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Ausgabe:

1899

Spalte:

278-280

Autor/Hrsg.:

Drummond, Henry

Titel/Untertitel:

Das ideale Leben und andere Ansprachen aus dem Nachlass 1899

Rezensent:

Hans, Julius

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277

Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 9- 27§

Bewufstfeinsindividuen leugnen muffe, wird durch eine
aeauctio ad absurdum zu widerlegen verfucht. Bei der
eingehenden Berückfichtigung moderner Anflehten, be-
londers derjenigen von Schuppe und Avenarius, könnte
man die neuerdings mehrfach verhandelte von Uphues
njgeftellte Annahme eines befonderen in der Wahr- ,

"jmmung enthaltenen ,Gegenftandsbewufstfeins'vermiffen, j man folche „individuelle Pflichten" erkennt- die Zeitvereine
Art wiffenfehaftlicher Faffung jenes ,unmittel- hältniffe und die individuelle Stellung ift doch zu unklar

cnmmr hier das Gewiffensorakel wieder zu Tage?

genden erheblich gefchwächt, der Flug des chriftlichen
Lebens gelähmt zum Philiftröfen, Mittelmäfsigen. Fatal
find hier die evangelifchen Räthe'. Die proteftantifchen
Theologen helfen fich damit, dafs fie — fo Martenfen —
die evangelifchen Räthe als Gebot nur für einzelne In-
dividum bezeichnen. ,Mag doch Martenfen angeben, wie

baren Empfindens' darftellt.

Auch die Realität von Raum und Zeit wird feft-
pnalten und die Endlichkeit der Körperwelt in räum-
icher wie in zeitlicher Beziehung behauptet. In der
pychologie thut fich der Verf. viel auf feine Bewufst-
einstheorie zu gute, nach welcher die einmal gedachten
orftellungen nicht mehr aus dem Bewufstfein ver-
nwinden, fondern bewufste, aber theilweife unbemerkte
Dicilinhalte des fpäteren Bewufstfeins bleiben. Die Er-
nerung wäre dann nur ein Bemerktwerden der im Be-
1 Sff'"6'11 'mmer vorhandenen Vorftellungen (S. 50; 148;
? "•) Er bezeichnet diefe Theorie in der Vorrede fogar
s .Centrum und Schwerpunkt des Ganzen', was der
e'er feines .Syftems' kaum zutreffend finden wird. Ich
^ann darin nur eine — wie mir fcheint nicht glückliche
f fj?nc^erung der wiffenfehaftlichen Terminologie, keine
p'r f,10'1 fruchtbare, neue Beleuchtung jener pfycholo-
|ilchen Grundfrage fehen. Auch die Entftehung der
eele und ihr Schickfal nach dem Tode werden noch in
d rl? Zoologie befprochen. In erfterer Beziehung wird
f tT • reat'amsmus befürwortet. ,Die Bewufstfeinsbildung
neint ein unmittelbares Eingreifen des Weltgeiftes zu
•ordern, von dem allein die Seele als deffen Ebenbild
ausgehen kann'. (S. 280f.) Die Unfterblichkeitshoffnung
lrd auf zwei Ideen gegründet: ,die der Vervollkomm-
T nß "nc^ etbifche Idee'. Ohne diefelbe wäre der
od ein ,unlogifcher Abrifs in der Entwicklung'(S. 281.)
j* . Bntfchieden fchwächer als die bisherigen Abfchnitte
fo 1 -^'e Ausführungen über Moral- und Religionsphilo-
jPnie. Der Verf. zeigt fich zwar auch hier in der neueften
j"teratur wohlbewandert, — befpricht z. B. eingehend
j- e'n°ngs fcharffinnige ,Pfychologifch-ethifche Unter-
f ehungen' mit ihrer Aufftellung mathematifcher Formeln
- r den Inhalt des fittlichen Bewufstfein — vermag
. aber in den Grundfragen von unfruchtbarer Scholaftik
nu Sanz loszumachen. Aus der Moralphilofophie feien
r zwei Punkte hervorgehoben. Das Gewiffen ift ihm
e.n >verftandesurteil', die ,Anwendung des Wiffens auf
^nen beftimmten, gegebenen Fall', .nichts als die Ge-
„ mtbeit aller Ueberzeugungen', .nichts von der Verne
, n»t Verfchiedenes' und darum nur formaler Natur.

r----„„ Aor R^hauntunn-: .Weil VerOder
kommt hier das Gewiffensorakel wieder zu Tage?
Nur keine höhere Vollkommenheit zugeben, der katho-
lifchen Heiligkeit ja keinen Vorweg einräumen! Lieber
Unfinn reden und die Schriftwortc aufs fchmählichfte
verdrehen'. (S. 353.) So lange der Verf. freilich das Ideal
der Ethik in einem Syftem einzelner Gebote fleht, welche
in der Weife der vom Jefuitismus zur Virtuofität ausgebildeten
kafuiftifchen Moral — und doch für die zahl-
lofen Möglichkeiten des wirklichen Lebens ftets unzulänglich
— das Leben des Chriften regeln follen, wird
er das Wefen der ungetheilten wahrhaft evangelifchen
Vollkommenheit niemals verliehen lernen.

Der in der Ethik zu Tage tretende Intellektualismus
beherrfcht auch die, übrigens fehr kurz behandelte, Re-
ligionsphilofophie. Religion ift zwar auch nach dem Verf.
,als Gefammtthätigkeit fowohl Erkenntnifs, als Gefühl, als
Wille und Handlung'. (S. 359. Eine Zeile weiter unten
finnftörender Druckfehler: lies: verkennt ftatt erkennt.)
Aber ,am wichtigften ift natürlich die V erftandesgrund-
lage'. ,Es war der unglücklichfte Gedanke Schleiermachers
, aber eben der Gedanke, der dem Bankrott des
religiöfen Denkens entfproffen ift, das Wefen der Religion
in das Gefühl und zwar in das Gefühl der Abhängigkeit
vom Univerfum zu fetzen' (S. 3S9f) Dementfprechend
foll Gott gedacht werden als .höchftes, fich felbft als das
einzig ihm ganz genügende Object ftets umfaffendes
denken und zugleich als der Schöpfer und Lenker des
Univerfums' (S. 372).

So gehen in dem Werk modern-philofophifche Durcharbeitung
der Probleme und fcholaftifche Elemente unvermittelt
nebeneinander her. Etwas von der letzteren
Geiftesrichtung verräth fich übrigens auch in der apo-
diktifchen durch unvorfichtige Ausdrücke gekennzeichneten
Art, wie der Verf. fremde Gedankengänge, manchmal
ohne Verftändnifs ihres eigentlichen Nervs (z. B.
Berkeley S. 39, Gaufs S. 63, den Pfychologismus S. 68,
die idealiftifche Auffaffung der Zeit S. 103) von feinem
Syftem aus abthut. Er fpricht von den ,Abfurditäten'
Paulfens (S. 198I, Determiniften wie Windelband find
.ekelhaft' (S. 255), die Vertreter einer abfoluten Moral
find eine ,hohle Pharifäergefellfchaft' (S. 358), Feuerbachs
Theorie ift .elend' (S. 362). Abgefehen von folchen Kraft-

a, v^fteigt fich fogar zu der Behauptung: .Weil Ver- ineo

naesact, trägt ferner der Gewiffensentfcheid den Cha- ausdrucken, die immer den Verdacht unficherer Pofition
rC-er ruhiger Befonnenheit gegenüber dem erregten 1 erwecken, mag das Buch, das fich auch durch gute Aus-
efühl und dient als Regulator gegen auftretende heftige ] ftattung (mit Ausnahme des Einbands, der beim Lefen
o^r°iriungen'(S. 332 fr.). Das Unmittelbare, Gefühlsmäfsige in einzelne Bogen zerfällt) und billigen Preis empfiehlt,
d'gerade den Character hochgradiger Erregung Tragende dem katholifchen Theologen, der ein nicht allzugefähr-
in ^Gewiffensäufserung, das fchon der Sprachgebrauch liches und doch vollftändiges Lehrbuch der Philofophie
I Ausdrücken wie: .Gewiffensbiffe' verräth, ift völlig ver- > zur Hand haben will, beffere Dienfte thun, als irgend ein
y nr>t. Auch die Schriftlehre vom Gewiffen wird berührt. | anderes, das den Stempel kirchlicher Genehmigung trägt
, n den 31 Stellen, in welchen övvel&nöiq im N. T. vor-

" -r f-U;„K„ mft Her Abficht

Riedlingen a. D. Th. Elfenhans.

— visu <i oiencu, 111 nsivuvu v.«-----,—3 At_r U +

ko<nmt, fuhrt der Verf. - fcheinbar mit der Abficht

^jBändigerAA^^^^^J^l^mna, Henry, Das ideale Leben und andere An-
^^i^^l^^^^ ~ -s dem Nachlass^ Autorifirte deutfehe
Verden, wenn er fagt- das zweideutige Schwanken zwifchen , Ausgabe von Julie Sutter. Bielefeld, Velhagen &
**er m'ajeftätifchen Öffenbarungsquelle und einem blofsen Klafing, 1899. (IV, 314 S. 9-) Geb- M- 4-5°

etlichen Trieb füllt die moderne proteftantftche Ethik; | ^ ^ ^ Nachlaffe von Drumm0nd herausgege-

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Gafs feX^^F6",l£^^ÄÄdS^S! enthält, find, wie ein kurzes, mit J. S. unterzeichnetes
hSZl Ka ller. Weckesser wie auch meiner eigenen Vor ' , ' „.«r.tenthrils in Kirchen gehaltene Pre-

^men k8 WcCkeSSCr W,C aUCh me'ner g 1 VoWt feg, gröfstentheils in Kirchen gehaltene Pre-

F.V, on"en- . ,. lAjiuk-». pMMbt ift die Beurthei- i digten und entflammen den Jahren 1876!—1881, da er als
^^ttSg+fiSSÜSS S ST» ! ÄTor Glasgow ei„e LlHM aus Arbeitern
'"«»Selka, fm ftotelhntismus find die heroifchen Tu- : beftehende Sonntagsgemeinde um fich gefummelt hatte.