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Ausgabe:

1899 Nr. 2

Spalte:

699-704

Autor/Hrsg.:

Meyer, Heinr. Aug. Wilh.

Titel/Untertitel:

Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament. 8. u. 9. Abth.: Die Gefangenschaftsbriefe. 7. bezw. 6. Aufl 1899

Rezensent:

Weiffenbach, Wilhelm

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699

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 26.

cialhff. des NT. verunglückt; jedenfalls mufs ich mich
gegen die mir dort zugefchriebene Vertheilung derfelben
auf das 5.—8. Jahrh., unter Ausfchlufs des 4., 9. und 10.,
auf das beftimmtefte verwahren. — S. 49 wird Tifchen-
dorf die Meinung zugefchrieben, dafs der Cod. Sin. und
der Cod. Vat. zur Zahl der 50 Bibelexemplare gehörten,
die Kaifer Konftantin im J. 331 bei Eufebius für die
Hauptkirchen feines Reiches beftellte. Der Verf. hat
überfehen, dafs Tifchendorf in den Prolegom. zu feinem
NT. Vaticanum (Lips. 1867) p. XVIII und noch einmal
p. XXX fich mit Bezug auf B ausdrücklich dahin aus-

6. Aufl. der 8. und 9. Abtheilung des Meyer'fchen
Commentars die vier Briefe an die Coloffer, an Phile-
mon, die Ephefer und die Philipper, deren Exegefe eine
zufammenhängende Einleitung (S. 1 —104) vorange-
ftellt ift. Dafs H. den Philemon-Brief und den an
die Philipper für zweifellos paulinifch hält, darin kann
ihm Ref. nur rückhaltslos beiftimmen. Ebenfo kann es
nur Billigung finden, wenn der Verf. noch einmal nachdrücklich
Alles geltend gemacht hat, was etwa zu
Gunften der paulinifchen Abfaffung des Coloffer-
(S.24—37)unddesEpheferbriefes(S. 54—86) gefagt werden

fpricht, dafs diefe Hff. fich nicht unter jenen 50 befunden ; kann. Eine andere Frage ift's freilich, ob es H.'s Plai-
haben könne, und zwar 1. weil fie aus Quinionen zu- doyer gelungen fei, die Ueberzeugung von der Authen-
fammengefetzt ift, nicht aus Quaternionen oderTernionen, tie beider Sendfehreiben in weiteren Kreifcn neu zu be-
und 2. weil fie die Eufebianifchen Sectionen nicht ent- | fettigen oder auch nur den Colofferbrief in den Sicherhält
. Denn auch das ift nicht richtig, dafs Tifchendorf,
wie N. S. 49 bemerkt, das räthfelhafte rgiaoa /.dl tstoööö«
in Eus. de vita Const. IV, 37 auf die Zahl der Schrift-
columnen bezogen habe; er verftand darunter die Zu-
fammenfetzung der Blätterlagen (vgl. NT. Sin. Lips. 1863,
p. XVIII). N. feinerfeits lehnt die beiden angeführten
Deutungen, deren erfte von Wattenbach (und in der Neubearbeitung
des Art. Bibeltext in der ThRE. auch von
mir) vertreten wird, ab und will an die Zahl der Bände
gedacht wiffen, ,aus denen je ein in eine Kifte verpacktes
Exemplar beftand'. — Die Basler Bibliothek, welcher der
Cod. E angehört (S. 57), heifst nicht Stadtbibliothek,
fondern öffentliche Bibliothek der Univerfität. — Zu der
irrigen Angabe S. 63, dafs der Palimpfeft 3, aus einer
Vorftadt von Roffano flamme, vgl. ThLZ. 1890 Sp. 230.
— S. 66, 4 ift Grotteferrata gedruckt. — Zu Kol. 2, 18
wird S. 253 bemerkt: ,Dafs ein Textfehler vorliegt, und
von den Conjecturen die von Taylor vorgefchlagene,
von W.-H. empfohlene die wahrfcheinlichfte fei, erkennt
auch Zahn an (Einl. 2, 339).' Die Conjectur felbft — eine

heitshafen zu bringen.

Was nun zunächft diefen betrifft, fo hängt die
Entfcheidung über feine Echtheit nach H. von drei In-
ftanzen ab: a) der inhaltlichen und formellen Lehrfaffung
des Briefes im Vergleich mit den anerkannten Paulinen,
b) feiner fprachlichen Eigenthümlichkeit gegenüber
diefen, c) feinem Verhältnifs zum Ephefer-Brief.
Ad a) erkennt H. an, dafs hier (Col. 1,16) die Stellung
Chrifti zur Gemeinde zu der ,als Centrum des Univer-
fums', das in ihm Urfprung und Beftand habe, erweitert
fei (p. 33), tröffet fich aber in m. E. unzuläffiger Weife
damit, dafs fich folche Anfchauung .unmittelbar' (?)
aus I. Cor. 8,6 ergebe. Auch der befremdenden That-
fache, dafs die Verformung durch Chriftus, insbesondere
fein verföhnender Tod, ,die Wirkungen auch in die
Geifterwelt hinein erstreckt' (2,14 f.), entzieht fich H. nicht,
aber er hält dafür, dafs auch diefe Anfchauung auf paulinifchen
Vorausfetzungen, insbefondere auf Gal. 4,3—9
(das Judenthum unter Botmäfsigkeit von Naturgewalten,
hinter welchen Geifteswefen flehen) und auf der

der glücklichsten: diga xevefißarevmv für a loga/ev ! feit Dan. 9 und 10 allgemein gewordenen Anficht, zwi-
EfißuxBvcov — wird nicht angeführt. — Auf derfelben j fchen der unfichtbaren Geifter- und der irdifchen Welt

Seite lieft man zu 1. Theff. 3, 3: ,Wie Lachmann fchrieb,
wollte neuerdings auch Verfchuis firjöev aOaivsOdai . . .'
Um die Bekanntfchaft des hier an zweiter Stelle genannten
Kritikers habe ich mich vergebens bemüht, bis
ich in ihm den trefflichen Jo. Henr. Verfchuir, weil. Prof.
in Franeker ("T735, -j-1803), wiedererkennen zu dürfen
glaubte. Allerdings pafst auf diefen weder das .wollte'
noch das ,neuerdings', aber trotzdem wird kein Anderer

bestehe eine Art ,präflabilirter Harmonie', vermöge
deren die Wirkungen auf die eine Welt ,stets die andere
in Mitleidenfchaft ziehen', beruhe (p. 34). Ref. ift diefen
Gegengründen gegenüber um fo empfindungslofer. als in
diefer Alles überfliegenden Speculalion des Col. Br. der
Hauptpunkt der paulin.Verföhnungslehre(Verurtheilung
der Sündenmacht im Fleifche durch den Eintritt Chrifti
in die öapg aj/agziaq, Rom. 8,3, m. a. W. durch feine

gemeint fein. Denn Verfchuir's Opuscula (ed. Joh. Anth. 1 organifche Verknüpfung mit der Me n fchh eit und in sfecte
Lotze, Traj. ad Rh. 1810) enthalten in der That zu ' mit feiner Gemeinde) völlig aufgegeben erfcheint. Ad b)
I. Theff. 3, 3 die erwähnte Conjectur, wenn auch nicht mufs Verf. eine auffällige .Andersartigkeit' des Col. Br.
als Eigenthum des Verfaffers. Herrn. Venema (* 1697, | in lexicalifcher, ungleich mehr aber in ftiliftifcher Hin-
f 1787), ein Onkel Verfchuir's, hatte am Rande feines j ficht zugeben, und er erklärt es für merkwürdig, dafs der
Handexemplars des NT. eine Anzahl Conjecturen notirt:
daher flammt u. a. auch das pnöev aßalvtßd-ai. Hieran
hatte übrigens fchon Reiske gedacht, vgl. van Manen,
Conjecturaal-Kritiek (1880) S. 317 f.

Zu den 8 Handfchriften-Tafeln der erften Auflage find
jetzt zwei hinzugekommen: ein Facfimile aus der armenischen
Hf. von Etfchmiadzin mit der Beifchrift ,Arifton
Eritzou' hinter Mc. 16, 9 und eine Seite aus der Minuskel
Ew. 274 mit dem kürzeren Marcusfchlufs am unteren Rande.

Leipzig. O. v. Gebhardt.

Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament,

begründet von Heinr. Aug. Willi. Meyer, 8. und 9. Abth.
Die Gefangenfchaftsbriefe, neu bearb. v. Konfift.-Rath
Prof. Dr. Erich Haupt. 7. bezw. 6. Aufl. Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht, 1897. (VI, 104, 212, 259
und 196 S. gr. 8.) M. 10.—; geb. M. 11.50

Hieraus einzeln: Einleitung, M. i. 1.80. — Kolofier — Phile-
monbrief. M. 3.—. — Epheferbrief. M. 3.60. — Philipperbrief. M. 2.60.

In einem dicken Bande von nahezu 800 S. behan- 1 ^ r«»..^ *n«»iM.i.u.ls ^. /3 — —

delt hier der bekannte Halle'fche Gelehrte in 7., bezw. fo weniger eine durchfchlagende Kraft ausgeht, als

(z. B. ganz der Folgerungspartikeln öiozi u. f. w. entbehrende
) Brief .überhaupt nicht in der Art dialektifchen-
Charakter zeigt wie die grofsen Briefe desP.'(p.3i), obgleich
doch ,eine dialektifche Zurückweifung der Irrlehrer-
Behauptungen und fpeciell eine ausgiebige Verwerthung
des pneumatifch verftandenen A. T. hier ebenfo möglich
gewefen wäre' (p. 37). Die Berufung auf die .Irrlehrer
erklärt alfo die ganz andersartige Methode der Beweisführung
nicht, fondern Hilfe bringt hier nur c) die Herbeiziehung
des demColoffer-eigenthümlich verwandten Ephefer-
briefes, bzw. die Feftftellung der Thatfache einer beiden
Brr. gemeinfamen und aus einer eigenartig neuen Situation
.innerer Erlebnifse' undStimmungen erwachfenen Gedanken
-Sphäre (p.37. 79). Denn rein auf fich geftellG
unterliegt nach H. auch desEphefer-Briefes Echtheit m
ftiliftifcher, lexicalifcher und fonftiger Hinficht fo fchweren
Bedenken (vgl. p. 60 ff. u. p. 69—74), dafs feine paulinifch
e Abfaffung nur dann mit Sicherheit behauptet
werden kann, ,wenn jene fprachliche' Eigenart bei -
pfychologifch irgendwie begreiflich gemacht werde
kann' (p. 60). Und diefer Begreiflichmachung gilt nU
die lange Ausführung auf S. 75—86, von der aber «