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Ausgabe:

1899 Nr. 10

Spalte:

314-317

Autor/Hrsg.:

Schmid, K. A.

Titel/Untertitel:

Geschichte der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, bearbeitet in Gemeinschaft mit einer Anzahl von Gelehrten und Schulmännern. 4. Bd., 2. Abtlg 1899

Rezensent:

Achelis, Ernst Christian

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 10.

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fich redlich bemüht, dies zu thun, wird S. 82 in einer
faft eidlichen Form verfichert.

Die Ausführbarkeit deffen, was hier gefordert wird,
hängt davon ab, ob die Vorausfetzung richtig in. Diefe
Frage wäre vielleicht zu bejahen, wenn man unter Judenthum
« das gefetzliche Judenthum verfteht, welches durch
das priefterliche Gefetz des Alten Teftamentes begründet
worden ift und im Talmud feine claffifche Ausprägung
gefunden hat. In diefem läfst fich in der That durch
die Jahrhunderte hindurch eine gewiffe innere Einheit

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friedlich neben einander]. — Im 3. Capitel wird zwar
zugegeben, dafs das Judenthum in der älteften Zeit par-
tikulariftifch war. Aber das war eine hiflorifche Noth-
wendigkeit. ,Alle Völker waren partikulariftifch' (S. 163).
Ueber diefen Partikularismus weift aber hinaus ,der in
der gefammten Gedankenwelt des Judenthums gleich-
mäfsig verbreitete Gedanke von der für alle Menfchen
allgemein beftehenden ethifchen Verpflichtung, ausgleichenden
Verheifsung und idealen Hoffnung' (S. 166).
,Der Weg zum Heil in diefem, zur Seligkeit im künftigen

nachweifen. Fafst man aber, wie vom Verf. gefchieht, J Leben, fleht nach der rabbinifchen Lehre allen Menfchen
üen Begriff des Judenthums weiter, fo dafs darin auch j offen, und es bedarf keiner religiöfen Uebung, keines
t-he prophetifche Religion des Alten Teftamentes und ihre i Tempels und keines Opferdienftes um das Ziel zu erNachwirkung
in allen fpäteren Zeiten inbegriffen ift, dann ; reichen, fondern nur der fittlichen Läuterung und lieb-
Wlrd man von einem einheitlichen Geift des Judenthums, [ reichen Gefinnung' (S. 157). — Im 4. Capitel wird namentlicher
eine einheitliche Sittenlehre erzeugt hätte, nicht j lieh ausgeführt, dafs die rituelle Heiligung Symbol der

Pjehr fprechen können; denn die Grundgedanken des
r°phetismus und des Nomismus fchliefsen fich theil-
weife aus.

g In der Darflellung des Verfaffers find aber nicht nur

fittlichen Heiligung ift und Schlechterdings nur als Symbol
' ihre Bedeutung hat und haben kann (S. 203). —
Capitel 5 hebt die pädagogifche Bedeutung der Gefetz-
lichkeit hervor. — Im 6. Capitel ift für uns chriftliche
Theologen namentlich von Intereffe, wie hoch der Verf.

foncjente deS judifcrien Nomismus und Prophetismus,

Ideen^ aUcl1 mancne durchaus modern-philofophifche j die fittlich gute Anlage des Menfchen fchätzt. Die Rab
von d VVlrI<larn- Sein vielfeitiger Geift hat Anregungen
und Lf1 verl^ch'edenften Seiten her in fich aufgenommen
le , he nun als ein in mannigfaltigen Farben fchil-
Un^des Reflexbild wieder ausftrahlen. Aber kein Kundiger
die 0 Jec''v Urthcilender wird behaupten können, dafs
,derapS^Cnhefsliche Lichtquelle diefes farbenreichen Bildes
j> 1. Gefammtgeift des (judifchen) Volksftammes und der
^'gionsgemeinfchaft felbft' fei, wie der Verf. feinerfeits
glaubt (S. 73, 82).

f0]j r*Gr vorliegende Band, dem noch ein zweiter folgen
Sin' ,handelt in zwei Abfchnitten ,die Grundlegung der
jj«enlehre' (S. 3—183) und: ,das Ziel der Sittlichkeit:
urn'f rng des Lebens'(S. 185-361). Der erfte Abfchnitt
Sittp 1 Ldrei CaPitel: 1. Von den Quellen der jüdifchen
3 ^uiehre, 2. Das Princip der jüdifchen Sittenlehre,
jiip - e* Charakter der jüdifchen Sittenlehre. Der zweite
cnmtt hat vier Capitel: 4. Heiligung ift Verfittlichung,
Sitt eruttlichung ift Gefetzlichkeit, 6. Naturgefetz und

e"gefetz, 7. Heiligung als Vereinigung,
des h Ur ^eSrundung unteres obigen Urtheiles fei folgen-
tye fl,erausgehoben. Im 2. Capitel legt der Verf. grofsen
Zvv h auf die Autonomie des Sittengefetzes. Gott ift
fchH rai'S Gefetzgeber gedacht (S. 85). Das hat aber
ye 'elslich nur den Sinn, dafs Gott dem Menfchen die
Fhatrnft ZUr Feitung des Willens gegeben hat (S. 103).
jede cnucn ,ftel!t der menfehliche Geift unabhängig von
alf0 r .üufseren Macht und von jedem fremden Einflufs,
es (■ ydllig autonom, Sittengefetze auf; er thut dies, weil
dierplne.r inneren Natur, feinem Wefen entfpricht; aber
er h s fein Wefen, feine Natur ift nicht aus ihm felbft,
fejn . es nicht gefchaffen, es ift nicht das Erzeugnifs
NothS 'lens und feiner Freiheit, fondern einer gegebenen
aqs jWendigkeit. Das Sittengefetz ift autonom, weil es
allej ^ Wefen des menfehlichen Geiftes und aus ihm
k°rnrnf ammt' (S- io3 Q- >®as worauf es hier allein an-
jede ■• '-'"-> dafs durch die Autonomie jeder fremde Wille,
der eUfSere Macht und jeder fonftige Beweggrund von
(S. jQ^höpfung der Sittlichkeit fern gehalten werde'
de's m '^er Grund des Sittlichen liegt in der Natur
der Menfchen und im Wefen der Sittlichkeit felbft. In
Unleu hUr des Menfchen; diefer findet in fich, als eine
Guteg .re und unentrinnbare Thatfache den Trieb zum
aüsWe: urie der Menfch Licht und Finfternifs mit un-
fcheirj'0. Iicller Nothwendigkeit unterfcheidet, fo unter-
V0rz e er auch zwifchen gut und böfe; und wie der
2Weifpu, r Fichtes, ift ihm auch der des Guten un-
«« aii!_a/:' CS- 115). [Da hiernach

15). [Da hiernach das Sittengefetz
wie d" "ien'cnen identifch ift, fo bleibt es räthfelhaft,
Zeu„ v-r Verf- von emer jüdifchen Ethik, welche ein Er-
kang lls des jüdifchen Volksgeiftes fein foll, fprechen
• Gedanken von Kant und Herder wohnen hier

binen unterfcheiden zwar einen ,guten Trieb' und ,einen
böfen Trieb' im Menfchen. Aber ,der böfe Trieb' ift
nur Bezeichnung des finnlichen Triebes (im weiteften
Umfang), und das Sinnliche als folches ift nicht böfe.
Es kommt nur darauf an, dafs es durch das Sittengefetz
geregelt werde (S. 263 ff.). — Ein Anhang zu diefem
Capitel Hellt den Talmud in idealem Lichte dar (S. 289
—310). — Im 7. Capitel wird die Bedeutung der Heiligung
' für das menfehliche Gemeinfchaftsleben erörtert.

Das Mitgetheilte wird genügen, um zu zeigen, wie
weit fich die Ethik des Verf. von derjenigen entfernt,
welche das pharifäifche und rabbinifche Judenthum als
eine Jüdifche' anerkannt haben würde.

Göttingen. E. Schürer.

Schmid, weil. Prälat Gymn.-Rektor Dr. K. A., Geschichte
der Erziehung vom Anfang an bis auf unsere Zeit, bearbeitet
in Gemeinfchaft mit einer Anzahl von Gelehrten
und Schulmännern. Fortgeführt von Dr. phil.
Georg Schmid. 4. Bd. 2. Abteiig. Stuttgart, J. G.
Cotta'fche Bh.Nachf., 1898. (X, 881 S. Lex. 8.) M.27.—

Der in der Anzeige der erften Abtheilung des vierten
Bandes diefes hervorragenden Werkes (Th. Lit. Ztg. 1897,
Sp. 643) geäufserte Wunfeh, es möchte im Intereffe der
Gründlichkeit der Arbeit der urfprüngliche Plan, den
Stoff in vier Bänden zu behandeln, nicht innegehalten
werden, foll in Erfüllung gehen. Der vorausfichtlich in
Jahresfrift erfcheinende fünfte Band wird die Gefchichte
der einzelnen Schularten in Deutfchland, Frankreich,
England darbieten, und ein Nachtrag, der die Gefchichte
der Univerfitäten und technifchen Schulen fowie ein Re-
gifter über das ganze Werk enthält, wird den Schlufs
machen. Die vorliegende zweite Abtheilung des vierten
Bandes ift eine bewundernswerthe Leiftung; ihr Werth
fleht in geradem Verhältnifs zu dem grofsen Umfange.
Hervorragende Mitarbeiter find dem Herausgeber auch
diesmal zur Seite geftanden. Mit einer wahrfcheinlich
vom Herausgeber verfafsten Abhandlung: Das Zeitalter
der Aufklärung und Erziehung und Unterricht in Deutfchland
(S. 1—26) wird der erfte grofse Abfchnitt: Der
Philanthropinismus (S. 27—445) eingeleitet. J. B. Bafedöw
und das Philanthropinum in Deffau (S. 27—316) hat wahrfcheinlich
der Herausgeber bearbeitet; von ihm flammt
auch die Darflellung von Chr. H. Wolke (S. 317—326).
Es folgen D. K. Fr. Bahrdt und die Philanthropine zu
Marfchlins und Heidesheim (S. 326—350) von Oberfchul-
rath Auguft Israel in Zfchopau, Chr. G. Salzmann
in Schnepfenthal (S. 350—380) von Oberfchulrath Dr.
Ernft Gundert in Efslingen, J. H. Campe (S. 381—411),