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Ausgabe:

1899 Nr. 26

Spalte:

708-711

Autor/Hrsg.:

Holl, Karl

Titel/Untertitel:

Enthusiasmus und Bussgewalt beim griechischen Mömchtum. Eine Studie zu Symeon dem neuen Theologen 1899

Rezensent:

Meyer, Philipp

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7°7

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 26.

708

theilweife bereits gedruckt fein, da Turner mehrfach auf j
beftimmte Seiten von ihr verweift (z. B. S. 37: cf p 106 und
p 164 infra). Wie die erfte Hälfte die lateinifchen Texte
der apoftolifchen Canones und der Subfcriptionen der
nicänifchen Väter, fo foll die andere die Canones von
Nicäa nebft Vorrede und Symbol in nicht weniger als
12 lateinifchen Ueberfetzungen oder Auszügen darbieten;
für die folgenden Bände find die Canones der übrigen
griechifchen Concilien, Ancyra, Gangra u. f. w. bis Chal-
cedon, foweit lateinifche Texte von ihnen vorliegen, in
Ausficht genommen, auch die im 4. und 5. Jhdt. abgehaltenen
Synoden Spaniens, Galliens und Africas fafst
Turner bereits ins Auge.

Dafs Turner keine Mühe scheut und auch die Schulung
befitzt, um aus der Unmaffe von Handfchriften über-
fichtliche und durch Solidität ausgezeichnete Texte herauszuarbeiten
, zeigt der vorliegende Halbband zur Genüge
; er hat fich in den Bibliotheken unermüdlich um-
gethan und läfst auch die geringfügigste Variante nicht
aufser Acht. So wird fein Unternehmen angefichts der
Mangelhaftigkeit der bisherigen Ausgaben der meiften
in Rede flehenden Stücke von jedem Kirchenhiftoriker
mit Freuden begrüfst werden. Dafs er fich darauf be-
fchränkt, die Texte mit genauem Apparat, natürlich auch
ein vollständiges Verzeichnifs der von ihm verglichenen
Handfchriften aller etwa fonft benutzten Quellen zu geben,
mit erklärenden Anmerkungen aber äufserft fparfam ift
und die fonft wohl als Einleitung beigefügten Erklärungen
über die Verwandtfchaftsverhältnifse der Zeugen und
ihren Werth lieber an anderer Stelle in englifcher Sprache
nachbringen will, braucht kein Schade zu fein.

Aber zu bedauern ift um des Verfaffers willen, dafs
er gerade mit den undankbarsten Partien aus feinem Arbeitsplan
den Anfang macht. S. 2—32 enthalten die 50
lateinifchen canones Apostolomm, die Dionyfius Exiguus dem
Abendlande vermittelt hat, zuerst die Capitelüberfchriften,
dann die Canones felber, beides in 2 Columnen, indem
T. den bisher bekannten Text als eine zweite (und fogar
dritte) Recenfion des Dionyfius anfleht, wovon er eine
erlte, die er zum ersten Male publicirt, unterfcheidet.
Factifch find die Differenzen recht unerheblich, derart z.B.,
dafs c. 36 I qnonsque.. . adquiescat, II quoadusque consentiat,
c. 37 I absoluant II amoveant, c. 28 I omnimodis II peni-
tus fchreiben. Was darüber hinausgeht, find, abgefehen von
der zufälligen Einrichtung, dafs die zweite Verfion die Ueber-
fchriften nochmals vor jedem Canon wiederholt, während die
erste es bei dem vorangehenden'Register beläfst, orthogra-
phifche und fprachliche Abweichungen, wie wenn I ca>.4quae
und exhiberi Wque und exiberi, I c. 14 parrocia II paroecia,
I c 49 baptismo, II baptismate fchreiben: hier find wir auf
denBeweis gefpannt, dafs diefe Varianten auf denUeberfet-
zer felber zurückgehen. Da fcheint mir vielmehr der Herausgeber
etwas willkürlich zu wählen; follte II S. 27 sub
obtentu, S. Ii sub optentu, bald aliud, bald aliut, bald
praeter, bald preter, bald pasca, baldpascha bevorzugen?
Warum T. bei c 4 in I die Schreibung timiama, in II
thymiama in den Text nimmt, obgleich beidemal die
Zeugen auseinandergehen, ift fein Geheimnifs: von dem
übrigens in wichtigeren Fragen gerade bei feinem Standpunkte
recht auffälligen Grundfatz, den er S. 33 aufstellt
ut in dubiis praeponeretur lectio cui interpretatio altera
patrocinabatur, habe ich feiten Wirkungen verfpürt.
Das Intereffantefte an dem Apparate find die aus einzelnen
Handfchriften mitgetheilten Gloffen, z. B. p. 2 v. II
Cap. 3 bei Abendmahl: hoc est panis vinum et aquatn
p. 6 zu Cap. 37 neben Bifchöfen: similiter et de aliis cle-
ricis vel consiliariis. Eine gefchichtliche Würdigung
der apoftolifchen Canones läfst fich ohne fortwährende
Heranziehung des griechifchen Grundtextes nicht anstellen.

Das ift aber erst recht der Fall bei den Listen der
nicänifchen Synodalen, die wir S. 36—91 empfangen.
Hier bleibt Turner doch stark zurück hinter der von H.
Geizer in Verbindung mit H. Hilgenfeld und O. Cuntz

den Patrum Nicaeonorum nomina (1898) gewidmeten
Arbeit, über die ich in diefer Ztg. Nr. 8 S. 235 ff. referirt
habe. Nicht blofs die verfchiedenen Claffen lateinifcher
Regifter, fondern alle überhaupt erreichbaren werden dort
zugänglich gemacht, mit einander verglichen, und daraus
nach Möglichkeit der Archetyp reconftruirt. Gern mache
ich die Lefer darauf aufmerkfam, dafs H. Geizer inzwi-
fchen noch eine werthvolle Ergänzung zu feinen dortigen
Studien geliefert hat, nämlich auf S. 47—61 der Kiepert-
Feftfchrift (Berlin 1898): ,Geographifche Bemerkungen
zu dem Verzeichnis der Väter von Nikäa'. Geizer hat
das Werk fchon zu Ende geführt, mit deffen Anfängen
fich T. befchäftigt. Allerdings hat T. theilweife ältere
und beffere Handfchriften als Cuntz verglichen, durch
die Splendidität des Druckes und ein ebenfo einfaches wie
empfehlenswerthes Zählungsfyftem das Verhältnifs der
verfchiedenen Texte noch überfichtlicher demonftrirt,
aber ich wüfste keinen Fall zu nennen, wo durch
Heranziehung von T.'s Collationen an den letzten Er-
gebnifsen der Forfchungen von Cuntz und Geizer etwas
gebeffert würde.

Die vier Claffen lateinifcher Zeugen, die Cuntz confta-
tirte, hat unabhängig von ihm auch T. unterfchieden, nur die
zweite von C.wiederum zutreffend in zwei Claffen zerlegt, fo
dafs bei ihm die fünfte der vierten bei Cuntz entfpricht;
eine von C. durchweg für II verwerthete Handfchrift
(J, resp. bb bei Turner) hat T. mit Recht zur Hälfte an
die letzte Claffe abgegeben. So erfreulich die zahlreichen
Bestätigungen der auf die handfchriftlichen Lesarten
bezüglichen Angaben des einen Herausgebers durch die
des anderen find,bleiben in auffallend reichem Mafse auch
Differenzen übrig, bei denen nur nochmalige Befichtigung
des Manusfcripts über Recht und Unrecht entfcheiden
könnte; z. B. lieft T. S. 77 V Hisauriae, wo C. S. 44 II
Insauriae bietet, S. 39 V T. Adamuntius und Arbitto gegen
Ca Adamantus und Arbittio, S. 91 V T.: CLXVIII gegen
C: CCXVIII, und was der eine als P liest, deutet der
andere zahllofe Mal als F. Da T. forgfältigft fogar die
Abkürzungen wie pro, expli, epi wiedergiebt, wird man
wenigstens in Fällen wie S. 39, wenn er ,Aegypti et Thy-
bahedes orientaliumr für einen Codex bezeugt, dem C.
blofs ,aegypti thebaidis' nachfagt, geneigt fein, ihm gröfse-
ren Glauben zu fchenken, aber im Auffpüren der Quellen
von verderbten Formen bewährt Cuntz gröfseren Scharfsinn
: z. B. dafs das räthfelhafte nbies, lybiensis, libiae hinter
dem Namen der Bifchofsftadt des Secundus S. 42 f.
Rest einer Ueberfchrift über die nächste Provinzabtheilung
ist (f. Cuntz S. 8), hat T. anfcheinend nicht bemerkt. Die
erwünfchte Fortführung feiner gediegenen Arbeiten wird
fein actuelles Verdienst ficher bedeutend erhöhen.

Marburg i. H. Ad. Jülicher.

Holl, Priv.-Doc. Lic. Dr. Karl, Enthusiasmus und Bussgewalt
beim griechischen Mönchtum. Eine Studie zu
Symeon dem neuen Theologen. Leipzig, J. C. Hin-
richs'fche Buchhandlung, 1898. (VI, 331 S. gr. 8.)

M. 10.—

Nach zwei Richtungen hin bietet diefes Werk von
Holl höchst werthvolle, durch Fülle des Stoffes, wie du rch
Kraft derDarftellung gleich ausgezeichnete Unterfuchungen.
Der Verfaffer beginnt mit einer Monographie aus der
Byzantiniftik, einer Darstellung des Lebens und der Theologie
Symeons, des Neuen Theologen, der bisher fo gut
wie unbekannt, dennoch zu den bedeutendften Mystikern
der christlichen Kirche gehört. An diefer Einzeldarstellung
nimmt Anlafs eine kirchengefchichtliche Studie im
grossen Stil, die, gestützt auf ein gewaltiges, bisher fo
gut wie unbenutztes Material, den leitenden Gedanken
im griechifchen Mönchthum darftellt für die Zeit von
der Entstehung desfelben bis zum Untergange des byzan-
tinifchen Reiches. Was diefe beiden fcheinbar aus-