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Ausgabe:

1899 Nr. 20

Spalte:

556-557

Autor/Hrsg.:

Rahlfs, Alfred

Titel/Untertitel:

Alter und Heimat der vaticanischen Bibelhandschrift 1899

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 20.

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gerade Gegentheil von dem fagen zu laffen, was ich getagt
habe (Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1895,
S. 502); und fein darauf begründetes ungünftiges Urtheil
haben Ramfay und Headlam nachgefprochen, ohne fich
ordentlich anzufehen, was ich wirklich gefchrieben habe.
Die in der Apoftelgefchichte 27, 1 erwähnte Cohorte war
allerdings (wie aus den genauen Angaben des Jofephus
über die Befatzungsverhältnifse Cäfarea's mit Sicherheit
hervorgeht) eine GxslQCt UeßaGxrjvcöv. Sie führte aber
aufserdem das von den anderen vier febaftenifchen Cohor-
ten fie auszeichnende Ehrenprädicat Augusta, und diefes
wird in der Apoftelgefchichte durch SeßaGrij wiedergegeben
.

Rahlfs, Alfred, Alter und Heimat der vaticanischen Bibelhandschrift
. (Nachrichten der Königlichen Gefellfchaft
der Wiffenfchaften zu Göttingen. Philol.-hiftor. Klaffe,
1899. Heft 1, S. 72—79.)

Aus der auffallenden Uebereinftimmung des Cod.
Vat. in Auswahl und Reihenfolge der Bücher mit dem
Kanon, welchen Athanafius feinem 39. Feftbriefe einverleibt
hat, glaubt der Verf. einen ficheren terminus a
quo für die Entftehung diefer Handfchrift gewinnen zu
können. Eine bemerkenswerthe Verfchiedenheit befteht
freilich zwifchen beiden. Während Athanafius die Vor-
lefebücher als Bücher zweiter Ordnung erft nach Er-

Swete, Henry Barclay, D. D., The Old Testament in Greek,

according to the Septuagint. Edited for the Syndics
of the University Press. Vol. III. Hofea — 4 Macca-
bees, Psalms of Solomon, Enoch, The Odes. Second
edition. Cambridge, University Press, 1899. (XX, 902 S.
gr. 8.) Geb. Sh. 7. 6

Ueber Swete's werthvolle Septuaginta-Ausgabe ift
in der Theol. Litztg. wiederholt berichtet worden, zuletzt
beim Erfcheinen des dritten Bandes Theol. Litztg. 1894,
650. Es fei hier nochmals daran erinnert, dafs diefelbe
fich darauf befchränkt, den Text der wichtigften Hand-
fchriften vorzulegen, ohne den Verfuch einer Text-Her-
ftellung zu machen, der gegenwärtig auch verfrüht wäre.

Von dem ftereotypirten Texte ift nun eine revidirte
Ausgabe veranftaltet worden, von welcher uns der dritte
Band vorliegt. Derfelbe bringt, abgefehen von einzelnen
Berichtigungen, welche in der vorigen Ausgabe im Anhang
S. 878 f. mitgetheilt waren und jetzt in die Stereotyp
-Platten eingetragen find, dreiwefentliche Neuerungen:

1, für die Pfalmen Salomos find zu dem Text der
vaticanifchen Handfchrift, der als solcher geblieben ift,
nicht die Varianten von vier, fondern die von heben
Handfchriften notirt, indem die in Gebhardt's Ausgabe
(1895) zum erftenmale herangezogenen drei (ein Cafana-
tenfisund zwei Athos-Handfchriften) nachgetragen find.—

2, Die wichtigfte Zugabe ift das griechifche Fragment
des Buches Henoch, welches Swete auf Grund der
mitteilt Heliogravüre hergeftellten Facfimile-Ausgabe
Bouriant's hier neu herausgiebt. Er verfährt dabei aber
fo, dafs er fich nicht auf Mittheilung des handfchriftli-
chen Textes befchränkt, fondern eine wirkliche Text-
Herftellung verfucht. Es find daher nicht nur (wie es bei
den Büchern der LXX gefchehen ift) ganz offenkundige
Schreibfehler berichtigt (diefe find im Anhang S. 897—899
mitgetheilt), fondern auch fonft Lesarten der Handfchrift,
die mit mehr oder weniger Sicherheit als falfche zu betrachten
find, berichtigt. Die Lesarten der Handfchrift
find dabei in die Anmerkungen verwiefen. Im ganzen
wird von der Conjectur ein fehr mafsvoller Gebrauch
gemacht; von den Conjecturen des letzten Herausgebers,
Charles, die nicht feiten willkürliche find, find nur einzelne
, überzeugende, aufgenommen. Aufser dem Fragment
der Handfchrift von Akhmim giebt Swete auch
die Stücke aus Syncellus und das kleine von Mai herausgegebene
und von Gildemeifter entzifferte tachygra-
phifche Fragment. — 3, Dankenswert ift endlich auch
eine Beigabe zum vierten Makkabäerbuche (um wel

ir ev.;... ! ledigung des ganzen alt- und neuteftamentlichen Kanons
1 in einem Anhange nachbringt, ftellt B fie, fo weit fie
dem A. T. angehören (die neuteftamentlichen Vorlefe-
bücher find mit dem Schlufs der Hf. verloren gegangen),
zu den kanonifchen Büchern des A. T., und zwar nicht
hinter diefelben, wie man wohl erwarten könnte, fondern
mitten unter fie, zwifchen Hiob und die Propheten.
Aber diefe Verfchiedenheit tritt in den Augen des Verf.
gegenüber der Uebereinftimmung in wefentlichen Stücken
zurück und hindert ihn nicht zu fchliefsen, dafs o
direct von Athanafius abhängig und mithin jünger fe'
als das Jahr 367, in welchem diefer feinen 39. Feftbriet
erliefs (S. 77).

Diefem Schlufs vermag ich nicht zuzuftimmen.
Meines Erachtens kann der Cod. Vat. recht wohl von
Athanafius abhängig und doch älter fein als das Jahr
367. Denn die Anfchauung vom Kanon, welcher Athanafius
in feinem 39. Feftbriefe Ausdruck gegeben hat,
datirt doch gewifs nicht erft vom Jahre 367. Wenn
vollends, wie R. annimmt, der Cod. Vat. in Alexandria
hergeftellt ift, fo kann es unter directer Einwirkung des
Athanafius gefchehen fein, lange bevor diefer den 39*
Feftbrief ausgehen liefs. In diefem Sinne mag es immerhin
richtig fein, dafs der Schreiber des Cod. Vat. im
Gegenfatz zu feiner Vorlage den Hebräerbrief hinter den
2. Theffalonicherbrief geftellt habe, ,um der An weifung
des Athanafius zu genügen'. Aber für die Abfaffung
nach dem Jahre 367 ift damit nichts bewiefen. Ja, wenn
ich recht fehe, fo kann gerade der 39. Feftbrief als ein
Beweis dafür gelten, dafs B vor dem Jahre 367 ent-
ftanden ift. Die hier in der Behandlung der Vorlefe-
bücher zu Tage tretende Abweichung von dem Schema
des Athanafius findet der Verf. leicht begreiflich. Pf*
athanafianifche Princip der Eintheilung in kanonifch
und Vorlefebücher kreuzte fich hier mit dem andern
Princip der Eintheilung in Altes und Neues Teftarnent,
und es ift kein Wunder, dafs die von jeher üblich g^
wefene und in der Natur der Sache liegende Eintheilung
in A. und N. T. den Sieg über die neuere, künftlichge
machte Eintheilung in kanonifche und Vorlefebüche
davon trug' (S. 75). Aber diefe Argumentation wird de
Thatfache nicht gerecht, dafs neben der Brandmarkung
der dxoxQvrpa als häretifcher Erzeugnifse gerade
reinliche Scheidung der xavori^öfieva von den dvayif0
xofiEva der ausgefprochene Zweck des 39. Feftbne

n Bücher A. und N.

ift. Nachdem er die kanonifchen _
aufgezählt und bevor er zu den Vorlefebüchern übergeht)
fchreibt Athanafius: Tavxu nriyai xov gcoxiiqiov, ojGxe tof
ötipmvxa kurpoQElGd-ai xcöv ev xovxocq Xoylcov ev *ov~
xotq povoiq to xrjq evGeßeiaq öidaGxaXtlov evayyeXl^exo-1-
HrjÖElq xovxoiq IjtißaXXexm aride xovxcov d<pctiQel~

ches fich Swete fchon in der vorigen Ancrroi-l j "~L /^rw

Heranziehung des Codex V^Z^oJ^)\^t flone % fl" Gefchichte d^ Neuteftamentlmhe
gemacht hatte), nämlich die S 000 — 002 mitaJrlJ%? ■ Kanons- ."d- 2, S. 212 . Angefichts diefer Thatfache
Variae lectiones e verLte svrz^desZvtaT^Sr i V? ^ kÜhn fein zu behaupten, dafs der Cod.

der Ausgabe von Bens v uiTd^^IT^^L ^ l a unmo8 ,ch ur>ter den Augen des Athanafius ent-
terem bligefteuert 7 ( 9S) V°" letz" ! fein kann> nachdem diefer jede Vermifchung der

Göttinn-en C f urler Und zweiter Ordnung in feierlicher Weile

E. Schürer. und beft.mmt als möglich unterfagt hatte.

Wer mir hierin beipflichtet, wird es auch nicht 0»»*
dem Verf. für unmöglich halten, dafs wir im Cod. Vat-