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Ausgabe:

1899 Nr. 3

Spalte:

79-81

Autor/Hrsg.:

Diekamp, Franz

Titel/Untertitel:

Hippolytos von Theben. Texte und Untersuchungen 1899

Rezensent:

Grützmacher, Georg

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79 Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 3. 80

Hier knüpft nun E. an, um der Traditionsbildung nachzugehen
. Auf die Gefahr hin, den Vorwurf auf mich zu
nehmen, den der Vertreter der religionsgefchichtlichen
Methode gegen das hiftorifch-kritifche Verfahren aus-
fpricht, mufs ich geftehen, dafs mir jene Folgerung un-
verftändlich ift. Es ift vielleicht ,der fubalterne Sinn eines
Actuars'(S.i5),derfich inmir regt.wennich dievondemVerf.
formulirte Alternative zwifchen der detaillirten in futurifche
Form gefafsten Leidensgefchichte und dem Mangel an
jeder Leidensweisfagung Jefu als eine fchiefe Frageftellung
zurückweifen mufs. Dafs die Todesahnungen Jefu eine
präcifere, ex eventu näher beftimmte Form angenommen
haben, wird kein Einfichtiger beftreiten wollen; dafs aber
Jefus folche Aeufserungen gethan, das erhellt meines Erachtens
fo unwiderfprechlich aus dem Pragmatismus der
Gefchichte Jefu, aus feinem Verhalten und aus feinem
Zeugnifs, dafs weder die Einzelbemerkungen, noch die
religionsgefchichtlichen Erwägungen E.'s gegen diefes Er-
gebnifs aufkommen können. Hat aber Jefus den Leidensgedanken
gefafst, hat er ihn zunächft mittelbar aus den
Ereignifsen gewonnen, hat er ihn dann in das Licht der
altteftamentlichen Offenbarung geftellt und als pofitives
Moment in den Zufammenhang feines Meffiaswerkes eingefügt
, fo ift die pfychologifche und hiftorifche Voraus-
fetzuug gegeben, von welcher aus die religiöfe Notwendigkeit
feines Todes bereits von ihm felber aus-
gefprochen werden konnte: weder die ylurpov-Stelle noch
die Beziehung der Abendmahlshandlung auf die Heilsbedeutung
des Todes Jefu ift demnach mit dem über das
Bewufstfein Jefu ficher zu Ermittelnden unvereinbar. Eine
Einwirkung des Glaubens der Gemeinde, refp. der pau-
linifchen Gedankenreihen, auf die beftimmte Faffung
jener Ausfage oder diefer Thatenfprache ift damit nicht
geleugnet, nur müffen dann die Grenzen, innerhalb welcher
die fpätere Umbildung ftattfand, viel enger gezogen
werden. — Eichhorn's Schrift würde wohl zu anderen
Auseinanderfetzungen locken, ich mufs mir aber vertagen
, in weitere Discuffionen einzutreten. — Ob Arbeiten
wie diefe, welche für den Theologen von hervorragendem
Intereffe find, zumal weil fie die in vollem Flufs befindlichen
Probleme und Hypothefen mit der unerbittlichen
Schärfe und Klarheit der wiffenfchaftlichen Sprache behandeln
, ihre richtige Stelle in den .Heften zur chrift-
lichen Welt' finden, möchte ich bezweifeln.

2. Einen ganz anderen Charakter hat die kleine
Schrift Watfon's, die mehr in die Erbauungsliteratur als
in das Gebiet der Theologie gehört. In fieben lofe aneinander
gereihten Capiteln giebt der Verf. eine Reihe
von Betrachtungen, in denen Paraphrafe und Anwendung
der evangelifchen Gedanken Hand in Hand gehen. Die
Betrachtungen find an Schriftftellen angelehnt, die eine
meift allegorifche, oft geiftreiche, zuweilen gefuchte Bearbeitung
erfahren. 1) Der Hausherr, Luc. 22,10. 2) Die
Seele — ein Gaftzimmer, Luc.22,n. 3) Die Zwölf,Luc.22,14.
4) Der Schatten des Kreuzes, Joh. 13.1. 5) Ein letzter
Wunfeh, Luc. 22,19. 6) Jefu Vermächtnifs, Joh. 14.27. 7) Die
Stätte, die er bereitet hat, Joh. 14,2. 3. — Das Abendmahl
felbft ift nur flüchtig berührt.

Strafsburg i/E. P. Lobftein.

Diekamp, Priv.-Doc. Dr. Franz, Hippolytos von Theben.

Texte und Unterfuchungen. Münder i. W., Afchen-
dorff, 1898. (VI, LXX, 177 S. gr. 8.) M. 6.50

In der Einleitung befpricht Diekamp die bisherigen
Ausgaben der Fragmente des Hippolyt von Theben und
die Nachrichten über die Chronik des Hippolyt in der
älteren Literatur und legt dann die handfehriftliche
Grundlage feiner Neuausgabe der Texte ausführlich dar.
Im erden Theil dellt er zunächd fed, was als literarifches
Eigenthum des Hippolyt von Theben zu gelten hat, und
bietet in correcter Ausgabe den echten Ueberred der

Chronik. Mindedens 40 Handfchriften enthalten diefes
echte Fragment. Die ältede Handfchrift reicht bis ins
neunte Jahrhundert zurück. Auf breiteder handfehrift-
licher Grundlage und mit grofser Sorgfalt id der Text,
der in fünf Recenfionen vorliegt, hergedellt. Dann folgen
Fragmente, deren urfprüngliche Zugehörigkeit zur Chronik
nach Diekamp nicht behauptet werden kann. Hierzu gehören
vor allem die den jtaQaöraOsig övvrofioi XQOvixai
entnommenen Citate aus der Chronik des Hippolytus
und die in einigen Hippolythandfchriften vorhandenen
vorchridlichen Chronographien. Endlich hat fich Diekamp
auch nicht die Mühe verdriefsen laffen, die ficher unechten
Texte und zwei nur inhaltlich verwandte Stücke,
die in den früheren Ausgaben des Hippolyt vorhanden
find, mit kritifchem Apparat neu zu ediren. Im zweiten
Theil wird der Inhalt der Chronik befprochen, das
intereffante Fragment, das wir befitzen, beginnt mit der
Menfchwerdung Chridi und der Ankunft der Magier, es
entwickelt die Chronologie des Herrn und der Gottes-
gebärerin Maria, handelt fodann von dem Evangeliden
Johannes und feinem Haufe in Jerufalem, der heiligen Sion,
fowie von feinem Bruder, dem Zebedaiden Jacobus. Endlich
giebt es Auskunft über die verwandtfehaftlichen
Beziehungen Jefu zu Jacobus, dem Herrenbruder, und
zu Johannes, dem Täufer. Durch reiche Heranziehung
zahlreicher Parallelen aus dem weiten Gebiet der verwandten
Literatur beleuchtet er den zum Theil feltfamen
legendarifchen Inhalt der Chronik und weift ihre Quellen
und Einwirkung auf die fpäteren Schriften nach. Der
dritte Theil fucht eine beftimmtere Antwort auf die Frage
nach dem Zeitalter und nach der Heimath des Chroniften,
fowie nach der Anlage und dem Werthe feines Buches
zu geben. Den Zweifel, den G. Ficker und die verdienten
Herausgeber der Werke des römifchen Hippolyt,
N. Bonwetfch und H. Achelis, gegen die Gefchichtlichkeit
des Hippolytos von Theben erhoben hatten, weift er
unter Hinweis auf die 40 Handfchriften, die ausdrücklich
dem Hippolyt von Theben die Fragmente einer Chronik
vindiciren, zurück. Viel fchwieriger ift die Frage nach
feinem Zeitalter zu beantworten. Ein ter minus ante quem
ergiebt fich aus der handfehriftlichen Ueberlieferung, da
! der codex B. am Ende des neunten Jahrhunderts ge-
1 fchrieben ift. Die älteften Schriftlteller, die eine fichere
j Kenntnifs der Chronik des Thebaners verrathen, find der
j Mönch und Priefter Epiphanius und Jofephus, der Ver-
j faffer des Hypomneftikon. Erfterer hat, wie Diekamp
auf Grund einer gründlichen Unterfuchung feftftellt, fehr
wahrscheinlich fein Leben des Apoftel Andreas zwifchen
800 und 813 gefchrieben, um diefe Zeit wird auch fein
[ Leben der Gottesmutter, in dem er Hippolyt benutzt,
entftanden fein. Das Hypomneftikon des Jofephus läfst fich
j dagegen nicht ficher datiren, es bleibt die Zeit vom Be-
j ginn des 6. bis9. Jahrhundert dafür offen. Sein Refultat ift,
j dafs der Zeitraum, in dem Hippolyt fchrieb, auf etwa 650
bis 750 zu begrenzen ift. Ob das ägyptische oder das
| griechische Theben als feine Heimath anzufehen ift, wagt
Diekamp nicht mit Sicherheit zu entscheiden, doch er-
: fcheint ihm letzteres wahrfcheinlicher. Was die Anlage
der Chronik Hippolyt's betrifft, fo hat die Chronik nach
Art der byzantinifchen Chroniken jener Zeit wahrfchein-
lich die gefammte Weltgefchichte behandelt und war in
erfter Linie auf die Kreife des Volkes und der halbgebildeten
Klofterbewohner berechnet, denen mit be-
ftimmten, wenn auch nicht ebenfo forgfältig begründeten
Daten gedient war, die weniger auf claffifche Gräcität
j und künftlerifche Form als auf eine fchlichte Erzählung
in gemeinverftändlichen Ausdrücken Gewicht legen. In
weiten Kreifen hat fie fich auch einer hohen Werth-
fchätzung erfreut, obwohl der wirkliche Werth der
Chronik nach Diekamp fehr gering anzufchlagen ift, da
[ ihr Inhalt völlig legendarifch ift. Sie ilt nur von Wichtigkeit
als ein felbftändigeres Schriftdenkmal aus jener
| dunklen Periode der byzantinifchen Literaturgefchichte,