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Ausgabe:

1899 Nr. 3

Spalte:

83

Autor/Hrsg.:

Nagy, Albino

Titel/Untertitel:

Die philosophischen Abhandlungen des Jaqub ben Ishaq Al-Kindi 1899

Rezensent:

Schwally, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 3.

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dem (in Uebereinftimmung mit der in MA herrfchenden
Auffaffung) als göttliche Gedanken angefehen habe.

Giefsen. H. Siebeck.

Nagy, Dr. Albino, Die philosophischen Abhandlungen des
Ja'qub ben Ishäq Al-Kindi. Zum erften Male herausgegeben
von N. (Beiträge zur Gefchichte der Philo-
fophie des Mittelalters. Texte und Unterfuchungen.
Herausgegeben von Prof. DD. Clemens Baeumker und
Georg Freih. v. Hertling. II. Band, V. Heft.) Münfter,
Afchendorff, 1897. (XXXIV, 84 S. gr. 8.) M. 4.50

Von den vier, hier zum erften Male veröffentlichten
Abhandlungen gehören die drei erften {de intellectu, de
somno et visione, de quinque essenliis) mit Sicherheit dem
berühmten Philofophen Ja'qub ibn Ishäq al-Kindi (t+870)
an. Die vierte {Uber introductionis in artem logicae de-
monstrationis) fchreibt der Verfaffer dem zwei Menfchen-
alter fpäter blühenden al-Färäbl zu, der übrigens kein
eigentlicher Araber, fondern von Geburt ein Türke war.
Thatfächlich ift nach den vorhandenen Quellen ein Beweis
für deffen Autorfchaft nicht zu erbringen. Die
literarhiftorifchen Unterfuchungen konnte der Verfaffer
nur deshalb führen, weil er im Stande ift, die einfchlägige
arabifche Literatur zu benutzen. Es kommen da hauptfächlich
zwei Werke in Betracht, der Fihrift des Bagdader
Buchhändlers Ibn abi Ja'qub al nadim und das Buch der
Aerzte von Ibn abi Ufeibfa. Leider finden fich in den
arabifchen Citaten zahllofe Fehler. Diefe Publication
hat das doppelte Verdienft, ein werthvoller Beitrag zur
Gefchichte der Philofophie im Allgemeinen, wie zur Gefchichte
der Wiffenfchaft bei den Arabern im Befondern
zu fein.

Strafsburg i. Elf. Fr. Schwally.

Berg er, Pnvatdoz. Arnold E., Martin Luther in kultur-
gefchichtlicher Darftellung. 2. Teil. 1. Hälfte: 1525—
1532. (Geifteshelden. 27. Band.) Berlin 1898, E. Hofmann
& Co. (XII, 299 S. 8.) M. 2.40; geb. M. 3.80

Drei Jahre hat es gedauert, ehe auf den in der Theol.
Litztg. 1895 Nr. 13 Sp. 338 ff. von uns angezeigten erften
Band von Berger's Luther-Biographie die F'ortfetzung
gefolgt ift. Und diefe bringt nicht etwa den Abfchlufs
des bedeutfamen Buches, wie der Herr Verfaffer feiner
Zeit in Ausficht Hellte, führt vielmehr die Biographie zu-
nächft nur von 1525 bis 1532 weiter und behält den
Schlufs ,Martin Luther's Ausgang und Vermächtnifs'
einem dritten Bande vor. Aber auch vom zweiten Bande,
der den Sondertitel trägt ,Martin Luther als führender
Geift' ift bisher nur die erfte Abtheilung erfchienen, die
mehr den äufseren Gang der Ereignifse in den genannten
Jahren zu fchildern unternimmt, dabei aber geradezu zu
einer Reformationsgefchichte anwächft.

So weit fie bekannt fein mufs, um feinen Gegenfatz
zu Luther verftändlich zu machen, hat Zwingli's Ent-
wickelung in einer Luther-Biographie ihre berechtigte, ja
ihre nothwendige Stelle; fie wird bei Berger aber geradezu
zur Lebensgefchichte Zwingli's; und ebenfo nimmt
die Gefchichte der von ihm eingeleiteten fchweizerifchen
Reformation, die uns hier doch auch nur infofern inter-
effirt, als fie auf Luthers Leben einen irgendwie beftim-
menden Einflufs ausübt, in Berger's Darftellung einen zu
breiten Raum ein. Die Anfänge der fchweizerifchen Reformation
, der Sieg der reformatorifchen Bewegung in
Zürich, ihre Ausbreitung in der Schweiz, die Gegenwehr
der katholifchen Landfchaften, der Kampf gegen das
Schwärmerthum, gegen die Bauernbewegung feitens des
fchweizerifchen Reformators hätten in einer Lebens-
befchreibung Luther's doch wohl nicht 18 Seiten umfaffen
dürfen.

Und noch mehr trifft der Vorwurf, dafs er Nebenmomente
zu eingehend behandelt, den Herrn Verfaffer
im Abfchnitt IV A ,Die Reformation als Factor der
europäifchen Politik'. Die hier erzählten Vorgänge durften
nicht unerwähnt bleiben, aber ihre Schilderung mufste
an diefem Orte ftets im Zufammenhange zu der eigentlichen
Aufgabe flehen. Berger widmet ihnen aber eine
fo umfangreiche und fo felbftändige Darfteilung, dafs
man mehrfach wirklich vergifst, dafs man eine Biographie
Luther's lieft. Man fehe namentlich die Seiten 113 bis
140. Hier hätten die meiften Ereignifse mit wenigen
Strichen gezeichnet werden müffen, anftatt dafs die Differenzen
zwifchen Papft und Kaifer, die fpanifchen Reformations
-Tendenzen, die kaiferliche Welt- und die habs-
burgifche Hauspolitik und anderes, das mit der Hauptaufgabe
doch nur fehr lofe Verbindung hat, mit gröfster
Ausführlichkeit behandelt wird; ja in der ganzen Abtheilung
werden eigentlich nur die Abfchnitte, die den
Eindruck der Zerftörung Roms durch die deutfchen Landsknechte
auf die Zeitgenoffen und die Pack'fchen Händel
und ihre Folgen behandeln, zu Luther in directe Beziehung
gefetzt.

In der Einleitung zum erften Bande klagte Berger,
dafs man in den theologifchen Luther-Biographien ,fich
vor einen Luther geftellt fähe, der mit den Problemen
der Zeitcultur keine Fühlung hätte und dafs man in den
meiften Darftellungen der Reformationsgefchichte fich
einem grofsen Zeitbilde gegenüber fähe, in dem Luther's
Geftalt hinter feinem Werke zu verfchwinden drohe'.
Luther's Perfönlichkeit zu den Zeitverhältnifsen in lebendige
Beziehung zu fetzen, das follte feine Aufgabe fein.
In den genannten Partien feines Buches verliert nun aber
die Zeitgefchichte gänzlich die Fühlung mit Luther's
Leben, verfchwindet Luther's Geftalt nicht etwa nur hinter
feinem Werk (vgl. dazu übrigens, was Berger S. 238 fagt),
fondern hinter den Zeitereignifsen überhaupt. Die Gefchichte
der Zeit follte ftets den Hintergrund bei Berger's
Ausführungen bilden, fie drängt fich aber häufig zu fehr
in den Vordergrund. In der Befchränkung hätte fich hier
erft wahrhaft der Meifter gezeigt!

Offenbar hat Berger auch felbft eine deutliche Empfindung
von diefen Mängeln gehabt und hat namentlich
gefühlt, dafs diefer erfte Theil nicht immer dazu ange-
than ift, den von ihm gewählten Sondertitel des zweiten
Bandes zu rechtfertigen und Luther als führenden Geift
zu zeigen. In einer Mittheilung am Ende des Buches
weift er deshalb ausdrücklich daraufhin, dafs jene Ueber-
fchrift ihre volle Rechtfertigung erft in dem im Manu-
fkript noch nicht abgefchloffenen zweiten Theile finden
würde, der die culturelle Entwickelung wefentlich in den
Jahren 1525 bis 1532 behandeln foll. In fünffacher Gliederung
wird er uns Luther's Einflufs zeigen auf Kirche
und Theologie, auf Ethik und Pädagogik, auf die fociaien
Verhältnifse, auf Wiffenfchaft und Kunft und endlich auf
die deutfche Nationalliteratur. In ihm wird das Thema
des Berger'fchen Buches ,Martin Luther in 'culturgefchicht-
licher Darftellung' fo recht zur Geltung kommen.

In ebenfo wohlthuender Weife, wie im erften Bande,
findet die innere Antheilnahme des Verfaffers an den
Gefchicken feines Helden einen oftmals begeifterten Ausdruck
. Möchte der Herr Verfaffer nur Zeit finden, die noch
ausftehenden Theile des Werkes fchneller zu vollenden,
als diefe erfte Fortfetzung. Die wiederholenden Ver-
| weifungen auf frühere Ausführungen, die zuweilen direct
j ftörend wirken, hängen offenbar damit zufammen, dafs
zwifchen dem erften und diefem Bande eine fo lange
1 Paufe liegt. Sie werden von felbft wegbleiben, wenn
das früher Gefchriebene dem Verfaffer noch in frifcherer
Erinnerung ift.

Zu dem kritifch-bibliographifchen Anhang, den Berger
mit dem Schlufsbande auszugeben verfpricht, rechnet er
hoffentlich auch die feiner Zeit verheifsene .gefchicht-
I liehe Skizze aller Wandlungen in der Auffaffung und Be-