ausgabe der griechifchen Epiftolographen (er-
fchienen 1873) vorbereitete, für die wir Primaner des
Joachimsthal'fchen Gymnafiums je dann und wann faubere
Abfchriften einzelner Stücke fertigen durften. Auch
Synefios' Briefe waren dabei. Mit diefer Ausgabe Hercher's
fetzt fich Fritz (S. 5—8) auseinander. Doch es hat wenig
Zweck, diefen Erörterungen hier weiter zu folgen, da Fritz
— fo, wie die Sachen jetzt liegen — die für einen wiffen-
fchaftlich vollftändigen, bezw. nach allen Richtungen
probehaltigen apparatus criticus nöthigen Handfchriften-

Vergleichungen noch nicht beifammen hat (S. 9). Erft
wenn wir diefe noch zu erledigende Vorarbeit, wie ich
denke, in der Praefatio der in der Bibliotheca Teubneriana
zu erwartenden Ausgabe der Briefe — und hoffentlich
in Verbindung mit ihr oder im Anfchlufs an fie auch die
der anderen Schriften des Synefios — vollftändig zu überblicken
vermögen, wird auch über den Werth der auf
eine fchmalere handfchriftliche Grundlage genützten
Leiftungen Hercher's, der ein fehr fcharffinniger und dabei
ungemein feinfühliger und ganz riefig belefener Philologe
war, zutreffender geurtheilt werden können.

In der Einleitung hat der Verf. gefchickt den zeit-
gefchichtlichen Hintergrund gezeichnet, auf dem fich die
Geftalt des Bifchofs Synefios, des begeifterten Schülers
der Hypatia, lichtvoll abhebt. Seine Briefe vor allem
laffen uns einen tiefen Einblick in den Zuftand eines nicht
geringen Theiles der Menfchheit in den letzten Tagen
des untergehenden Heidenthums gewinnen, und jeder,
der Kingsley's herrliches Werk ,Hypatia' gelefen, worin
diefer Synefios' Briefe fo ausgezeichnet verwerthet und
das, was der liebenswürdige Verfaffer darin fchreibt, in
gleichgeftimmtem Nachempfinden zu neuem Geift und
und Leben erweckt hat, wird von Begeifterung und
innigfter Theilnahme für die Geftalt des philofophifchen
und zugleich ftreitbaren Bifchofs erfüllt fein. Wie kaum
ein zweiter feiner Zeitgenoffen hat Synefios die Leiden
der Zeit zu tragen, mit ihnen qualvoll zu ringen gehabt.
Gewifs, Fritz hat Recht, wenn er fagt: ,Seine Briefe, fo-
weit uns diefelben erhalten find, erzählen uns weniger
von den grofsen und kleinen Freuden des Lebens, denen
das edle Herz ihres Schreibers fo offen ftand, als von
den Trübfalen und Aergernifsen eines Mannes, der, in
einer mit fich felbft uneins gewordenen Zeit auf die Höhe
eines verantwortungsvollen Berufes geftellt, mit erfchreck-
licher Gründlichkeit die Mühfale feines Zeitalters durch-
zukoften hatte'. Aber es ift doch ein Zeichen bedenklicher
Einfeitigkeit, wenn er es als ,ein fchweres Wag-
nifs' bezeichnet, ,den, der mit Begeifterung zu den Füfsen
Hypatia's, der letzten glänzenden, idealen Vorkämpferin
des finkenden Heidenthums gefeffen hatte, zum chrift-
lichen Bifchof zu wählen.' Warum denn das? ,Er diente'
— das erkennt Fritz unumwunden an — ,mit voller Hingebung
der ihm anvertrauten Gemeinde; von tiefem
Danke für das ihm erwiefene Vertrauen erfüllt, zeigte er
feinen Gemeindemitgliedern das Bild eines echten Friedensfreundes
'. Ift das in fo fchwierigen Zeiten nicht alles,
was man nur irgend von einem Bifchof verlangen kann?
,Allein die Folgen des bei feiner Wahl begangenen Mifs-
griffes konnten nicht ausbleiben' — beliebt Fritz zu
folgern. Und damit macht er auf den Zwiefpalt feiner
platonifchen Ueberzeugungen mit der Kirchenlehre in
den Lehren von der Präexiftenz der Seele, der Ewigkeit
der Welt und der Auferftehung aufmerkfam. Aber das
alles hatte ja Synefios dem alexandrinifchen Erzbifchof
Theophilos offen bekannt, ja mehr noch, er, ein glücklicher
Gatte und Vater, hatte ebenfo offen erklärt, dafs
er auch als Bifchof von der ehelichen Gemeinfchaft mit
feiner Gattin nicht laffen werde. Trotzdem beftätigte
Theophilos feine Wahl, und niemand nahm damals An-
ftofs daran. Jetzt freilich ift das etwas ganz anderes.
Fritz hält es, wie es fcheint, für zeitgemäfser, letztere
Thatfache gar nicht zu erwähnen. ,So' — d. h. wegen
jenes Zwiefpaltes feiner Ueberzeugungen mit den Er-
fordernifsen feines Amtes, der ärgerliche Eheftand ift in
dem ,fo' nicht mit einbegriffen — ,mufste er alle Ge-
wiffensnöthe eines Priefters erfahren, der zu fpät einfieht,
dafs er auf einem Porten fleht, den er auszufüllen nicht
im Stande ift'. — ,Daher feine wiederholten Bitten, feine
Gemeinde möge für ihn beten, während doch er' — fo
fchreibt Fritz es ihm vor — ,fich in den damaligen fchweren
Kriegszeitläuften mit aufgehobenen Händen vor feine
Gemeinde hätte Mellen follen'. Nein, mit dem Schwerte
in der Hand hielt es der wackere Heraklide in jenen