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Ausgabe:

1899 Nr. 2

Spalte:

39-41

Autor/Hrsg.:

Die fünf Megillot. (Das Hohelied, das Buch Ruth

Titel/Untertitel:

die Klagelieder, der Prediger, das Buch Esther) erklärt von Karl Budde, Alfred Bertholet und G. Wildeboer 1899

Rezensent:

Löhr, Max

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39

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 2.

40

in der Gefchichte der Hexateuchkritik. Die theilweife
reactionäre Haltung gegenüber gewiffen neueren Quellen-
fcheidungsverfuchen beim Deuteron, wird im Lager der
ultra-confervativen Quellenkritiker vielleicht noch als
ein befonderer Vorzug des Werkes angesehen werden.

Halle a. S. Georg Beer.

Die fünf Megillot. (Das Hohelied, das Buch Ruth, die
Klagelieder, der Prediger, das Buch Efther) erklärt
von Prof. D. Karl Budde, Priv.-Doc. Lic. Alfred
Bertholet, und Prof. D. G. Wildeboer. (Kurzer
Hand-Commentar zum Alten Teflament. Hrsg. von
Prof. D. K. Marti. Abteilung XVII.) Freiburg i. B.,
J. C. B. Mohr, 1898. (XXIV, 202 S. Lex. 8.)

M. 2.70; Einzelpreis M. 4.— ; geb. M. 5.—

1) Das Hohelied, erklärt von D. Karl Budde.
J. G. Wetzflein hatte in einem Auffatz über die fyrifche
Drefchtafel (Zeitfchrift für Ethnologie 1873, S. 270 fr.)
beiläufig die Vermuthung ausgefprochen, dafs unfer fog-
Hoheslied eine .Sammlung von Hochzeitsliedern und
Fragmenten folcher' fei, wie fie ähnlich bei den fyrifchen
Bauernhochzeiten in der fog. Königswoche nach der
Hochzeit gefungen zu werden pflegten und pflegen.
K. Budde hat in The New World 1894, S. 56 fr. und gleichzeitig
deutfch in den preufsifchen Jahrbb., Bd. 78, S. 92 ff.
diefer Vermuthung das Wort geredet. Die vorliegende
Erklärung des Buches ift nun ein Verfuch, die obige
Vermuthung im Einzelnen durchzuführen. — Das Buch
flammt nicht aus Einer Feder, fondern ift eine Sammlung
von Liedern, die Liebe zwifchen Mann und Weib behandelnd
. Budde ftellt aus den 116 Verfen des ganzen
Buches 23 theils vollfländige, theils fragmentarifche Lieder
zufammen. Als redactionelle Eingriffe bezeichnet er:
4,8. 6,1-3. 8,3-5. 13. 14. Als Handleite für feine Eintheilung
dient ihm neben dem Inhalt der, wie er gewifs mit Recht
annimmt, bei .Tanzliedern' eine bedeutfame Rolle fpie-
lende Rhythmus oder das (sit venia verbd) Metrum, das-
felbe natürlich ,mit vorfichtiger Zurückhaltung' in Anwendung
gebracht. — Ich glaube, Wetzftein's Gedanken
als einen glücklichen bezeichnen zu follen und nicht
weniger die Budde'fche Verwerthung desfelben, zumal
fleh dabei die bisweilen auftretenden Spuren dramatifcher
Geflaltung, die doch bei Weitem nicht ausreichen, das
Ganze als Drama anzufehen, ungezwungen erklären, vgl.
Einl. p. XIX. Unbillig erfcheint dabei die von gegne-
rifcher Seite an Budde geflellte Forderung, er müffe
das Buch in eine Reihe von Liedern zerlegen können,
die jedes vollftändig in fich und unabhängig von
den Uebrigen wären. Gerade die Liedereintheilung
wird vielfach fraglich bleiben und bleiben müffen. Z. B.
gleich die Budde'fche Scheidung von 2,1-3 und 4-7 ift
meines Erachtens wenigftens kaum ftichhaltig. Ferner
die Trennung von 4,9-11 und 4,12 ff. gründet fich aus-
fchliefslich auf das .Metrum'. Bezüglich 6,2—,,w räumt
Budde felbft andere Eintheilungsmöglichkeiten ein; damit
ftürzt aber keineswegs die ganze Hypothefe. Viel fchwie-
riger dünkt mich, dafs ,der wasf des Hochzeitstages, alfo
der Zeit nach das erfte Stück, das vorgetragen wird, in
cap. 6 und 7, faft am Ende fleht, dagegen viele der
Stücke, die erft im weiteren Verlauf der Feftwoche können
vorgetragen fein, in cap. 1. 3. 5 am Anfang flehen'. Budde
erklärt demgegenüber, ,es ift deutlich, dafs die Sammlung
einen geordneten Fortfehritt nicht beobachtet'. Zunächft
ift doch anzunehmen, dafs auch diefes Buch den Stempel
eines ordnenden Geiftes trägt; und nur ganz fchwer-
wiegende Gründe können uns zur Annahme des Gegen-
theils veranlaffen.

2. Das Buch Ruth, erklärt von Lic. Alfred Bertholet
. Der Verf. vertheidigt in der Einleitung die fchon
in feiner dankenswerthen Monographie über die Stellung

der Israeliten und Juden zu den Fremden vorgetragene
Meinung, dafs das Buch Ruth eine Tendenzfchrift fei,
welche im Gegenfatz zu der alle fremden Elemente aus
der jüdifchen Gemeinde ausfchliefsenden Strenge Esra's
und Nehemia's, gewifs unter Benutzung einer Tradition
über David's Herkunft, die Mifchehen zu gefetzlicher
Geltung zu bringen ftrebte. Ich kann mich dem Wider-
fpruch, den diefe Anficht felbft bei fo vorurtheilsfreien
Gelehrten wie Giefebrecht u. A. hervorgerufen hat, nicht
anfchliefsen. Das Buch erhält durch obigen Gefichts-
punkt nicht nur eine lebendige, hiftorifche Färbung, fondern
auch einen bedeutfamen, fittlichen Werth. Des Verf.'s
Gründen gegen die Urfprünglichkeit der Genealogie vermag
ich nicht beizuftimmen. Dafs er, der das Ganze
als tendenziös anfleht, Lagarde's beftechende Hypothefe,
dafs die hexateuchifche Formel finblln fibxi das Haus
David dem Haufe Aaron als gleichwerthig zur Seite
ftellen wolle, ablehnt, überrafcht.

3. Die Klagelieder, erklärt von D. Karl Budde.
Aus der Einleitung hebe ich hervor die Erklärung von
JSIpil: Jeremias dichtete Ein Klagelied (nicht fünf). Ich
bezweifle, dafs der Ueberfetzer bei Kautzfeh diefes ,ein',
wie Budde annimmt, hat betonen wollen. Die Stellen
Sam. ß 1,17. 3,33, die Budde als Analoga anführt, find
meines Erachtens nicht zutreffend. In der erften heifst
es: nsm Wprrn« JSIp^l, in der anderen -üiOl . . . pIpT.
Was das Alter der einzelnen Lieder betrifft, fo fetzt
Budde c. 2 und 4 bald nach der Kataftrophe an; c. 1,
eine Nachdichtung von c. 2 und 4, oder mindeftens von
c. 2, nachexilifch, eher fpäter als 430; c. 3 ein knappes
Menfchenalter nach dem Fall der Stadt, etwa bis 550;

c. 3 gehört am wahrfcheinlichften dem 3. Jahrhundert an.
Hier ift, bei der Lage der Dinge, fehr viel dem fubjec-
tiven Urtheil des Forfchers überlaffen. Und da mag der
eine in feiner Schätzung glücklicher fein als der andere,

d. h. dem thatfächlichen Alter des Liedes näher kommen.
Ich kann mir aber einen gelinden Zweifel an Budde's
fpäter Anfetzung von cap. 3 nicht vertagen. In der
Einzelerklärung hat fich der Verf. vielfach mit meiner
Arbeit auseinander gefetzt. Ich bin in der Conjectural-
kritik feit meinem erften DeTut proprio motu bedeutend
zurückhaltender geworden. Mehrere feiner dahin zielenden
Monita habe ich mit Dank gebucht.

4. Der Prediger, erklärt von D. G. Wildeboer.
In der Einleitung ift der vierte Abfchnitt: Kohelets
Stellung in der israelitifchen Religionsgefchichte befon-
ders bemerkenswerth: .Kein harmonifches Ganze, kein
Product fyftematifchen Denkens, fondern die ehrliche
Beichte eines ernften Mannes, der an Vielem zweifelt, was
andere fo leicht glauben, aber doch nicht den Glauben
feiner Kindheit daran geben will: das ift Kohelet'. — Mit
Recht tritt der Verf. für die mehrfach beanftandete Echtheit
des Epilogs ein. — Als Abfaffungszeit gilt ihm + 200.

5. Das Buch Efther, erklärt von D. G. Wildeboer
. Ein beachtenswerthes novutn bringt der vorliegende
Sammelband in Wildeboer's Behandlung des Buches
Efther, das er in die Zeit nach Beendigung des makka-
bäifchen Freiheitskrieges 135 v. Chr. verfetzt. Er legt in
dem dritten Abfchnitt der Einleitung: das Purimfeft und
fein Urfprung, Jenfen's weitere Forfchungen über diefes
Feft, die ihm brieflich zur Verfügung geftellt find, vgl.
früher Zeitfchrift für die Kunde des Morgenlandes, Bd. VI
S. 47 ff. 209 ff, vor. Die Efthergefchichte weift nach
Babylon und dabei auch nach Elam: Efther erinnert an
Iftar, Mardochai an Marduk. Haman erinnert an Hum-
man, den Nationalgott der Elamiter. Wafti an Mafti oder
Wafti der elamitifchen Infchriften. -iib ift vermuthlich
ein babylonifches Lehnwort. Nun wurde in Babylonien
zu Anfang des Jahres das grofse Schickfalsfeft, das Feft
des Marduk gefeiert, ein Feft, dem übrigens verfchiedene
mythologifche Elemente zu Grunde liegen, hauptfächlich
aber die Legende von der Befiegung des Elamiterkönigs
Humbaba = Humman durch den göttlichen Gilgamifch