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Ausgabe:

1899 Nr. 25

Spalte:

676-678

Autor/Hrsg.:

Köberle, Justus

Titel/Untertitel:

Die Tempelsänger im Alten Testament. Ein Versuch zur israelitischen und jüdischen Cultusgeschichte 1899

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 25.

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Nichtbefolgung des Deut.s fei, mancherlei Umbiegungen
des Textes von R1 und fteht unter dem Einflufse Deut.-
Jefajas. Einzelne Zufätze gehören der Zeit des Priefter-
codexes an. Gewiffe Differenzen zwifchen LXX und Maf.
Text laffen fich nur fo erklären, dafs fpäteren Gloffato- 1
ren die von den Redactoren benützten Quellen theil-
weife noch zugänglich waren. Im Allgemeinen deckt
fich alfo Benz.'s Quellentheorie mit der jetzt traditionell
kritifchen. Aus dem Quellenbeftand der Königsbücher
folgt dann für den Hiftoriker die Pflicht, bei einem
Entwurf der Gefchichte jener Zeit, foweit diefer auf die
Königsbücher felbft als Quelle angewiefen ift, die Glaubwürdigkeit
des in I und II Kön. Berichteten lediglich
durch innere Kritik von Fall zu Fall zu entfcheiden. Das
warnt fchon von felbft, den Werth der Quellenanalyfe zu
überfchätzen! Eine tabellarifche Ueberficht über die ver-
fchiedenen Quellen im Einzelnen, wie fie Holzinger in
feinem trefflichen Genefis-Commentar giebt, fehlt leider
bei Benz, und erfchwert fo den praktifchen Gebrauch
feiner fleifsigen Arbeit. In der Quellenfcheidung felbft
ift Benz, im Allgemeinen vorfichtig, zuweilen bekommt
man freilich den Eindruck, als gefeile fich Benz, zu den
a.t.lichen Quellenkritikern, die das Gras wachfen hören! !
Im Einzelnen möchte ich hier noch kurz Folgendes bemerken
. Wenn, wie Benz, mit anderen glaubt, der Erzähler
von I Kön. I für Adonia Partei nimmt, warum
gebraucht er dann für deffen Vorgehen, um fich die
Thronfolge zu fichern, den Ausdruck NtoSFitt 1,5, der
doch den Beigefchmack des Unerlaubten hat? Zu dem
Befuch der Königin von Saba bei Salomo I 10, 1 — 13
fagt Benz. ,der legendarifche Charakter der Erzählung
ift augenfällig'. Trotzdem kann ihr wohl ein hiftorifcher J
Kern zu Grunde liegen f. E. Meyer, Gefch. d. Alterthums 1
I §403 und Kittel, Gefch. d. Hebräer II, S. 163. Sowohl
bei diefer wie bei anderen Gefchichten, befonders bei den |
Wundererzählungen über Elia und Elifa,macht Benz, fich |
die Sache etwas leicht, indem er die legendarifche Natur
einfach behauptet, eine deutliche Hervorhebung aber
deffen, was eigentlich legendär oder, wie z. B. in den
Elia-Erzählungen, mythologifch ift, meift unterläfst. Dafs
die von Elifa selbft, bzhw. in feinem Namen vollzogene
Salbung Hafaels u. Jehus II 8,7 ff 9,1 ff erft eine (lite-
rarifche) Nachbildung von Parallelberichten über Elia
I 19,15 f fei, ift zu beanftanden, eher das Gegentheil dürfte
zutreffen. Die Uebertragung von Elifa-Gefchichten und
Legenden auf Elia ift nach dem Grundfatz erfolgt, den
Benz, felbft S. 83 an anderer Stelle billigt, dafs nämlich dem
berühmteren Namen (hierElia) Anekdoten und Gefchichten
des weniger berühmten (hier Elifa) zuwachfen. Verftehe
ich Benz, recht, fo gilt ihm überhaupt die Salbung Jehus
durch einen Prophetenjünger als ungefchichtlich.
Der Hiftoriker wird hier wie noch bei manchem anderen
Machtfpruch Ben z.'s ein berechtigtes Fragezeichen fetzen.
Mit Dank zu begrüfsen ift, dafs Benz, nach Winckler's
Vorgang die LXX näher zu der Erzählung über die
Losreifsung Edoms von Salomo I 11,14—22 heranzieht
und damit werthvolles Material zu einer gleichzeitigen Gefchichte
über den Abfall Midians von Salomo gewinnt.
Ebenfo giebt LXX zur Jerobeamgefchichte wichtige Beiträge
S. 97 f. Erfahren wir doch auch erft aus LXX die
intereffante Notiz, dafs Salomo Bergwerke im Libanon
anlegte S. 85. Einleuchtend ift mir, dafs I 10,28 und II
7,6 mit D'nSH nicht Aegypten, fondern vielmehr das
nordfyrifche Reich Musri gemeint ift — fo Benz, nach
Winckler. Sehr plaufibel ift der von Benz, adoptirte
Vorfchlag Winckler's, den Doppelbericht II 18,13—19,8
und 19,9—37 auf zwei verfchiedene Züge Sanheribs nach
dem Welten, der erfte i. J. 701, der andre gegen 681,
zu beziehen. Befonders mache ich endlich hier noch
aufmerkfam auf die vonWinckler beigegebene Gefchichts-
tabelle S. 201 ff, die über die wichtigften Ereignifse aus der
Gefchichte Affyriens, Babyloniens, Aegyptens und Syriens
während der Königszeit in anfchaulicher Weife unterrichtet.

Als ein empfindlicher Mangel macht fich in Benz.'s
Commentar das Zurücktreten des religionsgefchichtlichen
Elementes bemerkbar. Markanteftes Beifpiel hierfür ift
die Elia-Gefchichte. Ich behaupte, dafs der Student bei
der Lektüre des Abfchnittes nicht nachfühlen wird, dafs
er hier einem der gröfsten religiöfen Helden der Bibel
gegenüberfteht! Schade, dafs Benz, hier nicht den hübschen
, wenn auch etwas effecthafcherifchen Auffatz feines
Collegen Gunkel (d. Prophet Elias, Preufs. Jahrbb. 1897
Bd. 87 S. 18—51) zur Belebung der Exegefe benützt hat.
Aus dem ganzen Commentar erhält man den Eindruck,
dafs ,biblifche Theologie' nicht gerade das Lieblingsfach
oder die ftärkfte Seite von Benz. ift. Oder meint Benz.,
religionsgefchichtliche Erklärung fei nicht Aufgabe eines
Commentars, fondern eines Lehrbuches für biblifche Theologie
, fo begreife ich nicht, dafs er an einem Sammelwerke
mitarbeitet, das laut Ankündigung von den Vertretern
einer religionsgefchichtlichen Auffaffung des A.
T. hergeftellt wird!

Die Einzelerklärung ift gewandt und knapp und unter-
fcheidet fich in letzter Hinficht vortheilhaft von der
Weitfchweifigkeit des in der gleichen Sammlung erfchie-
nenen Hefekiel-Commentars von Bertholet. Zu II 16,14
wäre eine Auseinanderfetzung mit Smith (Rel. d. Semit.
S. 289) willkommen. Ein claffifches Beifpiel dafür, dafs
auch Benz, fich nicht von der üblichen exegetifchen Methode
freigemacht hat, ift das erfte harmlofe 11 1,1, dem im Zu-
fammenhang mit hiftorifchen Erörterungen 3 Zeilen Raum
in derExegefe gewidmet find! Die Polemik gegen gewiffe
Auswüchfe u. Schrullen der Kloftermann'fchen Textkritik
(z. B. S. 14. 48. 114 u. ö.) ift fachlich richtig, befremdet
aber doch durch ihren fcharfen Ton, da Benz.»
Commentar fattfam bekundet, wie viel die an den Königsbüchern
geübte Textkritik dem Scharffinn Klofter-
manns zu danken hat. Auch fonft hätte ich für die Ein-
zelexegefe noch manches zu bemerken, was aber hier
lieber zurückgeftellt fein foll. Nur ein principielles Bedenken
möchte ich nicht unterdrücken. Da die Com-
mentare der Marti'fchen Sammlung fich thunlichft an
Kautzfehens Ueberfetzung des A. T. anfchliefsen
follen, ift zu verwundern, dafs die vielen textkritifchen
Bemerkungen, in denen Benz, mit Kamphaufen, dem
Bearbeiter der Königsbücher bei Kautzfeh, zufammen-
trifft, in dem Commentar wiederholt werden und nicht einfach
auf die textkritifchen Erläuterungen bei Kautzsch
verwiefen ift. Durch ihre Weglaffung hätte der Commentar
billiger gemacht, bezw. Raum für Anderes ge-
fchaffen werden können.

Trotz der betonten Mängel, die befonders das religionsgefchichtliche
Gebiet betreffen, will ich zum Schluf»
gern hervorheben, dafs Benz.'s Commentar, aus dem ich
felbft gar Manches neu gelernt habe, uns um ein gutes Stück
in der Erklärung der Königsbücher vorwärts bringt und
dem Studenten als ein fehr nützliches Buch zur hiftori'
fchen und literargefchichtlichen Einführung in die Königsbücher
mit gutem Gewiffen empfohlen werden kann.
Dank dem Ueberflufs an a.t.lichen Lehrbüchern für Gefchichte
und Religion Israels ift ja dafür geforgt, dafs def
junge Theologe die bei Benz, vorhandenen Lücken au»
anderen Werken leicht ergänzen kann.

Halle a. S. Georg Beer.

Köberle, Repet. Lic. Justus, Die Tempelsänger im Alte"
Testament. Ein Verfuch zur israelitifchen und jüdifchen
Cultusgefchichte. Erlangen, F. Junge, 1899. (Vl'Ir
205 S. gr. 8.) M. 3--~

In vier Abfchnitten Hellt der Verf. die Verhältnisse
und die Gefchichte der Tempelfänger im A. T. dar. Der
erfte mit der Ueberfchrift: ,Bis zur Rückkehr aus dein
Exil' kann nur Vorbemerkungen zur Gefchichte des Ge^
fanges überhaupt bieten, Von Tempelfängern ift vor de