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Ausgabe:

1899 Nr. 1

Spalte:

476-477

Autor/Hrsg.:

Habermas, Handbuch des Bibellesens und der Bibelkunde für den Schul- und pfarramtlichen Unterricht

Titel/Untertitel:

zugleich Lehrbuch der Bibelkunde für mittlere und höhere Schulen besonders auch Präparanden und Seminarien

Rezensent:

Fay, Friedrich Rudolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 16..

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zu der Linken bringt. Die Vorbereitung der Preufsifchen
Provinzialfynoden führt zu den Anfängen der Landeskirchlichen
evangelifchen Vereinigung, deren Programm
auch evangelifch gefinnten Mitgliedern des Proteftanten-
vereins die Hand zur Verftändigung bietet (372), während
fich alsbald unter Führung der Berliner Hofprediger
der Austritt der pofitiven Mittelpartei (393 f. 398 f.) und
ihr Bündnifs mit den Confeffionellen (434 fr. — .das wichtigste
Parteimitglied, das man gewann, war der alteKaifer)
vollzieht. Die Gefchichte der Preufsifchen Generalfynoden
wird unter diefen Umständen zu einer Gefchichte fort-
fchreitenden Rückgangs der Mittelpartei, die von 124 auf
50 Mitglieder finkt. In ganz gleichem Verhältnifs wächst
die Verdienftlichkeit der Publiciftik Beyfchlag's, der —
feit 1876 in den Deutfch evang. Blättern — den Schutz
auch des Theologifchen Liberalismus übernimmt, wie er
denn auf den Synoden felbft fast allein für die Freiheit
der theologifchen Facultäten und ihrer Forfchung eintritt.
Sein organifatorifches Talent führt endlich im Gegenfatz
zu der aufs fchärffte verurtheilten Kirchenpolitik des
Fürsten Bismarck zur Gründung des Evangelifchen Bundes,
wobei Nippold und Lipfius friedlich mit ihm zufammen-
wirken. Beyfchlag's bekannte Beurtheilung des Vaticanum
und des Altkatholicismus findet in dem vorletzten
Capitel mit der Ueberfchrift ,Unterm Canoffagang' einen
zufammenfaffenden Ausdruck.

,Der geneigte Lefer fragt vielleicht längst, wo denn
über diefer nicht abreifsenden kirchenpolitifchen Tages-
fchriftftellerei meine wiffenfchaftliche Berufsarbeit geblieben
fei. Sie ift nicht darüber zu kurz gekommen, oder doch
nur infofern, als jene Tagesfchriftftellerei mich abgehalten
hat, auf abgelegenen Gebieten, aus denen für das Leben
von Volk und Zeit nichts zu holen gewefen wäre, eine
Specialgelehrfamkeit zu fammeln, oder auch manches
modern-theologifche Buch zu lefen, das ich mit dem
Gefühl, nichts daraus gelernt zu haben, bei Seite gelegt
haben würde' (690). Diefe Erklärung deckt fich mit einer
aus jüngeren Jahren in Th. L. Z. 1897, S. 394 aus dem
ersten Bande mitgetheilten. Es ift darum auch nicht über-
rafchend, dafs die dort angeführten Urtheile über Hegel
und Baur fich in gleichlautenden über ,die moderne theologifche
Schule' (276. 363. 366. 675) fortfetzen. Vgl. dazu
Lobftein Th. L. Z. 1897, S. 274 ff. Auch Ritfchl's Theologie
mufs Beyfchlag von vornherein unter die wiffenfchaft-
lichen Erfcheinungen gezählt haben, aus denen für ihn
wenig zu lernen war. Denn er hat fich nur zu ,mäfsiger
Kenntnifsnahme von derfelben' bewogen gefehen, und
in der Charakteristik derfelben, die er trotz diefem naiven
Geftändnifs aus Anlafs der Bender'fchen Lutherfeftrede
von ihr giebt, fpiegeln fich fehr bekannte Vorlagen wieder
(5841. vgl. 695). Neben diefer Ablehnung des Refultats
diefer fyftematifchen wie jener kritifchen Theologie er-
fcheint das formelle Eintreten für die freie Forfchung in
der Kirche fast wie eine That der Selbstverleugnung.
Denn in Methode und Ergebnifsen konnte diefem letzten
Vermittelungstheologen aus Nitzfch's Schule die Entwicklung
feiner Wiffenfchaft nur als eine lange Kette
von Irrungen erfcheinen, wie er umgekehrt es fehr begreiflich
finden mufste, dafs die Früchte feines eigenen
wiffenfchaftlichen Denkens in jenen Kreifen wenig Anklang
fanden. Aber auch wer dies Urtheil über Beyfchlag
's gelehrte Leistungen theilen zu müffen glaubt,
wird ihre Verdienste kirchengefchichtlich nicht gering
veranfchlagen. In weiten Kreifen, die für moderne Fragestellungen
einfach unzugänglich waren, hat Beyfchlag
sicher dem Ueberwuchern moderner Orthodoxie kräftig
gewehrt und den, wenn auch noch fo fchüchternen Sinn
für das Recht der Wiffenfchaft in unferer Kirche lebendig
erhalten. Beweis dafür find nicht nur die wiederholten
Auflagen feines Lebens Jefu und feiner Neuteftament-
lichen Theologie, fondern ebenfo die Ausdrücke des
Dankes, der ihm für feine Schriften immer wieder zu
Theil wird. Dabei geht es freilich auch nicht ohne Ueber-

treibungen ab. Das Stärkfte diefer Art ift die Bezeichnung
feiner Chriftologie als eines ,theologifchen Standard
wort einer vielleicht epochemachenden That', einer
,erften zum vollen Durchbruch gekommenen gründlichen
Leistung' (241 f.).

Rumpenheim. S. Eck.

Habermas, Sem.-Oberlehr. Paft., Handbuch des Bibellesens
und der Bibelkunde für den Schul- und pfarramtlichen
Unterricht, zugleich Lehrbuch der Bibelkunde für mittlere
und höhere Schulen befonders auch Präparanden
und Seminarien. Stuttgart, Greiner & Pfeiffer, 1898.
(XI, 130 S. gr. 8.) M. 1.80; geb. M. 2.40

Das vorliegende Handbuch des Bibellefens und der
Bibelkunde enthält zunächst einen theoretifchen Theil
(S. 1—18), in welchem nach einer kurzen Gefchichte des
Bibellefens und der Bibelkunde in der Volksfchule folgende
Fragen erörtert werden: /Warum mufs Bibellefe- und
Bibelkunde-Unterricht in den Volksfchulen ertheilt werden?
Was foll in der Bibel gelefen werden? Wann foll Bibel-
lefen und Bibelkunde getrieben werden? Wie foll ge"
lefen werden? In welchem Mafse und auf welche Weife
foll Bibelkunde getrieben werden?' Bei Beantwortung
der zweiten Frage fpricht fich der Verfaffer zwar dagegen
aus, dafs die ganze heilige Schrift follte mit den Schülern
gelefen werden, will aber doch nicht einen ,Bibelauszug'>
eine fogenannte Schulbibel, gebraucht wiffen. Wir bleiben
dabei, dafs pädagogifche Gründe der gewichtigsten Art
für folche Bibelauszüge fprechen. Nimmt man an der
Bezeichnung ,Schulbibel' Anftofs, fo fetze man, wie

Strack

und Völker, Schäfer und Krebs und auch die Bremer
es gethan haben, statt deffen: ,Biblifches Lefebuch'.

Im zweiten Theil (S. 19—42) wird das Bibellefen und
zwar fo, dafs zunächft die Perikopenftunde als Bibellefe-
ftunde Berücksichtigung findet, behandelt. Es folgt daisn
das gelegentliche Bibellefen im biblifchen Gefchichts- und
im Katechismusunterricht, endlich das Bibellefen in be-
fonderen Stunden, wofür einestheils erbauliche, d. h. vorwiegend
lehrhafte, anderntheils gefchichtliche Stoffe zur
Verfügung geftellt werden. Unter den letzteren befindet
fich eine ziemliche Anzahl von Stellen aus den Propheten
— ohne Zweifel, weil fie zur Charakteristik damaliger
Zeitverhältnifse beitragen follen. Die Auswahl der Lefe-
ftücke fowohl für das gelegentliche, als für das Lefen
in befonderen Stunden ift, foweit wir fehen können, for§"
fältig getroffen; für die letzteren etwas reichlich, Jedoch
follen keineswegs in jedem Jahre bezw. in jedem zweiten
Jahre alle diefe Stellen gelefen werden' (S. 38). In der
Perikopentafel (S. 19—25) find auch die von Nitzfeh
herrührenden neuen Perikopen, die auch das A. T. be'
rückfichtigen, mit aufgeführt. Sie find in unferer rhe1'
nifchen evangelifchen Kirche abwechfclnd mit den alter»
im kirchlichen Gebrauche.

Der dritte Theil umfafst die Bibelkunde (S.43—115)'
die auch als ,Lehrbuch für mittlere und höhere Schulen'
befonders auch Präparanden und Seminarien' gedacht »v
Sie enthält über Inhalt, Bedeutung, Zweck der einzelne"
Schriften der Bibel, bei den neuteftamentlichen Brieten
auch über ihre Veranlaffung, viele fchätzenswerthe u°
gute Ausführungen. Hingegen ift auf Ergebnifse de
biblifchen Kritik, wie fie z. B. in Beziehung auf de.
Pentateuch und den zweiten Theil des Propheten JetaJ
mit einer gewiffen Sicherheit vorliegen, keine Rückhc
genommen. Für höhere Lehranstalten find fie wenig1»^
zu erwähnen. Ignoriren bringt in der Regel keine gut
Früchte.

Zum Schluffe giebt der Verfaffer im vierten 'Ifl^g
(S. 116—124) noch einige Entwürfe für die praktu
Ausführung des Bibellefens und des damit zu verbinden1 ^
bibelkundlichen Unterrichts. Sie werden von Leh