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Ausgabe:

1899 Nr. 18

Spalte:

515-518

Autor/Hrsg.:

Mercati, Giovanni

Titel/Untertitel:

D’Alcuni Nuovi Sussidi per la critica del Testo di S. Cipriano. Seguono varie note di Letteratura specialmente patristica con tre tavole 1899

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 18.

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des Geruches und des Taftfinns, (7) die Wirkungen des
Geiftes im Gebiete des Gefühlslebens, (8) Veranlaffungen
zur Entftehung und Mittel zur Erzeugung pneumatifcher
Zuftände (Taufe, Salbung, Handauflegung, Berührung,
Unabfichtliche geiftige Uebertragung, Suggeftion, Auto-
suggeftion, Gebet, Askese, Erregungszustände).

Diefe Ueberficht vermag freilich von dem reichen
und concreten Inhalte der Darfteilung kein Bild zu geben,
auch nicht zu zeigen, wie viele Quellenflellen und ter-
mini technici, über die man bisher achtlos weggelefen,
Farbe und Sinn erhalten haben oder in ein ganz neues
Licht getreten find. Auch der Neuteftamentliche Exeget
wird das Buch mit grofsem Gewinn lefen. Andererfeits
habe ich mich aufs Neue davon überzeugt, dafs die
eigenthümliche Art und Kraft der chriftlichen Religion
aus diefem Complex von Erfcheinungen erft ermittelt
werden mufs. Aber dem Verfaffer braucht man das
nicht erft zu fagen. ,Man wird erkennen', schreibt er in
der Vorrede, ,dafs ich den Geift nicht „dämpfen" will,
fondern mit Ehrfurcht zu der weltüberwindenden Kraft
aufblicke, die fich in den geiftgewirkten Erlebnifsen kund
thut, dafs mir aber doch nur ein von diefer Kraft getragener
„vernünftiger Gottesdienft" dem chriftlichen
Glauben an den Vater im Himmel zu entfprechen fcheint'.

Der letzten Frage nach der Wirklichkeit der ge-
fchilderten Vorgänge ift der Verfaffer nicht aus dem
Wege gegangen, hat fie aber auch nicht abftract beantworten
wollen, fondern fich mit dem Rüftzeug der modernen
Nerven- und Suggeftions-Pfychologie verfehen
und analoge Erfcheinungen der mittleren und neueren
Gefchichte zum Vergleich herbeigezogen. Er drängt
feinen Lefern Erklärungen nicht auf, läfst aber durchblicken
, dafs er die Thatfächlichkeit der paradoxen
Vorgänge in bedeutendem Umfange aufrecht zu halten
geneigt ift. Ich bin um einige Grade fkeptifcher und
glaube der blofsen Nachahmung und Nacherzählung
einen weiteren Spielraum geben zu müffen; allein ich
geflehe, dafs ich für die Unterfuchung diefer Fragen
wenig geeignet bin; fie verurfachen mir gradezu ein
körperliches Mifsbehagen, wenn ich ihnen näher trete.
Dafs fich das alte Chriftenthum aus diefen ,Charismen',
die es umfaffender erlebt hat als irgend eine andere
Religion, herausgearbeitet, dafs es innerhalb derfelben
Grenzen einzuhalten verftanden, dafs es fchliefslich den
Satz hat triumphiren laffen: ,Selig find die nicht fehen
und doch glauben' — das fcheint mir das Siegel feiner
Gröfse zu fein. Seine geiftige Wahrheit und feine
fittliche Kraft haben das Feld behalten. Man kann
die Formen kümmerlich und unvollkommen finden, in
die man fie zu faffen verfucht hat; aber die Gefchichte
der Theologie und des fittlichen Lebens bleiben als
Gefchichte der Glaubenserkenntnifs und der chriftlichen
Lebensgeflaltung doch die vornehmften Stücke der
Kirchengefchichte.

In einem zweiten Bande gedenkt der Verfaffer ,die
Gefchichte der Geiftträger' und ,die Lehre vom Geifte'
zu behandeln. Wir fehen ihm mit Spannung entgegen.
Gründliche Gelehrfamkeit, ein fcharfer Blick für das
Lebendige und wirkliche Originalität in der Betrachtung
ohne Extravaganzen und Oftentation zeichnen den jungen
Gelehrten aus. Er hat fich mit diefer feiner theologifchen
Erftlingsarbeit einen feften Platz in der Wiffenfchaft erobert
, und wir können nur wünfchen, dafs feine Nachfolger
, welche ,den Geift und die Geifter' der folgenden
17 Jahrhunderte zu prüfen nicht ermangeln werden, auf
feinen Spuren wandeln mögen.

Berlin. A. Harnack.

Mercati, Dr. Giovanni, D'AIcuni Nuovi Sussidi per la critica

Tipografia Poliglotta della S. C. de Propaganda Fide,
1899. (VII, 109 S. gr. 4.)

Mercati hat uns in diefer Publication neue werthvolle
Stücke zur Text- und Ueberlieferungsgefchichte
der Werke Cyprians zugänglich gemacht. Ich referire
kurz über diefelben:

1. Fragmenta Quiriniana: Drei Blätter (Julia-
Klofter in Brescia) aus dem 3. Buch ad Quirinum, saec.
V. vel VI. (= Härtel p. 132, 4—II; 133—135, 21; 136»
28—138,6). Die grofse ,Interpolation' des Würzburgensis
(c.20) findet fich auch hier. Ueberhaupt i(l der Text mit
dem des Archetypus von W nahe verwandt. Da jene
apokalyptifche „Interpolation' vorhanden ift, fo darf man
annehmen, dafs der Codex, als er vollftändig war, auch
das fonft unbekannte Stück aus einer Baruch-Apokalypfe
geboten hat, welches W in III, 29 bietet.

2. Die Editio Manutiana: Mercati, einer Notiz
bei Härtel folgend, ift es geglückt, in der Bibliothek zu
Neapel die handfchriftlichen Noten des Latinius zum
Apparat des Cyprian aufzufinden und fo nicht nur
mehrere fchöne Conjecturen desfelben aus Licht zu
ziehen, fondern auch eine beffere Kenntnifs des uralten,
leider verlorenen Veronensis zu ermitteln, den Latinius
benutzt hat.

3. Der Codex Veronensis: Härtel hat fich mit Erfolg
bemüht, über diefen Codex Klarheit zu fchaffen und
feinen Werth zu beftimmen. Mercati corrigirt und vermehrt
feine Nachweifungen, namentlich auch in Bezug
auf die Reihenfolge der Stücke (,de laude martl fehlte,
wie er überhaupt kein einziges fieher apokryphes Buch
enthielt; doch findet fich ,Quod idolal, aber nicht unter
den Tractaten). Hier tritt eine Gruppirung hervor, die
der urfprünglichen ganz nahe kommen mufs, und die es
uns ermöglicht, den Kryftallifationsprocefs der Werke
Cyprians in feinen Anfängen zu durchfehauen. Mercati
vergleicht den Aufbau der Cheltenhamer Lifte. In einem
Excurs zeigt er, dafs die alte Zählung der Pfalmen in
Afrika fich nirgendwo treuer erhalten hat als in dem
Veronensis. Sie wurde bereits am Ende des 4. Jahrhunderts
verändert; der Veronensis bez. fein Archetypus
kann daher nicht jünger als saec. IV und mufs in Afrika
gefchrieben fein. In einem zweiten Excurs geht M. auf
die merkwürdigen tituli gloriae ein, die fich zahlreich
in einigen Handfchriften bei den Namen der Bifchofe
in den ,Sententiae LXXXVII episcoporum1, finden. I01
Veronensis find fie befonders zahlreich, ftanden aber wohl,
wie Mercati wahrfcheinlich macht, am Rande; von dort
find fie in die anderen Handfchriften und in den Text
felbft gekommen. Zu Nr. 16 hatte der Veron. noch die
fpecielle Notiz: ,Conf. et post. Mart. positus in Tertulli'-
Dafs diefe Bemerkungen uralt find und auf Afrika führen, 1"
felbftverftändlich. Sie erweifen es, dafs der ArchetypuS
des Veronensis nicht fpäter als um 300 angefetzt werden
kann und afrikanifch ift.

4. Der Codex Beneventanus (NapoletanusV
Diefer Codex des Latinius ift befonders für die Sehr»1
,de laude martyrii1 wichtig, deren Ueberlieferung mange1'
haft ift. Mercati zeigt das an einer Reihe fchöner BeifpieKv
Aus der LA ,diuturna fame' (Härtel: ,diuturnos facto?)
zieht M. den angeblich ficheren Schlufs, dafs die Schrn
nicht im J. 249/50 gefchrieben fein könne, wie ich ver-
muthet habe; denn Cyprian fpräche fich ep. 37 ganz an4fr^
aus (,successit hiemi Verna temperies rosis laeta et flortut1
coronata . . . aestas ecce messium fertilitate fecunda e
area frugibus plena est . . . vindemia foris pretnttuf f
profutura poculis in torcularibus uva calcatur'). Alh-*1
Novatian fchreibt in Rom, Cyprian in Afrika; jener ha
aufserdem ein Intereffe, concrete Calamitäten zu
Cyprian fchreibt ganz abftract, dafs dem Winter d
blumenreiche Frühling, der erntereiche Sommer und o

del Testo di S. Cipriano. Seguono varie note di Lettera- Weinlefezeit bereits gefolgt fei. Hieraus läfst sich m-
tura specialmente patristica con tre tavole. Roma, für Rom und Italien gar nichts folgern; es läfst s