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Ausgabe:

1899 Nr. 18

Spalte:

522

Autor/Hrsg.:

Lühr, Karl

Titel/Untertitel:

Untersuchung der Zeitfrage: Ist eine religionslose Moral möglich? 1899

Rezensent:

Ritschl, Otto

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Seite 1

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521

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 18. 522

der Theologen'. Druckfehler fallen nur wenige auf, S. 440 I Kirche zu. Aber diefe beherzigenswerthen Darlegungen
blose statt blofse, S. 668 oben .verwandt' ftatt .verwandte' j würden eindrucksvoller ausgefallen fein, wenn die in der
und im Druckfehlerverzeichnis ,S. 582' ftatt 580. Hart- 1 erften Hälfte der vorliegenden Schrift erörterten Fragen
neckig und hartnäckig, Bucer und Butzer werden bald ficherer erfafst, eingehender behandelt und demgemäfs
'0, bald fo gedruckt. S. 654 Anm. fehlt bei der Titel- auch weniger voreilig entfchieden worden wären,
^ngabe: pace. — Wir wünfchen dem Werke gedeihlichen Bonn. O Ritfehl

Fortgang.

Rummelsburg bei Berlin. F. Hubert.

Rolffs, Past. Lic. theol Ernft, Die Theologie als Wissenschaft
. (Hefte zur .Chriftlichen Welt' Nr. 38.) Freiburg
«. B., J. C. B. Mohr, 1899. (32 S. gr. 8.) M. —.60
Die von dem Verf. aufgeworfene Frage ift doch

w°hl zu complicirt, um auf 31 noch dazu durch zahl-

■"eiche Citate in Anfpruch genommenen Seiten genügend , Arbeit als preiswürdig und werth, gedruckt zu werden,
friedigt zu werden. Insbefondere die principiellen Aus- : erkannt worden. Die Arbeit ift jedenfalls beffer, als die Abführungen
über das Wefen der Wiffenfchaft und den faffung der Preisfrage felbft, die wohl kaum unklarer
Rinflufs der Religion auf die Wiffenfchaft find keineswegs geftellt werden konnte. Denn warum ift zunächft der
e>nwandsfrei. Der Verf. beftimmt als das Ziel aller j doppeldeutige Ausdruck Moral, der ja fowohl im Sinne

1 von Sittlichkeit, als auch von Ethik, alfo Theorie der

Lühr, Pfr. Karl, Untersuchung der Zeitfrage: Ist eine religionslose
Moral möglich? Berlin, C. A. Schwetschke & Sohn,
1899. (III, 61 S.) M. 1.—

Vorliegende Schrift ift die Bearbeitung einer von der
Karl-Schwarz-Stiftung geftellten Preisfrage und von dem
Preisrichter-Collegium wenn auch nicht prämiirt, so doch
neben der prämiirten und noch einer andern eingegangenen

wiffenfehaftlichen Arbeit die Wahrheit und fafst diele als
.die gründliche und richtige Erkenntnifs der Wirklichkeit
S. 8). Dann aber heifst es (S. 9), Wahrheit fei die genauere
und richtige Erkenntnifs alles Seins und der ue-
Rtze feiner Bewegung'. Hier vermiffe ich zunächft eine
Erörterung über die Grenzen des wiffenfehafthehen Brennens
. Der Forfcher nämlich, der folche Grenzen

Sittlichkeit, verftanden werden kann, gebraucht worden ?
Und was foll ferner überhaupt die Frage nach der Möglichkeit
einer religionslofen Moral? Entweder nämlich
giebt es Fälle, dafs Menfchen irgendwie moralifch leben
(oder, wenn Moral hier foviel wie Ethik bedeuten follte,
eine moralifche Theorie vertreten), ohne zugleich religiös
zu fein (oder ohne die Religion anerkennen zu wollen).
Dann ift religionslofe Moral auch möglich, da fie wirk-

—•"^IIO. J_/Cl l'Ullbuvl .........---,

a"erkennt, wird überhaupt nicht,alles Sein und die Gefetze
'einer Bewegung' durch wiffenfehaftliches Erkennen er-

gfunden zu können meinen, alfo auch nicht die ganze j lieh ift. Oder folche Fälle find nicht nachweisbar. Dann
Wahrheit, fondern ftets nur Bruchftücke der Wahrheit zu zwar find fie nicht überhaupt unmöglich, aber es würde
Reichen in Ausficht nehmen. Ferner ift das, was mir - ziellos fein, darüber zu fpeculiren, ob fie unter irgendwie
Seele aller Wiffenfchaft und alles echten Wahrheitsfinns , welchen gedachten Bedingungen irgendwann einmal wirk-
*u fein fcheint, nämlich dafs man als wiffenfehaftliches , lieh werden können, alfo möglich find. Da nun das
£ubject fich unbedingt dem Zwange der Thatfachen zu | Preisrichter-Collegium die vorliegende Arbeit gebilligt
öeugen gewillt und geübt fein mufs, gar nicht erwähnt. '. hat, fo ift auch wohl fein Einverftändnifs mit der Ant-
Auf diefer Grundlage aber haben auch alle Beweife der ; wort des Verf. anzunehmen, wonach eine ,religionslofe
Wiffenfchaft erft einen guten Sinn und den Anfpruch auf 1 Moral' allerdings möglich, aber ,minderwerthig' ift. Und
"'cht nur fubjective Gültigkeit. Wenn der Verf. dagegen ; dafs der Verf. diefen Zufatz über die Minderwerthigkeit
'die Ueberzeugung von dem abfoluten Werth der Wahrheit' überhaupt für nothwendig gehalten hat, ift die befte
rur das wiffenfehaftliche Subject als wefentlich annimmt, > Kritik der verfehlten Fragestellung. Denn das kann an
'0 überfieht er dabei, dafs, weil es fich beim wiffenfchaft- ! einer religionslofen Moralität (oder Ethik) allein internen
Erkennen ftets nur um Plinzelnes, um Feftftellung effiren, was fie werth ift, d. h. ob fie mehr oder weniger
^'"zelner Thatfachen und Thatfachengruppen und um werth ift, als eine religiös bedingte Sittlichkeit (oder
dei"en möglichst objective Auslegung handelt, der wiffen- eine religiös begründete PThik). So hat der Verf., ob-
Whaftliche Begriff der Wahrheit nur der einer regulativen gleich er zunächft (S. 16), im Intereffe an dem Unter-
idee fein kann. Der Verf. aber vertritt einen metaphy- j j£™*de von Religion und Kirchlichkeit, die vorliegende
"Rhen Begriff von der Wahrheit, wenn er diefer einen 1 Stellung der Frage für die allein zuläffige erklärt, doch
abfoluten Werth zufpricht. Damit ift jedoch der wiffen-
chaftlichen Arbeit als folcher gar nichts gedient, da für
.'e vielmehr der Zweifel an geltenden Annahmen neben
nrem eigentlichen Kriterium, dem Zwange der Thatfachen,
entfeheidender Bedeutung ift. Ift es daher für die
^'fenfehaft nicht eigentlich charakteriftifch, wie der Verf.

e,nb ,die Wahrheit zu fuchen um der Wahrheit willen'
T" denn diefen Anfpruch erhebt ja in feiner Weife auch

eas religiöfe Denken und überhaupt die metaphyfifche , licnt vollständig aufgegriffen und erledigt, auch nicht,
gPeculation — fondern gegebenes Wirkliches in feiner namentlich in pfychologifcher Beziehung, bis zu ihren
?'genart zu erfaffen und zu verstehen, fo find auch die letzten Gründen verfolgt. Aber was der Verf. heran-
,erneren Schlüffe des Verf. unverbindlich, die darauf zieht, das hat er im Ganzen mit Umficht, Verständnifs
{""auskommen, dafs die Wiffenfchaft ihr Recht und ihr und gefundem Urtheil behandelt.
Rei in Frage ftellt> fobald fie flch dem Einflufs der Bonn. O Ritfehl

"gion entzieht,
•j-, Andererfeits hätte der Verf. auch das fpeciell der

eologie gegebene Erkenntnifsobject, die Religion, viel Köhler, Hermann, Sozialistische Irrlehren von der Entsteh

aus diefer das gemacht, was zu erörtern fich wirklich
lohnt, indem er feinerfeits die beiden Fragen daraus ableitet
: 1. ,Kann das Sittliche genügend hergeleitet und
in feinem Wefen voll erfafst werden ohne Religion?'
2. ,Kann das Sittliche hinreichend verwirklicht werden
ohne die Kraft der Religion?' Uebrigens werden die ein-
fchlägigen hiftorifchen, ethifchen und religionsphilofophi-
fchen Themata von dem Verf. zwar nicht in jeder Hin-

genauer in feiner Eigenart beftimmen müffen wenn der
^.lfRnfchaftliche Charakter der Theologie befriedigend
patR feftgeftellt werden follen. Allerdings halte ich die
^"Wendungen des Verf. gegen Bernoulli, Eagarde u. £

llfl - — • * <-» •____...Ak (nnit (

ung des Christentums und ihre Widerlegung. Leipzig,
Hinrichs, 1899. (IV> 272 5- gr- 80 M- 44°; geb. M. 5.40
H. Köhler hat fich in der vorliegenden Arbeit die

^noungen des Verl. gegen n nium.,.^odi den Aufgabe geftellt, die focialiftifchen Irrlehren von der
Reiftet" fu%ZU:reffenlsfünrunZ Entftehung, des Chriftenthums mit den Mitteln unferer

*a^en^ ungdgder evangelifch-theologifchen Wiffenfchaft zu widerlegen. Er