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Ausgabe:

1899 Nr. 25

Spalte:

679-680

Autor/Hrsg.:

Ramsay, W. M.

Titel/Untertitel:

Was Christ born at Bethlehem? 1899

Rezensent:

Schürer, Emil

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679

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 25.

680

Ramsay, W. M., M. A., D. C. L., Was Christ born at
Bethlehem? A Study on the Credibility of St. Luke.
New York, Putnam's Sons, London, Hodder and
Stoughton, 1898. (XII, 208 S. 8.)

Den Kern diefes Buches bildet eine Erörterung über
den Cenfus des Quirinius. Was darüber getagt wird,
ift aber im Wefentlichen vom Verf. fchon im Expositor
1897, April S. 274—286 und Juni S. 425—435 dargelegt.
Er zieht zur Vertheidigung des Lucas die ägyptifchen
Papyrusfunde heran. Diefe geben höchft intereffante Auf-
fchlüffe über die in Aegypten in der römifchen Kaifer-
zeit üblichen, alle 14 Jahre wiederkehrenden Aufnahmen
der Bevölkerung, äjioyQacpcd. S. darüber: Kenyon,
Classical Review 1893, Wilcken, Hermes XXVIII, 1893,
S. 230—251, Viereck, Philologus LH, 1893, S. 219—247.
Hiernach nimmt Ramfay auch für Syrien eine 14jährige
Aufnahme der Bevölkerung an, und zwar foll eine folche
in das J. 8 vor Chr. und eine andere in das J. 7 nach
Chr. fallen. An beide foll fich je ein Cenfus zum Zweck
der Befteuerung angefchloffen haben. Dies alles ift
höchft problematifch, ja unwahrfcheinlich. Denn die
ägyptifchen Papyri beweifen für Syrien gar nichts, und
ein römifcher Cenfus in Paläftina zur Zeit des Herodes
bleibt nach wie vor fehr unwahrfcheinlich. Aber zugegeben
, man könnte bis hierher dem Verfaffer zuftimmen,
die Cardinal-Frage ift doch die: ob Quirinius fchon
zur Zeit des Herodes Statthalter von Syrien war
und als folcher einen Cenfus in Judäa vorgenommen
hat? Nur wenn dies fich als wahrfcheinlich
oder möglich erweifen läfst, ift die Notiz des Lucas gerettet
. Die Bemühungen Ramfay's in diefer Hinficht
(S. 227 ff.) find aber nicht glücklicher, als die aller früheren
Apologeten. Der harte Knoten ift hier die durch Jo-
fephus und die Münzen zweifellos bezeugte Thatfache,
dafs die beiden letzten fyrifchen Statthalter aus der Zeit
des Herodes C. Sentius Saturninus (9—6 vor Chr.)
und P. Quinctilius Varus (6—4 vor Chr.) waren,
und zwar folgte Varus unmittelbar auf Saturninus und
war noch nach dem Tode des Herodes im Amte.
Dies alles kann auch Ramfay nicht beftreiten. Er meint
aber, dafs die Gewalten eine Zeit lang getheilt waren:
Saturninus, refp. Varus habe die innere Verwaltung von
Syrien gehabt, während gleichzeitig dem Quirinius das
militärifche Commando übertragen war, S. 238 : that the
foreign relations of Syria with the command of its ar-

viies were entrusted for a time to Quirinius.....while

the internal administration of the province was left to
Saturninus or to Varus (according to the period sahen we
place the mission of Quirinius). Hierbei bleibt es jeden-
falls recht merkwürdig, dafs Lucas den Cenfus gerade j
nach demjenigen Statthalter datirt, der mit der inneren [
Verwaltung von Syrien nichts zu thun hatte, nämlich j
nach Quirinius. Weshalb nennt er nicht Sarturninus oder j
Varus ? Ramfay weifs auch darauf eine Antwort S. 246:
Quirinius ruled for a shorter time than Varus, and he
controlled the foreign relations of the province, hence he
furnished the best means of dating. Man mufs
recht genügfam fein, um fich bei einer folchen Antwort
beruhigen zu können. Die ganze Combination fcheitert
aber, abgefehen von diefer Seltfamkeit und von ihrer
ftaatsrechtlichen Unmöglichkeit, vor allem an dem klaren
Wortlaut des jofephus und des Lucas. Denn der eine
bezeichnet ebenfo deutlich den Varus als Statthalter, wie
der andere den Quirinius. Wer dem Wortlaut des Lucas
gerecht werden will, mufs nachweifen, dafs Quirinius zu
der fraglichen Zeit eigentlicher und alleiniger Statthalter
von Syrien war. Das hat auch Ramfay's Kunft nicht zu
leiften vermocht.

Anhangsweife reproducirt R. auch noch einen Artikel
aus dem Expositor 1896, Sept., über die cohors Italica, an
deren Schlufs er auch auf meine Nachweifungen über
die cohors Augusta zu fprechen kommt. Letztere glaubt

er durch einen Hinweis auf Mommfen's ungünftiges Ur-
theil abthun zu können. Ich habe indeffen fchon im
Expositor 1896 Dec. (!) gezeigt, dafs Mommfen's Urtheil
auf einem fchlimmen Verfehen beruht, indem er mir
eine ganz andere Meinung zufchreibt, als ich wirklich
vorgetragen habe. Das hindert aber Ramfay nicht, feine
hämifchen Bemerkungen vom Sept. 1896 im J. 1898 noch
einmal abdrucken zu laffen

Göttingen. E. Schürer.

Cremer, Prof. D. Herrn., Die paulinische Rechtfertigungslehre

im Zufammenhange ihrer gefchichtlichen Voraus-
fetzungen. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1899. (X, 448S.
gr. 8.) M. 6.75; geb. M. 7.50

Das Motto diefes Buches würde am beften lauten:
,Wo ein Wille ift, da ift auch ein Weg'. Der Wille des
Verf. geht dahin, zu zeigen, dafs in der ganzen Bibel
von Anfang bis zu Ende die paulinifche Rechtfertigungslehre
vorgetragen werde, oder, wie es im Vorwort heifst:
,dafs die paulinifche Recht fertigungspredigt
thatfächlich die ganze Schrift für fich habe'.
Der Weg zu diefem Ziele ift allerdings mit einigen
Schwierigkeiten verzäunt. Aber der Muth des Verf.
fchreckt davor nicht zurück. Dem Zweck des Unternehmens
entfprechend handeln zwei Drittel des Buches
nicht von der paulinifchen Rechtfertigungslehre, fondern
von den ,gefchichtlichen Vorausfetzungen' derfelben
(S. 1—294). Erft das letzte Drittel ift dem paulinifchen
Evangelium gewidmet (S. 295—448).

Abfchnitt I behandelt die altteftamentlichen Vorausfetzungen
(S. 6—94). Die Gerechtigkeit Gottes, welche
das Heil herbeiführt, ift auch im Alten Teftament als
richterliche gedacht, nicht (wie Dieftel, Ritfehl und
H. Schultz fagen) als die Folgerichtigkeit des göttlichen
Handelns, welche dem Gerechten oder Frommen
die Erreichung des Heilszieles gewährleiftet (S. 19). Sie
ift ,die auf den Schutz der gerechten Sache gerichtete
Art der Selbftbethätigung Gottes' (S. 24). Sic
ift eine ,richtende und dadurch, nicht etwa trotzdem
heilbringende' (S. 24 f.). Denn ,das Gericht über
Israels Dränger ift ein Gericht, durch welches die Gerechtigkeit
Gottes Israel Recht fchafft und dadurch Heil
giebt' (S. 26). Object diefer richtenden und dadurch
heilbringenden Gerechtigkeit Gottes ift der Gerechte
(S. 43 ff.). Ihm fchafft Gott eben Recht gegenüber den
Gottlofen. Aber der Begriff p*BJS fchliefst nicht aus,
dafs der Betreffende gefündigt hat und der Vergebung
bedarf (S. 47). Die Gerechtigkeit des Sünders ift die,
dafs er im Unterfchied von feinen gottvergeffenen, treu-
lofen Bedrängern Gott fürchtet, an Gott fefthält, dafs er
auf Gott vertraut und auf feine Verheifsungen hofft
(S. 48). Aus dem yoi wird ein p"HX durch Sinnesänderung
, durch Bekehrung (S. 52); diefe Sinnesänderung ift
aber nicht fittliche Wiedergeburt, wie S. 51, 54 in abermaliger
Polemik gegen Ritfehl betont wird, fondern
,Furcht Gottes und Vertrauen auf feine Verheifsungen,
Erkenntnis und Bekenntnis der Sünden und völlige Unterwerfung
unter Gottes Gefetz' (S. 54). ,Alfo: das Heil
kommt durch die richtende Gerechtigkeit Gottes für den
Gerechten als Vergeltung feiner Gerechtigkeit und Offenbarung
feiner gerechten Sache und rechtfertigt ihn. Der
Recht hat, bekommt Recht. Recht aber hat der Gerechte-
nicht, weil er fittlich fehllos ift, fondern feine gerechte
Sache ift feine Furcht Gottes, die Erkenntnis und das
Bekenntnis feiner Sünden, feine Beugung unter das Gericht
Gottes, fein Fefthalten an Gott und Gottes Gefetz
unter einem Volke, welches alles Recht mit Püfse»
tritt' (S. 69).

Man wird diefen Ausführungen in weitgehendem
Mafse zuftimmen können, nur mit dem dreifachen
behalt: 1. dafs dies doch nur eine Gedankenreihe in»