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Ausgabe:

1899 Nr. 16

Spalte:

464-465

Autor/Hrsg.:

Heinrich, J. B.

Titel/Untertitel:

Dogmatische Theologie. Fortgeführt durch Constantin Gutberlet 1899

Rezensent:

Troeltsch, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 16.

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Staatsarchiv zu Parma lieferte 20 Nummern. Daneben
haben die Archive beziehungsweife Bibliotheken zu Rom,
Florenz, Mantua, Modena, Venedig, Siena, Wien zu der
Sammlung beigefteuert. An der Hand diefes umfangreichen
Quellenmaterials läfst fich die Entwickelung der
Dinge vom Beginn des Wormfer Reichstages im Frühjahr
1545 bis zur Ankunft des Kaifers in Regensburg im
April 1546 der Hauptfache nach mit voller Deutlichkeit
verfolgen. Vor allem erkennt man auch die ungeheuren
Schwierigkeiten, die Karl bei dem Kriege gegen die Proteftanten
zu überwinden hatte. Das trotz des Friedens
zu Crespy keineswegs befriedigende Verhältnifs zu Frankreich
, die Unficherheit gegenüber den Abfichten der Türken
, die Unzuverläffigkeit desPapftes fchienen ebenfofehr
dagegen zu fprechen wie die Furcht der katholifchen
Fürften Deutfchlands vor der Stärke der proteftantifchen
Gegner. Karls Bruder Ferdinand, feine Schweiber Maria
und, wie es fcheint, auch fein erfter Ratgeber Granvella
waren gegen den Krieg. Für denfelben wirkte in feiner
Umgebung vor allem fein Beichtvater, der Dominikaner
Pedro de Soto. Von den deutfchen Bifchöfen hat allein
der Cardinal Otto Truchfefs den Krieg gewünfcht und
betrieben. Wenn Karl trotz fo gewichtiger von dem
Plane abrathender Stimmen an demfelben fefthielt, fo
bewog ihn hierzu aufser feinem kirchlichen Eifer und der
im Vergleich zu früher verhältnifsmäfsig günftigen poli-
tifchen Lage befonders die Erwägung, dafs bei längerem
Zuwarten auch die letzten noch katholifch gebliebenen
Theile Deutfchlands zum Proteftantismus abfallen würden.
Liefs fich doch der Erzbifchof Hermann v. Köln trotz der
ftärkflen vom Kaifer perfönlich ausgefprochenen Drohungen
nicht davon abhalten, in der Reformirung feines
Stiftes fortzufahren. Wenn es ihm gelang, feine Abficht
durchzuführen, was fehr wahrfcheinlich war, fo mufsfen
hieraus für den Beftand der kath. Kirche nicht nur im
eigentlichen Deutfchland, fondern auch in den Niederlanden
die gröfseften Gefahren erwachfen. Es war unmöglich
, letztere dann noch ferner beim alten Glauben
feftzuhalten. Uebrigens hoffte Karl es in dem bevor-
ftehenden Kampfe nur mit den Fürften zu thun zu haben.
Die Reichsftädte, vor allem Nürnberg, Augsburg, Ulm,
ja Strafsburg meinte er auf feine Seite ziehen zu können.
Welche Verfuche in diefer Beziehung gemacht find, geht
aber aus den Berichten nicht hervor. — Urfprünglich
follte der Angriff auf die Proteftanten noch im Jahre
1545 erfolgen. Schliefslich aber fchien doch die Zeit
zu weit vorgerückt zu fein, und das Unternehmen
mufste auf das folgende Jahr verfchoben werden. Da
kam es nun darauf an, die Proteftanten bis dahin über
die Abfichten des Kaifers zu täufchen. Hierzu follte
vor allem die Bewilligung eines neuen Religionsgefpräches
auf dem nächften Reichstage dienen. Aber trotz aller
Friedensbetheuerungen gelang es dem Kaifer nicht, die
Proteftanten hinter das Licht zu führen. Sie waren fehr
bald und ziemlich genau über die von ihm mit dem Cardinal
A. Farnefe in Worms getroffene Abrede wegen der
Theilnahme des Papftes an diefem Kriege unterrichtet.
An dem päpftlichen Hofe felbft hatten fie ihre Späher,
die ihnen alsbald von den geheimften Plänen des Kaifers
und der Curie Nachricht gaben. Die Verfchiebung des
Unternehmens erregte von neuem das Mifstrauen des
Papftes, zumal zwifchen den beiden Häuptern der Chriften-
heit auch fonft nicht das hefte Einvernehmen beftand.
Gar zu gern hätte der Papft das unter dem Drucke des
Kaifers nach Trient ausgefchriebene Concil wieder abgekündigt
oder wenigftens verlegt. Karl wollte das nicht
zulaffen. Auch über den auf dem Concil einzuhaltenden
Gang der Verhandlungen waren fie fehr verfchiedener
Meinung. Der Papft wünfchte diefelben mit der Verdammung
der proteftantifchen Lehren zu beginnen, der
Kaifer aber drang darauf, dafs zuerft von der Reforma

freien Concil zu verftehen fei. Die Curialen dachten fich
darunter ein vollftändig vom Papfte abhängiges Concil,
auf das die weltliche Macht abfolut keinen Einflufs haben
dürfe. Natürlich fpielen auch die Intereffen des päpftlichen
Hauses in den Unterhandlungen mit Karl eine
grofse Rolle. Der Papft benutzte unter anderm die Lage,
um Parma und Piacenza auf feinen Sohn zu übertragen.
Der Kaifer, der keineswegs damit einverftanden war, mufste
es gefchehen laffen, wenn er nicht das ganze Unternehmen
gegen die Proteftanten in Frage ftellen wollte. — Ueber
die Zuftände in Deutfchland find die vorliegenden De-
pefchen naturgemäfs nicht fo reichhaltig, wie die früheren
Bände, da fie ja zum gröfsten Theile von den Nuntien
am kaif. Hof gefchrieben find, der fich während diefer
Zeit meiftens in den Niederlanden aufhielt. Doch ermangeln
fie der Nachrichten nicht ganz. Namentlich find
die Briefe des Cardinais O. Truchfefs, aufserdem auch
die Aufzeichnungen Mignanellos in diefer Beziehung zu
beachten. — Dafs die Bearbeitung auf derfelben Höhe
fteht, wie in den früheren Bänden, braucht kaum gefagt
zu werden. Eine vorzügliche Einleitung orientirt über
die Lage in der Zeit, die der Abfaffung der Depefchen
unmittelbar vorangeht und fafst dann die Refultate, die
fich aus den Berichten felbft ergeben, zufammen. Durch
ein ungemein überfichtliches und forgfältig gearbeitetes
Regifter wird die Benutzung in jeder Weife erleichtert.

Weimar. Virck.

Heinrich, weil, päpftl. Hausprälat Gen.-Vicar Domdec.
Prof. Dr. J. B., Dogmatische Theologie. Fortgeführt durch
päpftl. Geheimkämm. Prof. Dr. Conftantin Gutberiet.
8. Bd. Mainz, F. Kirchheim, 1897. (VII, 696 S. gr. 3.)
Das grofse dogmatifche Lehrbuch Heinrich-Gutberlet s
ift hiermit bei dem achten Bande angelangt und damit
bei dem Lehrftück von der Gnade, das neben dem Lehr-
ftück von der die Gnade ausfpendenden Kirche den
wichtigften Platz einnimmt und mit diefem zugleich der
Ort der ftärkflen, in der heutigen katholifchen Theologie
noch möglichen individuellen Befonderheiten ift. Er in
wie die übrigen Bände des Lehrbuches charakterifirt durch
die ruhige und nüchterne, rein fchulmäfsige Darfteilung)
ohne einen Hauch von Myftik, Theofophie oder Specu-
lation. So wird mittelmäfsigen oder untermittelmäfsigen
Schulköpfen die Dogmatik eingedrillt. Dabei ift aber
die Gefammthaltung eine wiffenfchaftlich-ruhige und in der
confeffionellen Polemik anftändige. Scharf betont wird
die für die katholifche Dogmatik felbftverftändliche Ding'
lichkeit der Gnade, wofür man beffer noch den Plm*1
die ,Gnaden' braucht. Die Gnade ift die der blo's
natürlichen Subftanz hinzuzufügende und das Schauen
Gottes erft ermöglichende übernatürliche Gabe. Da,
zeigt fich an der Unterfcheidung der ungefchaffenen un
der gefchaffenen Gnade und an der principiell gleiche ^

jf die Protoplaften, die Enge

Beziehung der Gnade auf die ProtoplafL
und die gefallene Menfchheit. Bei der erften Um
fcheidung ift die unerfchaffene Gnade ,Gott felbft, we
er fich uns giebt'. Die erfchaffenen Gnaden find ,v ^
Gott verfchiedene Gaben, die er uns mittheilt1. Uj61"3^.
erhellt der Sinn der Dinglichkeit der Gnade. Die
erfchaffene Gnade ift der rein religiöfe, pfychologi
natürlich angefehene Vorgang, die gefchaffene Gnade ^_
derfelbe Vorgang als fertiges, fupernaturales, ausgeip
dendes Ding aufgefafst, welche Auffaffung nur die _
matifch-fupernaturaliftifche an Stelle der natürlich-p'y . fl.
logifchen ift. Weshalb denn auch fofort gefagt wi ,
,beide laffen fich mehr fachlich als theoretifch trefl1
denn ,eigentlich giebt fich Gott felbft in jeder gefchane fg
Gnade1 (S. 10). Die andere Unterfcheidung zeigt,
diefe Gnadengabe dann geradezu als metaphyfifcne^eta.
tion des Clerus gehandelt werde. Dabei ift es dann auch änderung bewirkende Subftanz einem allgemeineren' cht,
zu Erörterungen darüber gekommen, was unter einem phyfifchen Rahmen eingefügt wird. Alle Creatur