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Ausgabe:

1899 Nr. 18

Spalte:

513-515

Autor/Hrsg.:

Weinel, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Wirkungen des Geistes und der Geister im nachapostolischen Zeitalter bis auf Irenäus 1899

Rezensent:

Harnack, Adolf

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5i3

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 18.

5H

Fragmente einer weiteren und gröfseren Weltanfchauung
lagern. s 5

Wenn endlich fchon in das Henochbuch die An-
icnauung von einem verfchiedenen Gefchick der Seelen
f h ?.nacn dem Tode eindringt und diefe Vorftellung
ich hier und da im neuen Teftament zeigt, fo wird
g.an auch hier getroft die Frage erheben dürfen, ob
^'nflüffe des Parfismus vorliegen und nicht mehr fo ohne
eiteres Elyfium und Tartarus zum Vergleich herangehen
und von hellenifcher Beeinfluffung reden.
. In den letzten Abfchnitten handelt St. von der
^ngelologie und Dämonologie. Die fechs Amesha-
Pents und die jüdifche Erzengellehre, die Fravashis und
'. jüdifche Vorftellung von Schutzengeln werden vergehen
; die Eintheilung der Engelclaffen in verfchiedene
^angclaffen, die Wächter bei Daniel, die allmähliche
°ncrete Benennung der Engel, die Lehre von den in
er Welt herrfchenden böfen Geiftern (Asmodaeus und
eshrna-Daeva), die Geftalt des Satans werden — zum
s.r°Isen Theil mit Recht — auf perfifchen Einflufs zu-
uckgeführt. An manchen Punkten wird hier allerdings
och der Kampf mit denjenigen Forfchern auszufechten
welche manche diefer Vorftellungen aus einer zu
P lulirenden fpätbabylonifchen Religion ableiten wollen.

Jedenfalls hat Stave das Verdienft, ein Thema aufgegriffen
zu haben, das aller Wahrfcheinlichkeit in nicht
«tau ferner Zeit im Mittelpunkte des Intereffes flehen
Ird, und diefes mit Umficht und Befonnenheit und in
er Hauptfache zutreffend behandelt zu haben.
, Das grofse Problem das hier vorliegt, ift kurz gc-
St das der Genefis des Spät-Judenthums und damit
^uch der Genefis eines grofsen Theils neuteftamentlicher
orftellungen, wie derjenigen Religionsgebilde, die fichim
ntang um das junge Chriftenthum lagern. Nach drei
^.'ohtungen bewegt fich augenblicklich die Forfchung:
Jo einen weifen hin auf die Welt der fpätgriechifchen
^l'gion, namentlich des Myfterienwefens, die anderen

--" Pi'i^l/rrQnn auf

kleines Büchlein, das in der Gefchichte der Theologie
unvergeffen bleiben wird: Gunkel, Die Wirkungen des
h. Geiftes nach der populären Anfchauung der apoftoli-
fchen Zeit und nach der Lehre des Apoftels Paulus,
1888. Diefer altteftamentliche Theologe, der in der
Religion an den prophetifchen Stoffen fehen gelernt
hatte, öffnete auch Anderen die Augen für die elementaren
religiöfen Erfcheinungen und zeigte, wie abftract
man verfahre, wenn man überall nur nach einem gleich-
fam deftillirten ,Glauben' forfche. Diefer Nachweis fand,
befonders in der jüngeren Generation, willige Hörer.
Das entwickeltere geschichtliche Verftändnifs und ein ge-
fchärfterer Sinn für die Integrität des Hiftorikers kam
ihm entgegen, aber auch eine gewiffe intellectuelle Ermüdung
, der Agnofticismus des Zeitalters, Verzweifelung
an der theologifchen Apologetik und ein Lagardifcher Anti-
proteftantismus. Als nun Gunkel feine Erkenntnifse religi-
öfer Grunderfcheinungen mit einer bedenklich ataviftifchen
Theorie der Religionsgefchichte combinirte, das Neue
als Superftition des Alten zu enthüllen fchien und uns
mit einer Recrudescenz des Chaldäismus bedrohte, da
wurde auch diefe Wendung acceptirt. So find wir —
ohne dafs es fich in der Literatur fchon kräftig geltend
gemacht hätte — in eine Epoche eingetreten, die auf
die ftürmifchen religiöfen Erlebnifse und auf die Urformen
religiöfer Objectivirung befonderes Gewicht legen und
die Xoyixij Harpe/« fammt der ,Lehre' als etwas Secun-
däres bei Seite fchieben wird. Die Dinge fo fehen, heifst
fie ,religionsgefchichtlich' fehen, verfichern uns die Eingeweihten
.

Dafs die Gefchichte der chriftlichen Religion, wenn
ihr Eigenthümliches nicht verwifcht werden foll, die Anwendung
diefer Betrachtungsweife nur unter grofsen Ein-
fchränkungen verträgt, ift mir nicht zweifelhaft. Das
wird auch der Lauf der Dinge bald lehren. Aber unter
jenen Cautelen läfst fie fie nicht nur zu, fondern fordert
fie auch zu ihrem wirklichen Verftändnifs. Hr. Weinel
hat das richtig erkannt. Sein Buch ift gleich aus

*eiÄ das richtig erkannt Sein Buch ift gleich aus-

die r 1 u , -r 1 / uluuinn- indem Stave mit Nach- gezeichnet durch die muthige Energie, mit der ein neues
■ fpatbabylomfche Rel.g onjM^^H^ hat hat Gehiet fur die gefchichtliche Betrachtung erobert wird,
rJ^w ^l^ tjydÄSe^dcÄS ; wie durch die befonnene Umf.cht, mit der der Erobe-
gja E. den Weg gew.efer auf. .de^ J1^"J chti„ften ! rungszug unternommen ift. Etwa ein Jahrhundert der
^hgionswiffenfehaft che einfchneidenften und wienerten ^ Cnriftenthums (c. 70-180), aber der

^e[ultate erzielen wird. ■ — r---. — ..-i-r...i,4 .— „ni:„u a-.„ u~

Bouffet
Böttingen.

wichtigften eines, hat er unterfucht, um erftlich die Bedeutung
der Geiftwirkungen für das religiöfe Leben
feftzuftellen, zweitens zu befchreiben, in welchen Er-

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W»- TT - • ^ n-« iA/;,i/..nnon rlos Geistes und fcheinungen fich die Wirkungen des Geiftes und der

Wemel, Lic. Dr., Heinrich, Die Wirkungen des Geifter darnals dargeftellt haben. Die Erforfchung des

j_ « . . . . .1.1!.-1__» 7nit„n-DP nis a 11 Irenaus. . .. . ,° ,. . ^ r ^ . , .

der Geister im' nachapostolischen Zeitalter bis auf Irenaus

Freiburg i. B., J. C B. Mohr, 1899. (XII, 234 b.

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gr. 8). m' 5'

Der Proteftantismus hat sich auf die P«ra doctrina

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gefammten Materials unter diefen Gefichtspunkten, zum
erften Male u nternommen und mit Akribie durchgeführt, gab
durch die Fülle der Gefichte ein überrafchendes Refultat.
Auch der, welcher jene Literatur gründlich kennt, wird

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ucr froteitantismus n<n a.u. .... — r~- hv"""V""*' vyl-"-",-1 J^-"^ —— «™-■ &----------

vangelii geftellt, und von diefem Standort aus ift ihm über den ihm gebotenen Reichthum ftaunen und nicht
?.Ie Dogmengefchichte der Kern der Kirchengefchichte. behaupten, dafs hier nur etwas Peripherifches behandelt
]Väran haben die Wandelungen in Bezug auf die fach- fei. Mit Recht fafst der Verfaffer die Wirkungen des
'che und begriffliche Beftimmung der doctrina evangclii i h. Geiftes und die der Geifter (der Engel wie der Dä-
lchts geändert, ja die Beeinfluffung des Proteftantismus ; monen) zufammen, ohne fie -zu vereinerleien. Ob die
Urch che Hegel'fche Philofophie hat das Intereffe an Quellen nicht eine beftimmtere Unterfcheidung zulaffen,
j r Dogmengefchichte nur noch verftärkt. Dasfelbe ift wird man fragen dürfen; jedenfalls hat nicht nur
(aa g auf die Erfolge der Theologie Ritschl's zu Paulus, fondern auch die Mehrzahl der alten chriftlichen
di o: das rein Begriffliche hat fie zurückgedrängt, aber Lehrer fcharf unterfcheiden wollen, was der h. Geift
f'e Bedeutung des Lehrhaften hat fie nicht verringert, und was die Geifter wirken.

rjndern gefteigert. Ich habe in meinem .Lehrbuch der ' Der erfte Theil der Arbeit zerfällt in drei Capitel:
ptPSmengefchichte' verbucht, diefe Gefchichte auf dem j ,Der Kampf der böfen Geifter gegen die Chriften', ,Der
rjujltergrunde der Religions- und der allgemeinen Sieg der Chriften durch den Beweis des Geiftes und der
]j /^gefchichte zu zeichnen: eine Skizze der eigenthüm- Kraft', ,Der Kern des Beweifes'. Hieran fchliefsen fich
p .en Art des religiöfen Erlebnifses und der .Richtlinien der weiteren Unterfuchung'. Der zweite
bild nimigkeit follte in allen Perioden die Grundlage Theil bietet 8 Abfchnitte: (1) Das geiftgewirkte Sprechen
lclen für das Verftändnifs der Lehrentwickelung. (21 Die geiftgewirkte Schriftftellerei, (3) Heilungen und

rje Diefe Wendung — fie hat einige meiner Kritiker zu Wunder, (4) Die übrigen geiftgewirkten Vorgänge auf
L0„ Drtheil veranlafst, ich hätte die Grenzen der dem Gebiet des Willenslebens, (5) Das geiftgewirkte
gmengefchichte unftatthaft erweitert — ift nicht ohne Hören, Sehen, Vernehmen und Erkennen (6) Die Wir-
* l°'g geblieben. Aber noch eindrucksvoller war ein I kungen des Geiftes auf dem Gebiet des Gefchmackes