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Ausgabe: | 1899 Nr. 9 |
Spalte: | 272-273 |
Autor/Hrsg.: | Zahn, Theodor |
Titel/Untertitel: | Skizzen aus dem Leben der Alten Kirche 1899 |
Rezensent: | Goltz, Eduard Alexander |
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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 9.
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Conftantinus Porphyrogennetus im 10. Jahrh. hat anfertigen
laffen (letztere, von Niefe überfehen, für Jofephus bereits
verwerthet von Wollenberg, Recensentur LXXVII loci
cx l'iavi Josepld scriptis excerpti qui ex conlectaneis Con-
stantini Augusti Porphyrogenetae jicqX aQsvrjg xaX xaxiag
in codice Peiresciano extant, Berolini 1871; vgl. Niefe,
Proleg. zu vol. IV p. VIII sq.). Die Güte des Textes
diefer drei Zeugen entfpricht ihrem Alter: Eufebius an
der Spitze, die Conftantin'fchen Excerpte in der Mitte,
der cod. Laurentianus, der nicht wenige Interpolationen
aufweift, an letzter Stelle. Die griechifche Vorlage
des alten Lateiners war am nächften mit dem
Text der Conftantin'fchen Excerpte verwandt,
fteht alfo ebenfalls in der Mitte zwifchen Eufebius und
cod. Laurentianus (Boyfen, Prol. p. XXXIX sq. vgl. Niefe's
Prol. p. XXII). Da Eufebius und die Conftantin'fchen
Excerpte nur Fragmente bieten, fo erhellt hieraus die
Wichtigkeit des alten Lateiners. Ueberdies hat aber der
Text des cod. Laurentianus eine grofse Lücke (Buch II
c. 5—9). Hier ift der Lateiner unfer einziger Zeuge.
Obwohl fchon Niefe für die Herftellung des grie-
chifchen Textes den Lateiner forgfältig verwerthet hat,
unter Heranziehung einiger der wichtigften Handfchriften
(f. Theol. Litztg. 1890, 75 f.), fo ift es doch fehr willkommen
zu heifsen, dafs wir nun eine mit mufterhafter
Sorgfalt hergeftellte kritifche Ausgabe erhalten.
Der Text war bisher fchwer zugänglich. Denn alle
Drucke, welche nach 1524 erfchienen find, find nach dem
Griechifchen corrigirt, geben alfo nicht den alten Lateiner
(Gutfchmid, Kleine Schriften IV, 380 f.). Boyfen hat
nicht weniger als 26 Handfchriften herangezogen. Diefe
zerfallen in drei Gruppen, welche drei Textclaffen darfteilen
. Die erfte Gruppe von 18 Handfchriften enthält
einen mehrfach lückenhaften Text. Boyfen's Unter-
fuchung hat ergeben, dafs die ältefte Handfchrift diefer
Gruppe, der cod. Laurentianus plut. LXVI cod. 2, die
Quelle aller anderen ift (p. XIX—XXVI). Sie flammt
aus dem II. Jahrh. Eine zweite Gruppe bilden vier
Handfchriften, welche den vollftändigen Text geben, aber
derselben Textclaffeangehören, wie die lückenhaften Handfchriften
. Der wichtigfte Vertreter diefer Gruppe ift der
cod. Bodleianus Canonicianus, datirt vom J. 1145 n. Chr. (bei
Boyfen mit B bezeichnet). Eine dritte Gruppe bilden die
noch übrigen vier Handfchriften, unter welchen der Chelten-
hamensis saec. XIII (C) die ältefte ift. Die durch die
beiden erften Gruppen gebildete Textclafie I ift die
beffere, infofern fie fchlechte, unverftändliche Lesarten
ohne Emendation bietet, während der Text der Claffe II
(alfo der dritten Gruppe) ein emendirter ift (Boyfen
p. XIII sq.). Beide Claffen flehen aber doch infofern
neben einander, als jede von beiden eine Reihe guter
Lesarten vor der anderen voraus hat. Beide haben auch
zahlreiche Textverderbnifse gemein, gehen alfo auf einen
fchlechten Archetypus zurück. Boyfen hält es für wahr-
Icheinlich, dafs der Archetypus aller im 10. oder 9. Jahrh.
nach einer Curfiv-Handfchrift des 7. Jahrh. gefchrieben
ift (p. XVIII).
Die Aufgabe der Textkritik war deshalb eine be-
fonders fchwierige, weil die zahlreichen Fehler theils aus
der fchlechten Ueberlieferung, theils aus der Unkennt-
nifs und Nachläffigkeit des Ueberfetzers entfprungen find.
Erftere waren zu befeitigen, letztere nicht. Aber welcher
von beiden Fällen anzunehmen fei, und wie unter Voraus-
fetzung des erfteren der Ueberfetzer wirklich gefchrieben
habe, war oft nicht leicht zu entfcheiden. Boyfen ift
gewifs richtig verfahren, indem er den Grundfatz befolgte
(p. XLVII): ne nimis Interpretern corrigerem ea
tmtum in textum recipere volui, quae aliqua cum proba-
bilitäte iuterprcti ipsi tribui posse confidcbani. Quod nisi
fieri poterat, archetypi scripturam potius malui restituere,
quam inccrtam pro qcnuina lectione venditare. — Im
Apparat find die Varianten von fünf Handfchriften voll-
ftändig mitgetheilt, nämlich die des Laurentianus LXVI, 2,
und die von je zwei Vertretern der beiden anderen
Gruppen, aufserdem auch der editio princeps von 1480.
Da der gedruckte Text aus einem Vertreter der lückenhaften
Gruppe (wahrfcheinlich einem Drcsdensis, L p. XXI)
gefloffen ift, fo erhalten wir in Boyfen's Ausgabe
überhaupt zum erften Male den vollftändigen
Text des alten Lateiners zu unferer Schrift des
Jofephus.
Die Ausgabe ift als vol. VI des lateinifchen Jofephus
bezeichnet. Voll. II—V follen die zwanzig Bücher der
Antiquitäten bringen, vol. I allgemeine Prolegomena de
auctore vel auctonbus (der Ueberfetzung der 204-2 Bücher),
de aetate versionis, de sermone eruditioneque interpretis,
de orthographia in textu constituta (p. II).
Göttingen. E. Schürer.
Zahn, Prof. D. Theodor, Skizzen aus dem Leben der Alten
Kirche. 2. vermehrte und verbefferte Auflage. Leipzig,
A. Deichert Nachf., 1898. (VIII, 392 S. 8.) M. 5.25
Jeder Verfuch, die Refultate theologifcher Forfchung
einem weiteren Kreife nutzbar zu machen, mufs heute
freudig begrüfst werden. Zumal aus der Kirchengefchichte
follten noch viel häufiger, als es bei uns gefchieht, einzelne
lebendige und anfchauliche Bilder fowohl für die
Gebildeten als auch für das Volk dargeftellt werden, um
gröfsere Klarheit in die oft fo verworrenen Anfchauungen
zu bringen. Diefem Zwecke dienen in vorzüglicher Weife
Theodor Zahn's Skizzen aus dem Leben der alten Kirche,
; eine Sammlung von Vorträgen, die jetzt in zweiter Auflage
erfchienen ift. Dafs eine folche nöthig geworden,
ift das befte Zeugnifs dafür, dafs fie dem genannten Zweck
entfprechen. Die Reihenfolge der Vorträge hat der Ver-
faffer für die zweite Auflage geändert und einen neuen
anderwärts auch fchon gedruckten, über Glaubensregel
und Taufbekenntnifs der alten Kirche mit aufgenommen.
Der erfte Vortrag über ,Weltverkehr und Kirche'
während der drei erften Jahrhunderte giebt eine fchöne
Darfteilung der Verkehrsverhältnifse jener Zeit, die in ihrer
Unruhe und Unftetigkeit manche Aehnlichkeit mit der
unfrigen hatte. Unter allem Wechfel von Ort und Zeit
bewahrte fich die alte Kirche den Geift der Freiwilligkeit,
die Treue gegen das gemeinfame Bekenntnifs und die
Fähigkeit fich an jedem Punkte der Welt nach den Ver-
hältnifsen einzurichten (S. I—41).
Der zweite Vortrag über die ,Miffionsmethoden im
Zeitalter der Apoftel' unterfcheidet die fpontane perfön-
liche Gelegenheitsmiffion der erften Jünger, die metho-
difche aber unlautere und nicht felbftlofe Propaganda
der judenchriftlichen Gegner des Paulus und die metho-
difche, weitblickende, aber ganz felbftlofe und nur die
Sache im Auge behandelnde langjährige Arbeit des
Heidenapoftels. Die Charakteriftik diefer 3 Arten des
Miffionirens giebt im Einzelnen bedeutfame Richtlinien
principieller Art auch für die heutige Miffionspraxis
(S. 42—92).
Der dritte Vortrag trägt ganz moderne Frageftel-
[ lungen in das Zeitalter der Apoftel hinein, wie fchon der
j Titel ,die fociale Frage und die innere Miffion nach dem
j Brief des Jakobus' zeigt. Das Refultat ift denn auch,
dafs fpecififche und pofitive directe Auskunft behufs
Löfung der Fragen unferer Zeit, die man unter den Namen
,fociale Frage' und ,innere Miffion' in etwas unklarer
Umgrenzung zufammenzufaffen pflegt, aus dem Jakobusbrief
nicht zu gewinnen find. Die wichtigfte Antwort
aber giebt, wie Zahn fchön und richtig hervorhebt, auch
der Jakobusbrief, nämlich die, dafs die ,Löfung' diefer
Fragen abhängt von einer lebendigen Bewährung der Ge-
finnung chriftlicher Liebe, die alle Unterfchiede des
Befitzes, des Standes und der Bildung überbrückt und
aufhebt (S. 93—115).
Hieran fchliefst fich der vierte Vortrag über Sklaverei
und Chriftentum in der alten Welt' gut an, indem