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Ausgabe:

1899 Nr. 2

Spalte:

559-566

Autor/Hrsg.:

Koetschau, Paul

Titel/Untertitel:

Kritische Bemerkungen zu meiner Ausgabe von Origenes‘ Exhortatio, Contra Celsum, De Oratione. Entgegnung auf die von Paul Wendland in den Göttingischen gelehrten Anzeigen 1899, Nr. 4

Rezensent:

Jülicher, Adolf

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559

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 20.

Koetschau. Dr. Paul, Kritische Bemerkungen zu meiner
Ausgabe von Origenes' Exhortatio, Contra Celsum, De
Oratione. Entgegnung auf die von Paul Wendland in
den Göttingifchen gelehrten Anzeigen 1899, Nr. 4 veröffentlichte
Kritik. Leipzig, J. C. Hinrichs, 1899. (82 S.
gr. 8.) M. 1.60

Zwei der wichtigften Bände der Berliner Kirchenväter
-Ausgabe find erfchienen; fie enthalten des Origenes'
Schriften über das Martyrium (I, 3—47), das Gebet (II,
297—403), und, auf beide Bände vertheilt, die 8 Bücher
gegen Celfus. Alle erreichbaren Mittel zur Reconftruction
des Urtextes hat der Herausgeber P. Koetfchau gewiffen-
haft herangezogen, für c. Ccls. bietet er zum erften Mal
eine vollftändige Collation des Vatic. gr. 386 (XIII. Jhdt.)
— er nennt ihn A —, während die früheren Ausgaben
nur von Abfchriften diefes einzigen directen Zeugen abhingen
; für De mart. hat er, weil A jetzt nichts mehr
von diefem Tractat enthält, nur deffen Abfchriften P und
M verwerthen können; auch bei neoi Evyijg ift die einzige
fpäte Handfchrift T nochmals verglichen worden. Indefs
etwa ein Siebentel von c. Cels. haben die kappadocifchen
Freunde, Bafilius und Gregor v. Nazianz, in ihre Philocalia
aufgenommen, die wir nun zur Controle von A ausgezeichnet
verwerthen können. Koetfchau hat fich nicht
etwa begnügt, den von Arm. Robinfon 1893 edirten Text
und Apparat der Phil, heranzuziehen, fondern von 5 Hand-
fchriften, die Robinfon nur mit Auswahl benutzt hatte,
uns ein ebenfo vollftändiges Variantenverzeichnifs, wie es
Robinfon ihm von feinem Patmius bot, geliefert. In
Folge davon arbeitet er an einzelnen Stellen mit 9 Hand-
fchriften, A fammt feinen beiden Trabanten und 6 Philo-
calia-Manufcripten: wo diefe letzteren übereinftimmen,
verwendet er die Sigle 0, worunter alfo die Lesart des
Archetyps aller vorhandenen Philocalia-Handfchriften zu
verftehen ift — allerdings können wir ein befonders
hohes Alter auch für diefen nicht behaupten.

So ift denn durch diefe Ausgabe zum erften Mal
für den Text der genannten Werke des Origenes eine
fichere Grundlage gefchaffen worden, und das bedeutet
allem bisherigen gegenüber einen ungemeinen Fortfehritt.
Allerdings ift die Ueberlieferung nicht fo alt und fo treu,
wie wir es wünfehten; auch wo <I> und A einander nicht
in den Haaren liegen, bleibt genug zu beanftanden; die
Arbeit des Conjicirens, die in früheren Stadien nicht
blofs von Berufenen wie Boherellus und Bentley am
Orig.-Texte geübt worden ift, bleibt auch dem neueften
Herausgeber nicht erfpart. K. hat fich bemüht, in mög-
hchft engem Anfchlufs an A — (/J hält er für einen
minderwerthigen, weil abfichtlich den Wortlaut feiner
Vorlage ändernden Zeugen — oder PM oder T einen
lesbaren Text herzuftellen, im Apparat aber jede Variante
zu verzeichnen, fo dafs der Lefer im Stande ift, fich ein
eigenes Urtheil zu bilden. Hier bietet er eher zu viel,
namentlich wünfeht man fich oft die knappen Formen
eines lateinifch gefchriebenen Apparats, wenn man z. B.
zu I 52, 5 lieft ,lltlaxog fchreibe ich, 711X01x0$ A Ausgg.',
ib. 17 ,xöx toi o lieft Guiet (bei Del. I 316 Anm. b), dem
Del. folgt', oder zu I 241, 23, (y.ai naqey.) füge ich nach
d. LXX mit den Ausgg. ein'. Dafs etwas unklar bleibt,
ift im Apparat eine Seltenheit, bei I 3, 10 weifs man
nicht, welches von beiden l.ni Irliipei in M fehlt.

An der Vollftändigkeit des Apparats kommen einem
höchftens bei Kleinigkeiten Zweifel, wie wenn I 238, 26
der Text aiviixöuevog, 244, 3 alvioonuevog bietet, ohne

eine Note über Varianten, obgleich für 244, 3 auch die
it.___/ ■ -. —

A zum Trotz, dagegen fchreibt er nicht blofs 'Istexlag
II 261, 17 (c. Celf.) aber 'Etexiag II 337, 15 ff. (de orat.)
und II 300, 23 eniyaiQinoiy.ay.og (de orat.) aber I 17» 9
ImyaiqEO. (de mart), fondern I 104, 26. 29 ti-tX&axe II
270,6 s^tXlrexe, obwohl A beidemal 6 will. Das Schwanken
z. B. zwifchen 00 und xx, zwifchen c<ytvr]g (z. B. I 244, 12)
und ayevvr'ig (I 245, 9), noÖanog und noxanög, lg und eis,
(piXouaD-ia und cpiXouatreia, ovno und ovxtog, e'vey.a und
tvsxev, xb xoiovxo und xb xoiovxov, &eleiv und lOeXeiv,
(ptg tlneiv und opkqE ehxtiv, b xt drj noxe und bxidr'jnoxE
erfcheint auch ungerechtfertigt, wenn doch K. I 203, 16
206, 8 II 143, 27 EnqooprpXEvd-rj, ingoopr/xtvexo und nsnqo-
cprjxtvoi'tai gegen A's 7tqotop. und eigoeteip. einführt.

Bei der Textconftitution hat K. am feltenften zu
einer unnöthigen Conjectur gegriffen, meiftens leuchten
feine Emendationsvorfchläge ohne Weiteres ein, z. B.
die Plinfügung von ovy I 85, 7, rvv ftatt öSv II 279, 27,
I 3, 12 hii IrXiipei ftatt In iXnidi. Weit häufiger ift
freilich der Fall, dafs fchon feine Handfchrift die richtige
Lesart herftellt, fo II 390, 21 diu xb uij öf.öo/.ifittOfitriog
IrtXtiv aus T ftatt ö .. ovg der Ausgg., II 143, 18 oidi
yao vnoßdXXei 7) al'olhnotg aus A ftatt xai al'olt., ebenfo
I 121, 17 uixqqt IXäxxw ftatt uay.qeb tXaixov. Einzelne
nothwendige Verbefferungen find in den Anmerkungen
liegen geblieben, z. B. I 272, 3 oidlv ovd' Intvorj&rpvat
ftatt oux, 1231,4 looictgei oixovaiv ftatt üonSQ nix. Wo
K. zwifchen 0 und A die Wahl hat, neigt er wohl etwas
zu ftark auf A's Seite herüber, doch kommt auch das
Gegentheil vor, z. B. I 244, 22 diot xijg lv avrol ooepiag
gegen yt eavxw. Der feltfamfte Fall diefer Art ift die
Aufnahme des Abfchnitts II 148, 1—149, 16 über die
Verklärung Jefu in c. Cels. VI 77, blofs auf die Autorität
von 0 hin: A weifs von dem Stück nichts, es ftört dort
den Context und pafst fo fchlecht in eine Streitfchrift
gegen Celfus, wie gut in eine Auslegung für Chriften.
Natürlich rührt der Paffus von Origenes her, aber aus
einer anderen Schrift.

Für unangebracht mufs ich es übrigens halten, dafs
K. folche lediglich durch </) bezeugten Beftandtheile feines
Textes, nicht nur diefen langen Einfchub, fondern auch
z. B. ein '/rjoovv vor Xgtoxöv II 146, 5, ein xb zwifchen
v.uxa und nqnqppxty.öv ib. Z. 8, in eckige Klammern ( ) ein-
fchliefst, und fie dadurch jeder modernen Conjectur gleich-
ftellt. Solange <J> eine von A unabhängige Ueberlieferung
bleibt, wenn auch eine unvollftändige und mit Mängeln
behaftete, mufs fie als folche behandelt werden, — oder
hat denn nach K. etwa <J> auch den Abfchnitt II 148
durch Conjectur erfchaffen?

Dafs K. noch manche Stelle zu verbeffern übrig
gelaffen hat, gereicht ihm nicht zur Unehre. Oefters
wird man feine Interpunction corrigiren, fo, wenn er I 208,11
die beiden Hälften des Nachfatzes o'öx dv b vouoirh1}?
Xqiöciuvöiv . . . ovt dv yqioxiavoi durch Kolon trennt,
gern auch ein Kolon vor den Beginn des Nachfatzes
Hellt. I 341, 5 macht das Komma zwifchen xu Xey6uBV<*
nvEvuaxry.a xolg bvouatloutvoig nvevuaxiy.oig und aryv.qtvl0V
das Verftändnifs des Satzes geradezu unmöglich — eS
beruht auf der von K. überfehenen, doch am SchluD
II 541 nachgetragenen, Stelle I Cor. 2, 13 —, nicht minder
nothwendig ift die Streichung des Komma I 263, 15. De*
Druck ift von mufterhafter Sauberkeit. Denn dafür, dals
wiederum dies abfeheuliche Papier verwendet worden
auf das man keinen Buchftaben mit Tinte nachtrage"
kann — das bei einem Origenes-Texte! —, und von dern
beim Reindruck zahllofe Lefezeichen, Buchftaben halb
oder ganz und dergleichen abgefprungen find, trägt n'"
der Herausgeber die Verantwortung. Im Auffpüren_de

W-codices zur Verfugung flehen. Sollten I 236,22 (wie von Origenes citirten oder auch nur geftreiften Bibel
| 203, 7) alte Zeugen für anoöbinxEi ftimmen, wenn doch Mellen entwickelt K. einen nicht zu übertreffenden Eif»i
11 "2, 25 anogginxel auftritt vgl. II 25, 19 änobginxovvxeg} dafs ihm doch einige wie I 323 10 Hebr 3 14 entgangen
in ortnograph.fchen Fragen vermifst man überhaupt find, will viel fagen. Hier war' m E gröfsere Sparfam-
G eicnmatsigkeit des Verfahrens. Die Formen von keit angebracht; mufs bei jedem ö xov Qtov Xöyog und
Mtwaifi, yiveoJ-ai, yivtooxetv corrigirt K. durchgehends ; 6 uovoytvqg auf den johanneifchen Prolo^ verwiefen und