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Ausgabe:

1899 Nr. 11

Spalte:

327-328

Autor/Hrsg.:

Dillmann, August

Titel/Untertitel:

Der Prophet Jesaja erklärt. 6., umgearbeitete Auflage von Rudolf Kittel 1899

Rezensent:

Siegfried, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. II.

328

frommen Kern diefes Volkes wird vom Vf. als innerlich
zu wenig klar verworfen. Die literarkritifche Löfung führt
auf verfchiedene Verfaffer der Ebed-jahveftellen. Einige
derfelben meinen eine Collectivperfon, das Volk Israel,
andere eine Einzelperfon. In der letzteren mit dem N. T.
und den Kirchenvätern Jefus zu finden, geht wegen Jes. 53,4
nicht an, da hier die Erlöfung bereits als vollbracht bezeichnet
wird. Es müffe eine judäifche Perfönlichkeit
vermuthet werden, welche Matt des gewöhnlichen meffia-
nifchen Königsbildes das Bild eines durch Leiden fremde
Schuld Sühnenden biete. Diefe Perfönlichkeit, welche
nicht einen zukünftigen Retter, fondern einen bereits der
Vergangenheit angehörigen darhelle, in welchem fein
Volk den Meffias erkannt hat, ih nach dem Vf., der fich
hierin Sellin anfchliefst, in Serubbabel zu finden. Er
fei wahrfcheinlich die Perfönlichkeit, welche dem Verfaffer
von Jes. 53 vorgefchwebt habe. Es liege aber in
diefer Erfcheinung ein Vorbild und eine Weisfagung auf
einen Kommenden, der wirklich eine folche Sühne
brachte. Freilich eine Rechnung mit mehreren unbekannten!

Jena. C. Siegfried.

Di II mann, Prof. Dr. Auguh, Der Prophet Jesaja erklärt.

Für die fechhe Auflage herausgegeben und vielfach
umgearbeitet von Prof. Dr. Rudolf Kittel. (Kurz-
gefafstes exegetifches Handbuch zum Alten Teftament.
Fünfter Band.) Leipzig, S. Hirzel, 1898. (XXX, 534 S.
gr. 8.) M. 9.-

Die zeitgemäfsen Erneuerungen von Lehrbüchern
und Commentaren zum A. T. werden in der Literatur
der Gegenwart fchwer zu befeitigen fein, da fie ein ,noth-
wendiges Uebel' find. .Nothwendig' find fie zwar wohl
nur für die Verleger, die fleh von der Zugkraft eines
berühmten Namens erfahrungsgemäfs nicht trennen
können, fo lange die Generation lebt, die diefen Namen
noch aus der Wirkfamkeit feines lebendigen Befitzers
kennt. Ein ,Uebel' aber find folche Bücher für den Lefer,
dem der Ruhm des Verfaffers der früheren Auflagen
keinen Nutzen bringt und der doch der ,Pietät'; die der
Bearbeiter gegen feinen Vorgänger übt (f. p. VI des oben
angez. Werkes), Rechnung tragen mufs, obwohl das gekaufte
Buch dadurch nicht beffer wird. Wir wollen darum
auch dem Bearbeiter der 6. Aufl. des Dillmann'fchen
Jefaia, R. Kittel, keine Vorwürfe machen, denn er verdient
vielmehr Bedauern über die inneren Nöthe, die ihn
zwifchen Dillmann und der fortfchreitenden Wiffenfchaft
hin- und herpendeln und wenn auch zuletzt zur Ruhe,
fo doch nicht zu rechter innerer Befriedigung, kommen
liefsen. Auch hat er fich jedenfalls Mühe genug gegeben
und wahrfcheinlich mehr geben müffen, als ihm die Ausarbeitung
eines felbftändigen Commentars gemacht hätte.
Was die Eingriffe unferes Bearbeiters betrifft, fo ftimmen
wir ihm darin zu, dafs rein fachliche Ergänzungen oder
Nachträge aus der neueren Literatur, die D. felbft ver-
muthlich gemacht haben würde, wenn er fie erlebt hätte,
vom Bearbeiter ohne Weiteres eingefchoben werden
konnten. Dagegen meinen wir, dafs folche Aenderungen,
die einer früher geäufserten Anficht D.'s geradezu wider-
fprechen oder von denen es unwahrfcheinlich bleibt, dafs
D. fie gebilligt haben würde, von K. hätten überall wie
bei cap. 19 (S. 169fr.) gefchehen, beftimmt als von ihm
felbft herrührend bezeichnet werden müffen. D. gehörte
zu den nicht feltenen Schwaben, die nicht geneigt find,
ein Wort mit fich fprechen zu laffen, wenn fie einmal
ihre Partei ergriffen haben. — Lebhafte Anerkennung
verdient die gründliche Einarbeitung des neuen Materials
in den Tenor der Dillmann'fchen Exegefe, welche K. fich
hat angelegen fein laffen. Man wird da kaum etwas
Wefentliches namentlich aus den Arbeiten der Affyrio-
logen vermiffen. Sorgfältiger hätte die Formulirung der
Anfchauungen des Bearbeiters über den fogenannten

zweiten Theil des Jefaia gefchehen follen. S. 344ff mufs
der Lefer auf den Gedanken kommen: Jef. 40—66 fei für
eine einheitliche Schrift zu halten, denn es wird ftets
nur von der vom ächten Jefaia abweichenden Sprache
und Darfteilung gehandelt, wie das früher Brauch war.
S. 352 erfahren wir aber, dafs das Gefagte wefentlich
nur für c. 40—48 gilt, S. 424, dafs allerdings die Zeitlage
von c. 49—55 eine ziemlich ähnliche fei, wahrfcheinlich
aber auf die Situation der neuen paläftinifchen Gemeinde
zu Jerufalem verweife, und S. 472 ff., dafs wir für die
c. 56—66 eine neue Schule von Schriftftellern anzufetzen
haben, die zu einer Einheit zufammenzufaffen überhaupt
nicht gelingen will. Denn weder nach ihrem ,Ton
und Geift', noch nach der Abfaffungszeit ihrer Stücke
laffen fich diefe Partien als zufammenhängende erkennen.
Einzelnes deutet auf die erften Anfänge der nachexilifchen
Periode, anderes auf die Zeit von Efra und Nehemia,
anderes auf noch fpätere Zuftände, fo dafs man überhaupt
zweifelhaft wird, ob hier noch von einer einheitlichen
Schule geredet werden könne. — Ueber die Ebed Jahwelieder
entfcheidet der Herausgeber ungefähr fo wie Duhm.
Dankenswerth ift die zufammenfaffende Erörterung über
den Jahweknecht S. 457—463, in der K., fich von D.
losmachend, eine felbftändige literarkritifche und biblifch-
theologifche Löfung diefer Frage fucht, die wir der be-
fonderen Aufmerkfamkeit des Lefers empfehlen möchten.
Die Vergleichung des Gottesknechts mit Jeremia drängt
fich hier unwillkürlich auf; Serubbabel aber erfcheint
doch zu wenig von perfönlicher Bedeutung gewefen zu
fein (vgl. S. 462), fo fehr es auch neuerdings Mode wird,
ihn in die Höhe zu fchrauben. — Im Ganzen überwiegt
bei uns das Gefühl des Dankes gegen K. für die fchwierige
und oft undankbare Arbeit, die er bei Neubearbeitung
diefes Commentars geleiftet hat.

Jena. C. Siegfried.

Frankenberg, Paftor extr. Lic. W., Die Sprüche übersetzt
und erklärt. (Handcommentar zum Alten Teftament.
In Verbindung mit anderen Fachgelehrten herausgegeben
von Prof. D. W. Nowack. II. Abtheilg., Die
poetifchen Bücher, 3. Band, 1. Theil.) Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht, 1898. (IV, 169 S. Lex. 8.)

M. 3.40

Der Anlage des Nowack'fchen Handcommentars
zum A. Teft. entfprechend bietet Frankenberg aufser
dem eigentlichen Commentar eine vollftändige Ueber-
fetzung der Sprüche. Diefe ift im Allgemeinen nüchtern
— poetifcher Schwung wäre auch eine wenig geeignete
Form für den oft hausbackenen Inhalt der Proverbien
gewefen. Die Ueberfetzung ift im Grofsen und Ganzen
correct und zuverläffig. Hin und wieder ift fie unklar,
z. B. 93b (die Weisheit) ,lädt ein zur Seite (?) der Hochwerke
der Stadt', aus dem Commentar erfährt der Lefer
unter Verweifung auf 82, dafs D*Wa, das unglücklich
durch Hochwerke wiedergegeben ift, P'eftungswerke,
Mauern, Thürme etc. bedeuten foll. Schön find auch
nicht Wendungen wie 104a ,Armut erfchafft der Faule',
oder 251a ,die folgenden find ebenfalls Sprüche Salomo's'.
i6a hält Fr. im Commentar die pofitive Bedeutung von
fbObE für fraglich, in der Ueberfetzung verbindet er
tlJfbE mit bü'a und giebt beides zufammen durch ,dunklen
Sinnfpruch' wieder, ohne ein Fragezeichen dahinter zu
fetzen. Warum 422a und 23b öiifj mit ,Segen' überfetzt
wird, ift unverftändlich. Dafs Dlb Sltf ,nicht mehr
wie nachftellen' bedeute, ift Einbildung. Hier läfst fich
Fr. die Verbefferung Dyferinck's entgehen, der DU fü*
Dl vorfchlägt.

Es ift anzuerkennen, dafs Fr. fich bemüht hat, fchad-
hafte Stellen des textus receptus durch die Vergleichung
der alten Verfionen oder durch Conjecturalkritik zu befeitigen
. Von beiden Hülfsmitteln macht Fr. einen mafs-