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Ausgabe:

1899 Nr. 12

Spalte:

375-377

Autor/Hrsg.:

Below, Georg von

Titel/Untertitel:

Die neue historische Methode 1899

Rezensent:

Troeltsch, Ernst

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 12.

376

verein zu Gunften der ,unbewufsten Christen' u. f. w.
werden erörtert, in fo mafsvoller und doch entfchiedener
Weife, dafs Referent fich dem Verfaffer zu lebhaftem
Dank für die ihm fehr fympathifche Kundgebung gedrungen
fühlt. Die hohen Verdienfte Rothe's auf ethi-
fchem Gebiete werden dabei mit wärmfter Anerkennung
gewürdigt, und die Schätze werden aufgezeigt, die noch
in Zukunft aus der ,Theologifchen Ethik' werden zu erheben
fein. Der Verfaffer weifs sich mit dankbarer
Pietät an Rothe gebunden, ,der keinen mehr losläfst,
der ihm einmal innerlich nahe getreten ift, und der in
höherem und freierem Sinn auch da noch Lehrer und
Führer bleibt, wo man das gemeinfame Ziel auf einem
anderen als dem von ihm gelehrten Wege zu erreichen
fucht'. Die Schrift Mezger's ist ein hervorragend werthvolles
Stück der anfehnlichen Rothe-Literatur.

Marburg. E. Chr. Achelis.

Below, Prof. Dr. Georg von, Die neue historische Methode.

(Aus: Hiftorifche Zeitfchrift Band 81, S. 193—273.)
München, R. Oldenbourg 1898.
Rickert, Prof. Dr. Heinrich, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft
. Freiburg i. B., J. C. B. Mohr, 1898.
(71 S. gr. 8.) M. 1.40

Mit dem Zufammenbruch der Metaphyfik, wie fie die
drei theologifchen Hauptfchulen in den erften zwei
Dritteln unferes Jahrhunderts geübt haben, und der Entfaltung
einer hiftorifchen Theologie, die auf dasChriften-
thum nur die allgemein-hiftorifchen Methoden unter Ab-
fehung von jeder befonderen theologifch - chriftlichen
Methode anwendet, find einerfeits die alten metaphyfi-
fchen Probleme des Verhältnifses Gottes zur Welt u. f. w.
— wenigftens vorläufig — zurückgetreten, andererfeits
aber neue Probleme principiell hiftorifcher Natur, wie die

Frage nach dem Wefen des Entwickelungsbegriffes, der j Gruppirung der Thatfachen findet er ohne viel Unter

Boden vertheidigt, auf dem auch allein die Religions-
gefchichte fich bewegen kann, ohne zur Gefchichte von
Illufionen und Spiegelbildern wirthfchaftlicher Wünfche
oder Klaffenverhältnifse zu werden und eben damit ihr
eigenes Wefen aufzuheben. Es ift ein Unding, den Ge-
fchichtslauf von Naturverhältnifsen und den damit zu-
fammenhängenden wirthfchaftlichen Bedingungen aus-
fchliefslich oder auch nur in erfter Linie abzuleiten. Es
ift vollends ein Wahn, durch diefe Ableitung, bei der
ja doch immer noch rein pfychifche Factoren ins Spiel
treten, Naturgefetze der Gefchichte gewinnen zu wollen.
Principielle, auf Gegenftand und Methode des hiftorifchen
Erkennens begründete Regeln verfucht Below nicht zu gewinnen
. Er weift nur das thatfächliche Scheitern aller Ver-
fuche naturwiffenfchaftlich-gefetzlicher Behandlung der
Hiftorie nach und beruft fich mitRanke,Sybel, v.Treitfchke,
Erdmannsdörffer, Volkelt und Dilthey darauf, dafs das
Element des hiftorifchen Gefchehens die Perfönlichkeit
und die Freiheit fei und dafs diefes Element jede naturartige
Behandlung durch fein Wefen ausfchliefse. Er fteht
alfo wohl im wefentlichen auf dem Standpunkte Dilthey's,
wonach die Pfychologie die Grundwiffenfchaft der Gefchichte
fei und die hier zu gewinnende Einficht in die
Möglichkeiten und Wirkungsweifen menfchlichen Seelenlebens
die hiftorifche Methode zu beftimmen habe. Noch
zurückhaltender ift er gegenüber den weiteren Problemen
des Entwickelungsbegriffes, des Entwickelungszieles und
des Verhältnifses normativer Wahrheiten zur Gefchichte.
Vom Entwickelungsbegriff nimmt er nur das Princip
einer immanent-pfychologifchen Erklärung des hiftorifchen
Gefchehens auf; die Möglichkeit, Entwickelungsgefetze
zu conftruiren, beftreitet er rundweg, da fie bisher noch
immer unverwirklicht geblieben fei und da die Wechfel-
beziehung aller gefchichtlichen Einzelgebiete zu anderen
irgend eine reine Entwickelungslinie zu gewinnen nicht
geftatte. Das dem Hiftoriker unentbehrliche Princip der

hiftorifchen Methode überhaupt, des Verhältnifses ge- fuchungen, in dem die deutfche Hiftorie beherrfchenden
fchichtlicher Erkenntnifse zu normativen, in den Vorder- | Begriffe einer Weltkultur, in welcher der Staat als der
grund getreten. Wie diefe Probleme für die Bildung 1 eigentliche Träger diefer Kultur eine bcfondere Bedeutung
unterer gefammten Weltanfchauung immer bedeutfamer I hat. Hierin ift — ohne dafs v. Below das befonders
geworden find und daher ein lebhafter Kampf um das ; hervorhöbe — der Niederfchlag der idealiftifchen deutfchen
Wefen und die Ziele der hiftorifchen Methode entbrannt j Gefchichtsphilofophie enthalten und auch die Frage nach
ift, fo haben fie auch für die Theologie eine grundlegende 1 der Bedeutung der Gefchichte für die Gewinnung von
Bedeutung, einmal in Bezug auf die Methode und Unab- j Normerkenntnifsen wenigftens rudimentär beantwortet,
hängigkeit religionsgefchichtlicher Forfchung, die von 1 Freilich hat v. Below die hierin liegenden fchweren, ver
jeder ,naturwiffenfchaftlichen' Methode der Hiftorie aufs
äufserfte bedroht wird, andererfeits in Bezug auf die aus
einer hiftorifirenden Auffaffung erwachfende Schwierigkeit
für die Gewinnung religiöfer Normwahrheiten. Im
theologifchen Jahresbericht habe ich daher diefen Fragen
eine befondere Rubrik gewidmet. So mögen auch hier
zwei Schriften befprochen werden, die fich mit ihnen
befchäftigen und deren Verfaffer eine Stellungnahme der
Specialforfcher wünfchen und zu wünfchen ein Recht
haben.

Vom Standpunkte des hiftorifche Forfchungen betreibenden
Fachmannes äufsert fich v. Below in einer
allgemein als vortrefflich anerkannten Abhandlung, deren
Zweck ift, das von Lamprecht vertheidigte Programm einer
,naturwiffenfchaftlich-empirifchen', Naturgefetze der Gefchichte
anftrebenden Hiftorie zu bekämpfen. Man darf
fich dabei zugleich Buckle's und Taine's erinnern, die für
uns Theologen gröfsere Bedeutung haben als Lamprecht,
und der ,Sociologen', von denen das früher befprochene
Buch Barth's berichtet. Es ift v. Below nicht fchwer
geworden, die Haltlofigkeit und Unficherheit aufzudecken,
mit der Lamprecht feine Theorien vorträgt, vor allem den
principlos eklektifchen Charakter, der fie fo fchwer
fafsbar macht. Er hat dem gegenüber mit vorzüglicher
Klarheit das Recht der bisherigen, auf der Romantik
und den grofsen juriftifchen, philologifchen und politifchen

wickelten und wichtigen Probleme nicht befonders herausgehoben
und behandelt, wie das der blofse Hiftoriker
darf und kann. Schon der Religionshiftoriker wird fich
weniger leicht damit abfinden können, und vollends derjenige
nicht, der von der Religionsgefchichte aus webe"1'
lieh die Gewinnung normativer Erkenntnifse anftrebt, f"
befcheiden und bedingt er diefe Normativität auch
faffen mag.

Es trifft fich daher vorzüglich, dafs gleichzeitig e'n
Philofoph von Fach die principiellen hiftorifchen Frage"
von den allgemeinften Vorausfetzungen aus und mit de"1
umfaffendften gefchichtsphilofophifchen Endzweck De'
handelt. Rickert hat den Anlafs dazu in der Errichtung
einer ,Gefellfchaft für Kulturwiffenfchaften' gefunden,
eine Parallele zur ,Gefellfchaft für Naturwiffenfchaften
bilden und ihr Programm entwickeln wollte. (Verg1-
hierzu auch die Anzeige v. Below's, Preufs. Jahrbb. 18°?'
Bd. 95, S. 542—551.) Er fafst die Sache rein vom Sta""'
punkte des Logikers auf, und zwar des neukantifc"e
Logikers, der die Principien der Wiffenfchaften nicht a"
dem Wefen der bewufstfeins-transfeendenten Objccj
entnimmt, nach denen fich die ihnen gewidmete Metho"
zu beftimmen hätte, fondern aus den im Bewufstfe'
gegebenen Denkrichtungen, durch die erft die Gegenftä"01
entftehen. So ift ihm Naturwiffenfchaft und Gefchicht J
wiffenfehaft nur eine verfchiedene Betrachtungsweife e'

--.--™B"---juiuiuuum, yuiiuivg.,v..>~----j/uiiuiwiit.. ................... ..... ....... . ... .-W11V.V...1.V. — . j.

Hiftorikern fufsenden Hiftorie gezeigt und damit den I und defselben Objectes, unferes Bewufstfeinsinhaltes,