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Ausgabe:

1899

Spalte:

652-655

Autor/Hrsg.:

Corssen, Peter

Titel/Untertitel:

Zwei neue Fragmente der Weingartener Prophetenhandschrift nebst einer Untersuchung über das Verhältnis der Weingartener und Würzburger Prophetenhandschrift 1899

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 24.

652

geordneten, natürlich eo ipso unvollkommenen Präfigura- j Männer Hiskia's haben, wie trotz der Berührungen zwi

tionen. Die Ueberfchwänglichkeit des Pfalmiften erweift
fich im Lichte der Erfüllung als vom Geifte Gottes gewirkt
und providentiell'. — Oder S. 160 f. zu rf 73:
,"inst v. 24: wenn deine Führung ihr Ziel erreicht haben
wird, alfo nach diefem Leben'. ,v. 24 fr. zeigen den Weg
an, auf welchem die altteftamentliche Frömmigkeit dazu
kam, auf ihren Höhepunkten felbft über Tod und Scheol
zu triumphiren: man hätte nicht verfuchen follen, den
allerdings gewaltigen Satz, „in Herrlichkeit wirft du
mich aufnehmen", kritifch zu befeitigen oder ihn abzu-
fchwächen'.

Der Commentar ift bisweilen fo kurz gehalten, dafs
er feinen Benutzern fchwerlich zum fachlichen Ver-
ftändnifs verhelfen wird, z. B. xp 16,5 f. Vgl. jetzt Buhl,
Die fozial. Verh. d. Israeliten, S. 58. Oder xp 74,12fr. Vgl.
Gunkel, Schöpfung und Chaos, S. 41 ff. Intereffant war
mir noch zu xp 18, dafs K. v. 32—51 als einen befon-
deren Haupttheil anfleht, v. 1—31 mufste er aber dann
m. E. als Einen Theil — nicht als zwei — bezeichnen,
in welchen v. 8—16 die Theophanie hineingearbeitet ift.
Näheres in Thenius-Löhr, Samuel-Kommentar, S. 196 ff.

2. Strack nimmt in feiner Erklärung der Sprüche
Salomo's die Beftandtheile des Buches an, die gewöhnlich
angenommen werden: Einleitende Reden (ER) c. 1
— 9. Erfte Sammlung von Sprüchen Salomo's (S. I)
c. 10—22,16. Zwei Anhänge zur erften Sammlung (Anh.
I. II.) c. 22,17 — 24,22. 24,23—34. Zweite Sammlung von
von Sprüchen Salomo's (S. II) c. 25—29. Drei Nachträge,
c. 30. 31,1—9. 31,10—31. — Bezüglich der Entftehung des
Spruchbuches bis c. 29 einfchliefslich, giebt er S. 7 folgendes
Bild: Erfte Phafe, a) 10—22,16, eine in der guten
Königszeit, vielleicht fchon unter Jofaphat, von einem
israelitifchen Weifen zu Nutz und Frommen der Uner-
wachfenen veranftaltete Lefe für feinen Zweck geeigneter
Sprüche Salomo's. Die Autorfchaft Salomo's wird be-
wiefen durch Reg. et 5,9—13. Durch die Ueberfchriften
des Verf. von ER, die von 10,1 und 25,1. Durch Form und
Inhalt. Dürfte das aus Reg. a 5,9 ff. entnommene Argument
fchon zu Bedenken Anlafs geben, fo noch mehr
der Inhalt mancher Sprüche. Im Munde eines orien-
talifchen Defpoten dürften Urtheile über das Königthum
wie 16,12 ff., oder über das Glück einer monogamifchen
Ehe wie 19,14 doch auffallend fein. Noch mehr aber find
es Worte wie 15,8. 21,3, die die prophetifche Anfchauung
über den Opferdienft vorausfetzen, oder Sätze wie 14,21.31,
welche an die focialen Ausgleich-Beflrebungen des Dt.
erinnern. St. räumt nun zwar, befonders in Rückficht
auf die häufigeren Wiederholungen ein, dafs S. I in der
vorliegenden Geftalt nicht von Salomo felbft herrühre,
und dafs weiter S. I auch Nachfalomonifches enthalte.
Dazu rechnet er aber die oben angeführten Stellen ausdrücklich
nicht, meint vielmehr, im Einzelnen werde fich
nicht mehr beftimmen laffen, welche Sprüche nachfalo-
monifch find. Umgekehrt dürfte vielleicht die Möglichkeit
urfprünglichen falomonifchen Gutes anzuerkennen, von
diefem aber zu behaupten fein, dafs es im Einzelnen nicht
mehr zu conftatiren ift. — b) Vielleicht fchon von dem-
felben Sammler ftammt der erfte Anhang 22,17 — 24,22.
Er foll zeigen, dafs ebenfo wie Salomo auch andere Weife
des Volkes fich geäufsert haben. — c) Erft nach Hiskia
(weil abhängig von Hiob), aber ohne S. II zu kennen,
gab ein Weisheitslehrer S. I + Anh. II heraus, mit Vor-
anftellung der von ihm verfafsten ER. Durch diefe Annahme
wird die Folge S. I Anh. II zwar beffer erklärt
als bei Frankenberg, Einl. zu feinem Comm. S. 9, dagegen
fcheint 1,1—6, die Ueberfchrift von ER, welche St.
doch als urfprünglichen Beftand von c. I—9 anfleht, be-
ftimmt die ganze Sammlung, mindeftens bis c. 30 incl.
vorauszufetzen, eine für die gefammte St.'fche Hypothefe

fchen S. I und S. II, anzunehmen ift, S. I gekannt; ,fonft
würden fie eine viel gröfsere Anzahl von Sprüchen aus
S. I aufgenommen haben'. Uebrigens ift in S. II mehr
Nachfalomonifches enthalten, als in S. I. S. II führt die
bekannte Ueberfchrift: Auch diefes find Sprüche Salo-
mos welche gefammelt haben die Männer Hiskias. An
der Hiftoricität diefer Nachricht glaubt St. mit Recht
trotz des Schweigens des Chroniften nicht zweifeln zu
follen. Ferner hält er diefe Worte 25,1 für urfprünglich,
nicht von einem R herftammend. Wie immer man fich
hierüber entfeheiden mag, das ,auch' beweift doch wohl
mindeftens, dafs c. 25—29 an 10,1—22,ie unmittelbar an-
gefchloffen worden ift, wieder eine verhängnifsvolle
Schwierigkeit für St.'s Entftehungshypothefe. b) ,Ein
Späterer hängte an ER -f- S. I -f- Anh. I an S. II, doch
fo, dafs er auf Anh. I erft noch eine zweite kleine Sammlung
von Sprüchen Weifer 24,23—34 folgen liefs, wohl
um diefe Sprüche, die, vereinzelt bleibend, leicht in Ver-
geffenheit gerathen konnten, für die Zukunft zu erhalten'-
— Diefe Sammlung erhielt in c. 30. 31,1—9. 10—31 noch
drei Nachträge.

Im Commentar begegnet uns die zuverläffige philo-
logifche Arbeit, wie wir fie von St. gewöhnt find. Mit
Recht giebt er auch bei diefem Buche des A. T dem
MT vor LXX im Grofsen und Ganzen den Vorzug. In
fachlicher Beziehung ift diefer Commentar wie der vorher
befprochene, namentlich für unfere Studenten, bisweilen
etwas zu kurz gefafst: zu 6,1 ff. war eine eingehendere
Behandlung des ja gerade in Prov. viel erwähnten
Bürgfchaftleiftens m. E. am Platze. Zu 16,11
war neben dem Betrug des Verkäufers durch falfches
Gewicht, wogegen fchon Am. 8,5 u. a. Propheten-Stellen,
Dt. 25,13 ff, Lev 19,36, fehr angemeffen auf den des Käufers
,fchlechte Waare'l 20,14 zu verweifen. Zu 18,8 möchte
ich fragen, ob nicht Qi^ribriTaD ein durch das kurz vorhergehende
mübnzjb bewirkter lapsus calami ift für
O^natOS vgl. Neh 8,10. Job 20,12. Erft nach erfolgter
Textentftellung, die übrigens LXX fchon vorausfetzt,
wäre die Wiederholung 26,22 gemacht.

Breslau. Max Lohr.

Corssen, Peter, Zwei neue Fragmente der Weingartener
Prophetenhandschrift nebft einer Unterfuchung über das
Verhältnis der Weingartener und Würzburger Pro-
phetenhandfehrift. Berlin, Weidmann, 1899. (VI, 51 S-
4.) M. I.-

Die Vulgata weift über fich hinaus auf die altlateim-
fchen Bibelüberfetzungen. Hier liegen Probleme von
einer reizvollen Verworrenheit, welche doch erft das rechte
Licht auch auf fo manche Frage der Textgefchichte der
Vulgata zu werfen verfprechen. So begreift fich feht
wohl, dafs ein um diefe fo eifrig bemühter Forfcher Wie
Corffen neuerdings fich mehr und mehr der Vetus La*
tina zuwendet1). Mit Freuden begrüfsen wir die vorliegende
Studie, welche ein würdiges Seitenftück zu den
bekannten Programmen des Verfaffers über die graeco-
latinifchen Handfchriften der Paulusbriefe bildet2).

Den Anlafs zu derfelben bot die Entdeckung zweier
Seiten der fo traurig zerftörten und zerftreuten We,n'
gartener Prophetenhandfchrift, welche deren hochverdientem
Bearbeiter E. Ranke entgangen waren und von

1) Hier fei auch auf Corffen's vorzüglich orientirenden ,Bericht .
die lateinifchen Bibelüberfetzungen' in dem Jahresberichte Uber die *

fchritte der claffifchen Alterthumswiffenfchaft CI, 1899 II, hingewiefen-

2) Dafs auch in unferem Falle ein Programm vorliegt, wie man,k-ur
S. 11 A 1 erfahrt, hätte wohl auch vorne bemerkt fein können,
aus der RUckficht auf eventuelle Lefer eines Progranimes unt1.r. ,ung
verhängnTf^vM ! ^«e™ vermag ich mir auch die Bemerkung• »berQgJ*™»0^

TTP, . . , ' . 1 (S. 18) zu erklaren, welche aus dem hochwiffenfchaftlicneii 1«"'- *. ,

von HlSkia etngeietzte Commiffion brachte eine zweite : herausfällt; wer fich bis hierher durchgearbeitet hat, wird einer folen

Lefe von Sprüchen Salomo's zu Stande, c. 25—29. Die Belehrung kaum mehr bedürfen.