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Ausgabe:

1899 Nr. 21

Spalte:

593-596

Autor/Hrsg.:

Steinmann, Theophil

Titel/Untertitel:

Der Primat der Religion im menschlichen Geistesleben 1899

Rezensent:

Elsenhans, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 21.

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praesentatumK fondern durch .productum' aufzulöfen fei. liehen Chriflenthum gewefen fei), fofern fie das ganze

«w ift zu diefer Auffaffung dadurch gekommen, dafs ganz
vereinzelt neben dem durch ein ,Empf.' bezeichneten
Einlauftermin die Verlefung im Rath durch ein ,pr.' bezeichnet
ift. Indefs der verallgemeinernde Schlufs hieraus
)ft nicht zuläffiig. Abgefehen davon, dafs die Verlefung
jm Rath ja auch als eine Präfentation bezeichnet werden
konnte, fprechen dagegen folgende Thatfachen: Dafs die
Gefandten den Empfangstermin der Briefe des Rath.es
ihrerfeits unterfchiedslos durch ein vorgefetztes ,Empf.'

o------"

Wefen ausfüllt nur bei irgend welcher Abkehr von den
mannigfaltigen Intereffen des Weltlebens; fodann handelt
es fich bei der Gemeinfchaft mit Gott um eine fittliche
Gemeinfchaft mit einem tittlichen Wefen. Die letztere
befleht jedoch nicht etwa blofs im Vertrauen, das mit der
Vorftellung von einem rein äufserlichen Nebeneinander
Gottes und des Gläubigen verbunden fein kann
und dann eine Verflachung der chriftlichen Gottesgemein-
fchaft darflellt, fondern in einem ganz anderen Gefühl

oder ,pr.' vermerken; dafs von zwei gleichzeitig einge- j der Gotteinigkeit, in einem ,in Gott felbft Ruhen
lieferten Briefen der Gefandten der eine den Vermerk j ,Das alles ift aber himmelweit verfchieden von Pantheis

mus. Der chriftlich Gläubige weifs nicht eine natur-
machtartige Potenz in fleh wirkfam, (ondern den heiligen
und liebenden Gotteswillen, er verfinkt nicht in einer
unendlichen fülle des Seins, fondern fühlt fleh um-
fchloffen von einem unendlichen Erbarmen; er verliert
fich nicht in unausfprechliche Stimmungen und Ahnungen,
fondern fühlt gerade das, was in ihm zu beftimmter
Steinmann Th, Der Primat der Religion im menschlichen Geftaltung eines Gott wohlgefälligen Lebens heranwächft,
Geistesleben. "(Bericht des theologifchen Seminariums '
der Brüdergemeine in Gnadenfeld von den Stud.en-

.Empf.', der andere ,pr.' trägt (vgl. Nr. 288 u. 289); dafs
die Verlefung im Rath gewöhnlich durch Rectum' bezeichnet
wird, vor allem aber Angaben wie: ,pr. lune p.
Galli h. 12 me dia noetc'. (Vgl. I Nr. 809).
Weimar. H. Virck.

jähren 1897/98 und 1898/99, hrsg. von Dir. P. Kolbing
.) Leipzig, F. Janfa, 1899. (VIII, 120 S. gr. 8.)

M. 1.50

Der Jahresbericht des Directors, welcher der vorliegenden
Abhandlung vorausgeht, verdient als authen

als das gnädige Wirken einer höheren Macht in fich'
(S. 17 f). Auch das fittliche Handeln des Frommen in
der Welt und auf die Welt wird alfo nicht fowohl den
Zweck haben, in diefer Welt als felbftändiger Gröfse alles
mögliche Werthvolle zu Stande zu bringen oder diefe
Welt als eine felbftändige Gröfse irgend wie zu fördern,
fondern an jedem Einzelpunkt des Lebens in diefer Welt
womöglich über diefe Welt hinauszuführen zu Gott und

tifcher Beitrag zur Charakteriftik der gegenwärtigen theo- | feiner Gemeinfchaft.
logifchen Lage "zuerft kurze Erwähnung. Es handelt Da aber diefem Herrfchaftsanfpruch der Religion

fich um das Eindringen der ,modernen Theologie' in j gegenüber die innerweltlichen Ideale der Sittlichkeit,
das Seminar der Brüdergemeine. Die Krifis war dadurch des Wiffens- und Wahrheitsftrebens, des künftlerifchen
verfchärft, dafs nicht, wie früher, hauptfächlich nur Theo- Verhaltens und der materiellen Culturarbeit ihren felb-
logtn, fondern auch weite Kreife von Nichtheologen in Händigen Werth und ihre Eigenart zu behaupten fuchen
tiefgehender Weife dadurch beunruhigt waren, fo dafs der und behaupten müffen, gerade wenn fie ihrem eigenen
Director fich äufsern mufs: ,Das Vertrauen der Ge- Ideale entfprechen wollen, fo ergiebt fich ein Conflict,
meine, in deren Dienft unfer Inftitut feine fo überaus deffen Löfung zu fuchen ift. Diefe liegt nicht darin,'
verantwortungsreiche Arbeit thun foll, drohte ihm ver- 1 dafs die Selbftändigkeit jener Gebiete etwa nur eine
loren zu gehen. Damit aber war fein Fortbefiand in relative wäre, fo dafs fie zu ihrer eigenen Vollkommen-
Frage geftellt' (S. IV). Aber die nach überaus lang- ' heit nur zu gelangen vermöchten mit Hilfe der Religion,
»ierigen Berathun°-en und heifsen Kämpfen erfolgte ' eventuell gar zu ihrer eigenen Exiftenz als wirklicher
künftige Entfcheidung der Synode der deutfehen Brüder- Macht im Menfchenleben der Religion irgendwie bedürften.

umtät vom Jahre 1897 übertraf alle noch in der Stille
gehegten Hoffnungen. Man hatte es nach offener Ansprache
,im Glauben gewagt, auf dem einen Grunde, der
gelegt ift, Chriftus, fich aufs neue mit dem Seminar zu
gemeinfamer Arbeit für die Brüderunität zufammenzu-
mhliefsen'. (S. V.)

.. Die beigegebene Abhandlung ift geeignet, die Gründ-
'ehkeit der wiffenfehaftlichen Arbeit im Seminar aufs
«eue zu bekräftigen.

Der Verf. geht aus von der Thatfache, dafs in der
modernen Culturwelt die neben der Religion felbftändig
fJeWordenen Gebiete menfehlicher Bethätigung, insbefon-
aere die wiffenfehaftliche, fittliche, künftlerifche und cul-
ürelle Thätigkeit ihren Eigenwerth und ihre Selbftändig-
e,t immer mehr zu behaupten gewufst haben und dafs
j.lefe ihre mühfam errungene Freiheit und Selbftändigkeit
g'ir von zahlreichen Vertretern der pofitiven Religion

In Beziehung auf die Sittlichkeit, wo diefer Gedanke am
nächften liegt, wird Graue ,Die felbftändige Stellung der
Sittlichkeit zur Religion' gegenüber gezeigt, dafs religions-
lofe Sittlichkeit keineswegs unvollkommen fein mufs.
Die Löfung ift auch nicht in dem von R. Seydel in
feiner Religiosphilofophie gemachten Verfuche gegeben,
fittliche, wiffenfehaftliche, künftlerifche und culturelle
Bethätigung abzuleiten von religiöfem Verhalten als letzte
Ausftrahlungen der centralen religiöfen Bewegung, als
Regungen eines religiöfen Grundtriebes; oder in der Poftu-
lirung eines Gottesglaubens vom fittlichen Bewufstfeiu
aus (gegen A. Dorner). Ein directes religiöfes Gottes-
verhältnifs (teilt fich vom fittlichen Bewufstfein aus nicht
ein, nicht einmal eine Gottesvorftellung.

Vielleicht aber gelingt es doch, irgend eine Annäherung
des fittlichen Bewufstfeins auf dem Wege feiner eigenen
Entwickelung an das religiöfe aufzuweifen, wenn wir auch

fnerkannt wird Andererfeits fei die für unfere gefchicht- < aut ein directes Einmünden des erlteren in letzteres follten
liehe Betrachtung zunächft in Betracht kommende chrifthehe verzichten müffen. Es ift denkbar, dafs das fittliche VerReligion
ihrem innerften Wefen nach Gemeinfchaft mit halten, und ahnlich vielleicht auch das Verhalten auf anderen
G°tt, und zwar eine Gemeinfchaft mit Gott, die nicht ge- Gebieten, zu einer der religiöfen verwandten Gefinnung
werthet werde nur als Mittel zu irgend welchem anderen oder Stimmung fich fortentwickeln kann. In der That
f^eck, fondern Selbftzweck fei. Für das Chriflenthum ; hegen hier die Punkte, an denen die religiöfe Geiftes-
ln feiner wahren Geftalt fei nicht Gott des Menfchen | Verteilung und diejenige anderer Gebiete des men fertigen
da fondern gerade umgekehrt der Menfch Gottes , liehen Verhaltens fich am nächften berühren. Es kommt
igen. Dies glaubt der Verf. den Verfuchen von Feuer- j zunächft in Betracht der allen den genannten inner-
bach, Ritfehl, Kaftan und anderen gegenüber nicht , weltlichen Gebieten - wenn auch in verfchiedener Ab-
energifch genug betonen zu können. Wie geartet ift j üutung — auf entfprechender Entwickelungshöhe eigene
nun aber diefe Gemeinfchaft mit Gott? Sie trägt einmal , Grundzug fe bftverleugender Hingabe an das Ideal und
e!°en eigenthümlichen, weitabgewandten Charakter, (der j demuthiger Unterordnung, die keinen anderen Werth der
nicht etwa nur ein vergängliches Moment am urfprüng- 1 eigenen Perfon kennt als den, dafs fie in den Dienft be-