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Ausgabe:

1899 Nr. 17

Spalte:

491-492

Autor/Hrsg.:

Kutter, Hermann

Titel/Untertitel:

Wilhelm von St. Thierry, ein Repräsentant der mittelalterlichen Frömmigkeit 1899

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 17.

492

zelnen und allgemeinen unterfuchen möchte. Dann würde
vieles, was jetzt räthfelhaft und willkürlich erfcheint, doch
verdändlich werden; dann würden wir vor allem endlich
einmal zu einem klaren und beftimmten Werthurtheil
über die Auslegung des alten Tedaments im neuen
kommen, deffen Mangel auch jetzt noch auf den ver-
fchiedenden Gebieten die nachtheiligden Wirkungen hat.

Halle a. S. Carl Clemen.

liefern. Z. B. die Chronik des Ciderzienferkloders Signy,
in dem Wilhelm feine letzten Jahre verlebt hat, liegt
gedruckt vor in der Bibliotheque de l'ecole des cliartes 55,
1894, S. 644—660. Auch inbetreff der Handfchriften der
Werke Wilhelm's brauchte fich K. nicht blofs an die
Angaben älterer Schriftfteller zu halten. Wichtige aus
Signy flammende Handfchriften find noch erhalten in
der Bibliothek von Charleville. Von einer derfelben fagt
der Katalog fogar, dafs fie wahrfcheinlich unter den
Augen Wilhelm's gefchrieben fei (vgl. Catalogue general.

Baltzer, Lic. Pfr. Otto, Beiträge zur Geschichte des christo

logischen Dogmas im Uten und 12ten Jahrhundert. (Studien I Departements. 4° V, S. 600. 601.) Auch in anderen

zur Gefchichte der Theologie und der Kirche, herausgegeben
von N. Bonwetfch und R. Seeberg. 3. Bd.
Heft 1.) Leipzig, A. Deichert, 1898. (VII, 78 S. gr. 8.)

M. 1.60

Baltzer's Arbeit, eine Breslauer Licentiatendiffertation,
ift durch K. Müller angeregt worden. Soviel ich fehe, hat
fie die gedruckten Quellen vollftändig berückfichtigt und
auch das Problem richtig erfafst, das die Bewegung des
chridologifchen Dogmas im II. und 12. Jahrhundert Hellt.
Sie ift gewandt und anfprechend gefchrieben.

Baltzer verfolgt die Entwickelung von Berengar bis
zu Petrus Lombardus und feiner Schule. Mit dem Lom-

franzöfifchen Bibliotheken befinden fich zahlreiche zum
Theil noch dem 12.Jahrhunderte entflammendeManufcripte
Wilhelmifcher Schriften. Die Schrift de sacramento altaris
findet fich auch unter dem Namen des Honorius Augusto-
dimensis (vgl. Haureau, Journal des Savanls, 1893, S. 313)*
Ja, es ift fogar die Vermuthung ausgefprochen worden,
dafs fie ein Werk Ruperts von Deutz wäre (vgl. Catalogue
general. Departements. 40. VI, S. 43.) Intereffant
ift die Frage, ob die epistola de vita solitaria ad fratres
de mo7ite Del von Wilhelm fei. K. verneint fie; aber
die Gründe reichen doch nicht aus. Hier war eine neue
Unterfuchung nothwendig; zumal da die Annales ordinis
Cartusiensis (II, Monstrolii 1888, S. 96 fr.) noch neuerdings

barden ift fie vorläufig zum Abfchlufs gelangt. Nicht, Tdje Autorfchaft Wilhelm's vertheidigt haben. Dieneueren
j„r____t xr._______u__u^.*„. „u.,, o»:„„ v,,o™ ...... Unteriuchungen über die vita Bernardi hätten immerhin

dafs er eine Löfung gegeben hätte; aber feine Zufammen
Heilung der entgegengefetzten Anflehten erfchien fehr
praktifch. Das Wichtige war, dafs er die chriHologifche
Grunddimmung Abälards der Zukunft übermittelte. Durch
die vermittelnde Richtung Hugos von St. Viktor iH es
möglich geworden, dafs Abälard diefe Wirkung ausübte.

angeführt werden können (Hüffer, Der hl. Bernard von
Clairvauxl, 104fr.; Vacandard, Leben des hl.B. v.C, deutfeh
von Sierp, 1,9ff.). Dafs K. auch in den beiden erden Theilen
feiner Schrift eine Reihe guter und brauchbarer Bemerkungen
giebt, verHeht fich von felbfl. Doch meine ich,

Zwar find die von'der neuen Frömmigkeit ausgehenden I dafs er in dem Bedreben Wilhelm pfychologifch zu er
Motive der lebendigen ChriHusanfchauung aus der theo- ! faf£n. weiter, gegangen iH, als es uns unfere Quellen

' geHatten, und wohl auch zu rafch feine erden Eindrucke
zu Papiere gebracht bat.

Was den 3., umfänglichden Theil anbetrifft, fo hat
K. felbd gefühlt, dafs die Ueberfchrift: ,Die Lehre'
feinem Inhalte nicht entfprechend id. Denn er handelt darin
nicht blofs über die Verfuche Wilhelm's, fich das ,Dogma'
zu erklären, fondern giebt auch ein Bild feines inneren
religiöfen Lebens, wie er es in feinen Schriften niedergelegt
hat. Wenn ich K. recht verdehe, fo haftet
Wilhelms Intereffe an dem Dogma von der Trinität und
an dem menfehlichen Leben Jefu. Dagegen hat er ein
religiöfes Intereffe an der Zweinaturenlehre nicht, weil
er diefer für fein Innenleben keine Bedeutung abgewinnen
kann. Und daher id K. zu der Ueberzeugung
gekommen, dafs für Wilhelm im Grunde das kirchliche
Dogma gleichgiltig, dafs er ein viel radicalerer Geid m
als Abälard. Es id gewifs angebracht, auf die Spuren
hinzuweifen, die auf ein höheres Verdändnifs des Chriften-
thums hinweifen, als es das Mittelalter im Allgemeinen

logifchen Entwickelung wieder ausgefchieden; aber die
lehrhafte Condruction, die die lebendigere Anfchauung
der Perfon Chridi in Abälard gefchaffen hatte, id im
Grunde erhalten geblieben. Der Widerfpruch der Reichers-
berger id nur eine Epifode, die für die weitere Entwickelung
von keiner Bedeutung id.

Wie fich die alte abendländifche Tradition von dem
Menfchen Jefus neben der officiellen Lehre geltend
machte, id von B. gut, überfichtlich und meidens auch
präcis dargedellt worden.

Halle a. S. Gerhard Ficker.

Kutter, Lic. Hermann, Wilhelm von St. Thierry, ein Reprä-
fentant der mittelalterlichen Frömmigkeit. Giefsen,
J. Ricker, 1898. (IV, 205 S. gr. 8.) M. 4.50

Kutter berichtet 1. über das Leben, 2. über die Schriften,
3. über die Lehre Wilhelm's von St. Thierry. Bekannt id
Wilhelm durch feineGegnerfchaft gegen Abälard und durch

feine Freundfchaft mit Bernhard von Clairvaux. Er gehört j gehabt hat, aber mehr als Spuren finde ich bei Wilhelm

zu jenen Theologen, die, durchaus autoritätsgläubig und
traditionalidifch gefinnt, durch das Studium Augudins
und des Pfeudodionys der mydifchen Frömmigkeit vornehmlich
in Mönchskreifen Bahn gebrochen und Verbreitung
gefchafft haben, während fie gegen den neuen
wiffenfehaftlichen Betrieb fich mehr oder weniger ablehnend
verhielten. Bernhard's Ruhm hat Wilhelm's Bedeutung
in den Schatten gerückt, und es id das Verdiend der
vorliegenden Schrift, nachgewiefen zu haben, dafs Wilhelm
neben Bernhard gröfsere Selbddändigkeit habe, als ihm
bisher zugefchrieben worden id. Freilich id diefer Nachweis
noch nicht drict genug geführt. Es fehlt eine
Zufammendellung der ,mydifchen' Gedanken Bernhard's
und der Wilhelm's, aus der fich entnehmen liefse, in
welchem Mafse Wilhelm von Bernhard abhängig oder
unabhängig wäre.

Die beiden erden Theile find im Anfchluffe an
die Arbeiten der Benediktiner u. a. gearbeitet, und
erheben nicht den Anfpruch, die Forfchung weiter zu
führen. Hier hat Referent mancherlei Nachträge zu

nicht. Und wenn wirklich feine Speculation im tiefdeIJ
Grunde nichts mit der Intention der Kirche zu thun hat
(S. 9), fo dürfte er fchon deswegen nicht ein Repräfentan
der mittelalterlichen Frömmigkeit genannt werden.
Halle a. S. Gerhard Ficker.

Goyau, Georg, Andreas Perate, Paul Fabre, Der Vatikan-

Die Päpde und die Civilifation. Die oberde Leitung der
Kirche. Mit einer Einleitung von Kardinal Bifch°»
Bourret und einem Nachwort von dem Vicornte E-
Melchior de Vogüe. Aus dem Franzöfifchen überfetzt
von Karl Muth. Mit 532 Autotypien, 13 Li°V
druckbeilagen und einem Lichtdruckporträt Leos XI
nach F. Gaillard. Einfiedeln, Verl.-And. Benziger
& Co., A. G., 1897.98. (XI, 788 S. gr. Lex. 8.)

Geb. M. 30.— ; auch in 24 Heften a M. I«""*

Die vorliegende deutfehe Ausgabe des zu7r^n-I^oB
erfchienenen franzöfifchen Werkes (Paris, Firmin-Diö