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Ausgabe:

1899 Nr. 15

Spalte:

440

Autor/Hrsg.:

Stellhorn, F. W.

Titel/Untertitel:

Die Pastoralbriefe Pauli übersetzt und erklärt. 1. Der erste Brief an Thimotheum 1899

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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439

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 15.

440

biblifch - theologifche Aufeinanderpaffung der Grundgedanken
der verfchiedenen Schriftfteller' überwinden.
Er wählt zu diefem Behufe als Paradigmen den Jakobus-,
den erften Petrus- und den erften Johannesbrief aus, weil
diefe drei Schriftftücke ,in ihren Grundgedanken folida-
rifch verbunden find' (S. 68). Am wenigften erbaut finde
ich, mich durch den erflen, den ,Grundgedanken des
Jakobusbriefes' gewidmeten, Abfchnitt. Die einer präcifen
Faffung faft durchweg widerftrebende, weil vielfach nur

gebene,Vergleichung mit dem erften Johannesbrief', fofern
fie die im Allgemeinen beftehende Verwandtfchaft beider,
die praktifche Seite am Chriftenthum betonender, Schriften
zu weit ins Detail verfolgt und überdies dem Jakobusbrief
dem Johannes fo gut wie dem Petrus gegenüber ,die
Kraft des Anfangs und der Urfprünglichkeit' zuerkennt
(S. 65). Schliefslich wird aus diefer vorgeblichen Priorität
auch ,eine höchft fchätzenswerthe Bezeugung für das

vierte Evangelium' abgeleitet (S. 74).
übernommene Begriffswelt des Briefes wird zu einem I In der kleineren Abhandlung (S. 75—87) will Dalmer
fetten Gefüge inhaltlich auf einander angelegter, fcholaftifch J beweifen, dafs 1. Petr. 1,18. 19 keineswegs blofs zur
gegen einander abgegrenzter und in fyftematifche Wechfel- Erläuterung von 1, 17 dienen kann (um zu zeigen, was
Beziehung verfetzter Begriffe. Bezeichnend ift folgende j Gott daran gefetzt hat, dafs wir feine Kinder werden

Ueberficht der Gliederung. ,Der erfte der von der oocpia
ausgehenden Betrachtungskreife gab ein allgemeines Bild
von den beiden fich ausfchliefsenden Mächten, welche
die Lebensführung des Menfchen beherrfchen können.
Der zweite Kreis wird an den Punkt und an die anthro-
pologifche Stelle rühren, wo die Initiative zur Entfcheidung
für oder wider gefafst wird. Der dritte wird die andere

follen), fondern ein neues Motiv für die ganze vorhergehende
Ermahnung einführt (Erinnerung daran, wie wir
zu der Hoffnung, von der feit 1, 3 die Rede ift, gekommen
find). Dem fleht freilich der fyntaktifche Anfchlufs des
Participialfatzes an 1, 17 entgegen. Aber ,bei einem
Manne, der, wie fich 3, 1. 7 zeigt, wenig Gewicht auf gram-
matifche Genauigkeit legt, wird man fich über diefe

wird ein fehr einfacher Sachverhalt mit vielen Künften
verdeckt.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

göttliche Seite tangiren in Bezug auf den Lebensanfang ' Conflruction nicht wundern dürfen' (S. 86). Auch hier
und die Lebensführung, bis fchliefslich der vierte von dem
Abfchlufs der Lebensführung durch das göttliche Gericht
handelt' (S. 13). Die ooipia ift ,ein zufammenfaffender
Ausdruck für die Art und Weife des durch die Initiative
des Glaubens in eine beftimmte Stellung zu Gott gerückten
Lebens'. Für die Begriffsbeftimmung der jiiotiq
aber kommen folgende drei Momente in Betracht: inhaltliches
Ueberführtfein, äufsere (in der Offenbarung)
und innere (in der feelifchen Verarbeitung derfelben)
Einheitlichkeit, innere Energie, d. h. in fich felbft gewiffe
Verwerthung der beiden Momente' (S. 14). Wenn ich

den Ausdruck ,das eingepflanzte Wort annehmen' 1, 21 1 —■©—,— -------;-—t • -■-- -

etwas fchief gerathen fand, fo foll vielmehr zur völligen j Ueberfetzung und Auslegung des erften 1 imotheusbnetes
Klarheit über den Sinn der Stelle die Einficht dienen, j ,will nichts fein, als eine moghchft genaue, kurze uno

Stellhorn, Prof. D. F. W., Die Pastoralbriefe Pauli übersetzt
und erklärt. I. Der erfte Brief Pauli an Timo-
theum. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1899. (VII, 147 S.
gr. 8.) M. 2.40; geb. M. 3.—

Die fchon in den ,Theologifchen Zeitblättern', dem
Organ der lutherifchen Synode von Ohio, erfchienene

dafs das Eingepflanztfein eben die jtioriq, die Annahme
aber die Oocpia ift (S. 15). Und auch auf den Begriff der
öixaioGvvrj ift der der oocpia von vornherein zugefchnitten.
,Bei der oocpia fpiegelt fich die Lebensart im Bewufstfein
des Menfchen als Urtheil über fich felbft wieder, in der
öixaioovvrj im Urtheil Gottes über den Menfchen' (S. 17).
Diefes rechtfertigende Urtheil Gottes wird aber erft beim

bündige Darlegung des reichen Inhaltes des apoftolifchen
Briefs mit ungezwungener Anwendung auf die Gegenwart
'. Dagegen läfst fich felbftverftändlich nichts einwenden
. Wohl aber, wenn der Verfaffer Doctor und
Profeffor der Theologie (an der Capital University zu
Columbus) ift, gegen die Fortfetzung des obigen Pr°"
gramms: ,Mit den jetzt fo fehr beliebten und doch in

Endgericht gefpfochen, und die von mir dagegen geltend j ,de.r .^gel für das chriftliche Leben fo unfruchtbaren
„~r*G~u^ ?i«iL_.....* ____1 7-0^n„^u»if.LJL^ o -,T_ I kntifchen Fragen und Hypothefen giebt fic fich g<"

gemachten Gegenwart- und Vergangenheitsformen 2,21—
25 wollen nichts befagen, weil fie ,vom Standpunkt der
abgelaufenen und ablaufenden Gefchichte des Menfchen
gefetzt find' (S. 22). Als Norm diefes Gerichts gilt dann
der vöpoq, welcher 2,8 ßaoiXixöq heifsen foll, weil für
die Erben des Königreiches 2,5 beftimmt, und vöjioq
rrjq eXtv&spiaq 2,12, weil er beim Gericht Freiheit bringt
(S. 19 f.) Nur für werthlofes Spiel mit willkürlich herzugebrachten
Begriffen kann ich es ferner halten, wenn
diefes Gefetz wie Norm für die Werke, fo auch Object
für den Glauben und eben deshalb Zeichen des Bundes
fein foll, woraus für den Glauben das neue Moment der
Bundestreue gegen Gott refultirt. ,So verhalten fich
Jtioriq und tgya zu einander wie die perfönliche, innere
Bejahung des beftimmten Gnadenbundes und die Leiftung
der Lebensbedingungen, unter denen der Chrift in diefem
Bunde fleht' (S. 24), und wenn vom ,toten Glauben' die
Rede ift, fo weift das nicht, wie ich meinte, auf eine ver-
hältnifsmäfsige Entleerung hin, die der Glaubensbegriff
bei Jakobus erfahren hat, fondern will nur befagen: ,die
Bundestreue verliert durch Werklofigkeit die ihr natürliche
Energie. Es bleibt als Reft nur der tote, fozufagen
unperfönliche Beftand des nicht mehr innerlich aufgenom- ,

menen, fondern nur noch fich aufdrückenden Wahrheits- Extravaganzen, wie Ecclefiazufenthum (S. 52 114, 1 „t
gehaltes' (S. 25 f.) Für mich kaum verftändlich! j f^^^^^^^!^?!1 fS- f. TL GeMehr
läfst fich anfangen mit dem zweiten Abfchnitt,

nicht ab'. Als ob diefelben nur Kleinigkeiten und Aufsendinge
beträfen! Unfers Verfs. Meinung fcheint das allet'
dings zu fein. Denn ,noch keinem Beftreiter der Echthei
ift es gelungen, zu zeigen, wie diefe Briefe, die von Anfang
an zu den bekannteren gehörten, von einem Anderen
als Paulus hätten verabfafst und mit Erfolg m
Briefe des Apoftels ausgegeben werden können' (S. }°r
Und doch weifs der Verf. felbft beffer als manche feiner
deutfchen Autoritäten — er citirt feiten, gewöhnlm1
Hofmann, zuweilen noch Kübel, Huther und B. Weifs
dafs die in den Paftoralbriefen bekämpften Irrgeifter nu
unter den Gnoftikern des zweiten Jahrhunderts ge^c^).
und gefunden werden können (S. 19, 86, 88); er geften
auch, dafs man fich fchon einigermafsen gegen den ,ent*
Eindruck' von Apg. 20, 25 fperren mufs, um eine Rur-
kehr des Apoftels aus Rom nach Ephefus annehmt^
zu finden (S. 7). Ift demnach wiffenfchaftliche Forderung
aus diefem Commentar, der in naivfter Weife den I*J
unter den Vorausfetzungen der ökumenifchen und lut
rifchen Symbole auslegt, nicht zu gewinnen, fo er'r g
er doch hier und da durch unverblümte Kennzeichnu &
von Auswüchfen fpecififch amerikanifcher Unfitten 0 ^

T-T vfrounmn'/on urin J-T r- r 1 a fi 1111 Aart ¥ Vi 11 rr / Q r* 1 T T/l. - .

der ,die Vergleichung mit dem erften Petrusbrief' und
dazu manche gute Bemerkungen, z. B. über die Ver-
taufchung der Begriffe vöuoq und eXjciq (S. 39 f.) bringt.
Weniger befriedigt wieder die im dritten Abfchnitt ge-

_0 - - , -----o-------- — (_JC

fchriftgemäfs), Temperenzler-Askefe (S. 64, 73, ,29k . e0
bete von Männern, die dabei die Hände auf den Rüc ^
legen oder in die Hofentafchen ftecken (S. 45) u
Anderes.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.