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Ausgabe:

1899

Spalte:

15-18

Autor/Hrsg.:

Barnard, P. Mordaunt

Titel/Untertitel:

Clement of Alexandria quis dives salvetur 1899

Rezensent:

Koetschau, Paul

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15 Theologifche Literaturzeitung-. 1899. Nr. t. rfl

heit der Detailunterfuchungen, die Vollftändigkeit des
dargelegten biblifchen Stoffes — auch ein Bibelkenner
entdeckt dabei noch ein oder das Andere, was ihm bisher
entgangen ift oder deffen Bedeutung er nicht fo erkannt
hat —, der Scharffinn, mit dem die verfchiedenen exege-
tifchen Möglichkeiten befprochen werden, die ernfthafte
Gewiffenhaftigkeit, mit der die Entfcheidung getällt und
der vorliegende exegetifche Thatbeftand anerkannt wird;
als Beifpiel, dafs folche Genauigkeit in ihrer Art von
grofser Bedeutung werden kann, nenne ich Clemens
Unterfuchungen über ,Erbfünde'. Clemen bricht hier mit
dem früheren Sprachgebrauch, der fehr Verfchiedenes
vermifcht und dadurch eine nicht geringe Verwirrung
angerichtet hat; dabei unterfcheidet Clemen die ,Erb-
fünde', die er als Anrechnung der Sünde Adams an
feine Nachkommen definirt, und die,Gemeinfchaftsfünde'
d. h. die Anrechnung der Sünde Anderer an Zeitgenoffen
und Nachkommen; er findet dann, dafs von ,Erbfünde'
(im definirten Sinne) nur an fehr wenigen Stellen der
Bibel die Rede ifi. — Andererfeits kommen alle diefe
aufgewandten Mittel nur der ,biblifchen Lehre' zu gute;
Recenfent aber ift der Meinung, die, wie er denkt, auch
Clemen nicht beftreiten wird, dafs es zuletzt nicht auf
die Lehre ankommt, die wir aus der Bibel über die Sünde
gewinnen, fondern auf die deutliche Anfchauung der
lebendigen Perfonen, deren Ausfage über die Sünde, mit
der fie gerungen, die fie fchmerzlich beklagt, über die fie
in Gottes Kraft triumphirt haben, uns einen Theil ihres
innerften Lebens enthüllen. Solche lebensvolle Erkennt-
nifs der Perfonen ift freilich nur möglich, wenn die Perfonen
begriffen werden im Zufammenhange mit dergröfse-
ren Gefchichte des Kreifes von Menfchen, in dem fie ge-
Itanden haben. Demnach wird die eigentliche Dispofition,
die in das Wefen der Sache einführt, doch nicht nach
loci oder nach Schriften (,Lehrbegriffen') eintheilen, fondern
nach den Phafen des gefchichtlichen Verlaufes. —
Höher alfo als eine Unterfuchung über die ,biblifche
Lehre' von der Sünde, d. h. zu deutfch: über die Re- 1
flexionen von der Sünde, die fich hin und her zerltreut
in den fo mannigfaltigen Schriften des Kanons finden,
würde der Recenfent fchätzen eine Gefchichte der Sünde
in Israel, d. h. eine gefchichtliche Monographie, die uns
in das Leben der Religion in Israel einführt und uns
zeigt, welche Rolle in diefer Religion zu verfchiedenen
Zeiten und in verfchiedenen Kreifen der Gedanke an
die Sünde, das Bewufstfein, fündig zu fein, der Kampf I
gegen die Sünde im Leben der Frommen und des Volkes
gefpielt habe; aber — wer wird uns diefe Gefchichte ;
fchreiben?

Wenn alfo zwifchen Verfaffer und Recenfenten auch
manche Unterfchiede der Dispofition beliehen, die letztlich
auf principielle Differenzen zurückgehen, fo mufs
Recenfent doch anerkennen, dafs die genannten Vor- |
züge diefer Arbeit, wenn fie auch vom anderen Stand- I
punkt gefchrieben ift, ihr auch in feinen Augen einen |
Werth verleihen; niemand, der fich mit ähnlichen Ge-
genftänden befchäftigen will,wird anClemen'sUnterfuchung
vorübergehen dürfen.

Berlin. H. Gunkel.

Barnard, P. Mordaunt, M. A., Clement of Alexandria quis
dives salvetur, Re-edited together with an introduction
on the mss. of Clement's works. (Texts and Studies.
Contributions to biblical and patristic literature. Ed.
by J. A. Robinson. Vol. V. No. 2.) Cambridge,
University Press, 1897. (XXX, 66 S. gr. 8.) sh. 3 —

Die von ü. Stahlin (in feinen Beiträgen zur Kennt-
nifs der Handfchriften des Clemens Alexandrinus, Nürnberg
1895, S. 24; vgl. dazu des Ref. Befprechung ThLZ.
1896 No. 4, Sp. 102 ff.) angekündigte kritifche Ausgabe I
der Homilie des Clemens Alexandrinus von Herrn |

Barnard liegt nun vor und darf als Vorläuferin derkünf
tigen kritifchen Gefammtausgabe des Clemens mit be-
fonderer Freude begrüfst werden.

Die Einleitung, ,on the text of Clements works
behandelt in 4 Abfchnitten I. die Hss. des Protrepticus
und Pädagogus, 2. den Text der Stromata, Excerpta und
Eclogae, 3. den Text der Homilie, 4. die Florilegien und
bietet theils Beltätigungen, theils Ergänzungen zu Stäh-
lin's .Beiträgen'. Z. B. wird p. X sq. eingehend die Identität
des Cod. Mutin. Gr. 126 (III D 7) mit dem Cod.
Carpenfis des Victorius nachgewiefen (vgl. Stählin a.a.O.
S. 6), und p. XII die Vermuthung, dafs die letzten zwei
Seiten des Cod. Mutin. von der Hand des Schreibers
der Stromata-Hf. (Laur. pl. V c. 3) gefchrieben find, fehr
wahrfcheinlich gemacht. Daraus würde die intereffante
Thatfache folgen, dafs im XI. saec. die drei Hauptwerke
des Clemens in einer Bibliothek vereinigt waren (vgl.
O. Stählin, Unterfuchungen über die Scholien zu Clemens
Alexandrinus, Nürnberg 1897, S. 14). Gegen Stählin
(Beiträge S. 6, doch vgl. deffen Unterf. über die Scholien
des Cl. AI. S. 15 unter C) nimmt Barnard (p. XIV u.
XIX) die Abhängigkeit des Cod. Laur. pl. V c. 24 vom
Cod. Par. 451 nicht als unbedingt ficher an. Ferner
glaubt er aus dem Befund der Stromata-Hf. (Laur. pl. V
c. 3) fchliefsen zu follen, ,that Clement never fimshed
Book VIII, ending with § 161, das dahinter Folgende fei
fpäterer Zufatz eines Schreibers oder Herausgebers aus
dem Nachlafs des Clemens. Auf p. XXI sqq. giebt dann
B. eine genaue Befchreibung der von ihm im Auguft 1894
verglichenen Escurial-Hs. il III 19 s. XL, die als letzten
Theil die 19 Homilien des Origenes zu Jeremia (vgl.
ThLZ. 1898 No. u Sp. 294) und als Anhang dazu mit
der Ueberfchrift 'O/iiXia die Schrift des Clemens enthält.
Von dem Scor. ift Cod. Vat. Gr. 623 s. XVI., die Quelle
aller bisherigen Ausgaben, abgefchrieben, wahrfcheinlich
in Venedig, wo Don Diego Hurtado de Mendoza, der
frühere Befitzer der Hf., Gefandter war. Der Scor. ilt am
Schlufs durch Herausreifsen eines Blattes verftümmelt.
Wenn nun auch Eufebius h. e. III 23 und zahlreiche
Hff. der Scholien des Maximus Confeffor zu Dionyf.
Areopag. (Barnard p. XXIV sqq.) ein Stück des Verlorenen
(die Gefchichte von Johannes und dem Räuber)
ergänzen, fo bleibt doch ein Verluft von ca. 22 Zeilen
(der Barnard'fchen Ausgabe) zu beklagen. Da Scor. zu
Anfang diefes Excerptes noch erhalten ift, fo läfst fich
hier die Güte der directen Ueberlieferung der Homilie
feftftellen. Die Abweichungen zwifchen Scor. einerfeits
und Euf. und Excerpt. andererfeits find, wie ich hervorheben
möchte, nicht bedeutend (B. p. XXVII); p. 3211.
334.15 hat Scor. wahrfcheinlich, p. 3317 ficher das Richtige
, da Clemens auch fonfl häufig omx~Q für Xqiöxoq
braucht; p. 3311 ift vielleicht anoXmXsiv (vgl. Gramm, d.
griech. Spr. von Kühner-Blafs I § 72, 2, d) zu fchreiben.
Dafs hier mehrere Auslaffungen im Scor. conftatirt werden
, ift für die Textkritik wichtig. Im letzten Abfchnitt
der Einleitung werden die Florilegien, foweit fie für die
Homilie in Betracht kommen, befprochen; ein Fragment
läfst fich mit grofser Wahrfcheinlichkeit in die Lücke am
Schlufs (B. p. 36) einfügen.

Der Text (p. 1—37) wird von Anmerkungen (p. 39
bis 46) begleitet, die das Verftändnifs des zum Theil
fchwierigen Textes erleichtern und die Befferungsver-
fuche des Herausgebers und anderer Gelehrten rechtfertigen
sollen. Unftreitig ift hier durch Scharffinn und
befonnene Ueberlegung viel Verdienftliches geleiftet worden
(vgl. z. B. H. Jackfon's evidente Conjectur p. 1810),
es bleibt aber bei dem Zuftand der Ueberlieferung noch
manches zu thun übrig. Dafür einige Beifpiele: p. 210
ift für Xsyoa wohl ficher XÖycp zu fchreiben; p. 33 halte
ich rj .für unrichtig (vgl. p. ,511. 1611) und fchreibe dafür
xcö oder (mit Köfter) &a>; p.37 kann man das überlieferte
ästSQ flehen laffen, wenn man fchreibt: Xsym 6s.
xcivxct sxaxsQa, astsQ srii xmv jtXovaimv, xdl .... xdi . . . .