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Ausgabe:

1899 Nr. 9

Spalte:

270-272

Autor/Hrsg.:

Boysen, Carolus (Ed.)

Titel/Untertitel:

Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. Vol. XXXVII, pars VI 1899

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 9.

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für den Zweck der Vorlefung, ohne nähere exegetifche
Begründung, faft ohne Literatur und ohne fonftiges gelehrtes
Material. Bei der Schilderung des Hintergrundes'
dürfte der helleniftifche Einfchlag im Gedankenkreis des
Paulus im Wcfentlichen richti? abgefchätzt fein. Holften

Punkten reicher und vollftändiger wünfchen, Holften's
Interefie ift doch wefentlich (wie bei der alten Dogmatik)
auf die mit dem Kreuzestod Chrifti und der Rechtfertigung
zufammenhängende Gedankenreihe gerichtet.
Demgegenüber ift z. B. das, was über die Perfon des

Paulus im Wcfentlichen richtig abgefchätzt fein. Holden Demgegenüber ilt 7 ü das, was uoer nie 1 enon aes
fchlägt ihn nicht fehr hoch an, befchränkt ihn eigentlich | Meffias und über das Wefen des durch ihn herbeige-
auf die dualiftifche Auffaffung des Verhältnifses von 1 führten Heiles, d. h. des Gottesreiches, zunachft nach

leifch und Geid, und auf das, was unmittelbar damit
•uiammenhängt. Gerade hier wäre ein näheres Eingehen
auf Einzelheiten fehr erwünfcht gewefen. Namentlich
jn der Pfychologie fcheint mir die charakteridifche Ver-
chiedenheit der paulinifchen von der alttedamentlichcn
Hk ■• ^*cnar^ genuff hervorgehoben zu fein. Für den
•uC aer ift der Leib das condituirende Element; ohne
j™ ein eigentliches Leben nicht denkbar. Für Paulus
"t umgekehrt der Geid das Fede und Bleibende im
welen des Menfchen, der Leib nur eine Hütte (II. Kor. 5).
jrs m keine Frage, dafs hier hellenidifche Einflüffe wirk-
am finci; wahrfcheinlich direct die Sapientia Salomonis,
AM namend'cri Gräfe treffend nachgewiefen hat (in den
Dbtlandlunp.en zu Weizfäcker's 70. Geburtstag 1892). —
b'M u^s des ,Evangeliums Jefu' auf die Gedanken-
udung des Paulus (S. 41—43) fcheint mir unterfchätzt
u fein. Man erhält eben leicht einen falfchen Eindruck,
enn man nur auf die .Theologie' des Paulus achtet.
alst man die paränetifchen Abfchnitte der Briefe ge-
auer jn>s Auge, fo wird man überrafcht durch die zahlreichen
Parallelen zwifchen Jcfus und Paulus'. Und
°n da aus wird es dann doch wahrfcheinlich, dafs auch
ehr wefentliche Punkte in der .Theologie' des Paulus
nter dem Einflufs der von ihm gekannten Predigt Jefu
Ch gebildet haben, in erfter Linie die Idee von der
• Verliehen Liebe Gottes, aber auch der Univerfalismus,
0 eigenartig er auch bei Paulus theologifch fundamentirt ift.
£ Die Genefis der paulinifchen Theologie und die
ZnrlInd£edanken dieferfelbft werden von Holften in diefem
frü atT1 menfaffenden Werke ebenfo dargeftellt wie in feinen
r en- S° dankbar auch die von ihm gegebene An-
t>ung anzuerkennen ift, fo mufs man doch fagen, dafs

jüdifcher Vorftellung und fodann in dem durch .Umformung
' des jüdifchen entftandenen chriftlichen Gedanken-
kreife Pauli gefagt wird, fo knapp wie es felbft in einem
kurzen Abrifse nicht fein dürfte. Dafs hier finnlich-
nationale Hoffnungen zu Grunde liegen, die in der chriftlichen
Anfchauung zwar vergeiftigt und ihrer nationalen
Schranken entkleidet find, aber doch überall wieder hin-
durchfehimmern und fich geltend machen, wird durch
Holften's Darfteilung nicht hinreichend anfehaulich.
Diefer Mangel an Anfchaulichkeit hängt nun freilich
noch mit einem andern Umftande zufammen; mit der
fchwerfälligen, philofophifch-abftracten Ausdrucksweife
Holften's. Immer wieder ift von ,Bewufstfein' und Umformung
des Bewufstfeins' und vielen ähnlichen abftracten
Begriffen die Rede, wo man mit einer einfacheren Ausdrucksweife
nicht nur ebenfo leicht, fondern fchnellcr
zum Ziel kommen könnte. Zum Beleg fei nur die Definition
des .Glaubens' hierhergefetzt. Die möng ift
(S. 72) ,die innere Beziehung des religiöfen Ich auf ein
geiftiges Objekt, auf eine Offenbarung, Verheifsung Gottes,
die nicht an den Willen des Ich fich wendet und eine
in die Erfcheinung tretende Handlung fordert, fondern
an das Wiffen und eine im Innern des Ich fich vollziehende
Bethätigung der Anerkennung fordert'

Wenn fonach Holften's wiffenfchaftliche Leiftung
ihre Schranken hat, fo erfüllt uns dagegen das Charakterbild
des gemüthstiefen und willensftarken Mannes, wie
es vom Herausgeber in dem vorangefchickten Lebens-
abrifs gezeichnet wird, mit unbefchränkter Sympathie.

Göttingen. E. Schür er.

Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum. Editum con-
silio et impensis Academiae Litterarum Caesareac
Vindobonensis. Vol. XXXVII. (gr. 8.) Wien, F.
der Einfamkeit Arabiens' (S. 54) fein theologifches Tempsky, 1898. M. 5.60

pfiem ausfpinnt. Daran ift ja etwas wahr//s- f-vf XXXVII. Flavii Josephi opera ex versione latina antiqua

,lat nach gewiffen Richtungen hin mit lcharter Di - edid;t commentario crUic0 ;nstruxit, prolegomena indicesque addidit
'ektik die Confequenzen feiner religiöfen Vorauslctzungen ßo pars VI De Judaeonim vetustate sive contra

^zogen. Aber er ift ein viel zu reicher und lebend gcr

,Je,ft, als dafs man ihn lediglich unter diefem Gefichts- y , > j

Punkte ausreichend würdigen und die Fülle feiner Ge- s. Die alte lateinifche Ueberfetzung der beiden Bücher
renken von hier aus allein verliehen könnte. Neben den 1 des Jofephus contra Apionem ift, wie die der Antiqui-
C°nfeqUenzen flehen ebenfo viele Inconfequenzen, neben taten, aufVeranlaffung des Caffiodorus, alfo im fechften
fen logifchen Schlufsfolgeruncren eine grofse Mannig- i Jahrhundert nach Chr. angefertigt worden, Cassiodor. De
•altigkeit disnarater von den verfchiedenften Anfatz- - mst. div. litt. c. 17: ab amteus nostns . . . magno labore
Punkten und Motiven ausgehender Gedankenbildungen, m libris viginti duobus converti feeimus in Latinum.
F's ift alfo — das kann nicht verfchwiegen werden — i Von der Verbindung der zwei Bücher contra Apionem
ein verkürztes und einfeitiges Bild, das uns von der Ge- j mit den zwanzig Büchern der Antiquitäten zu 22 Büchern
dankenwelt des Paulus hier gezeichnet wird. Dabei | weifen auch noch unfere Handfchnften Spuren auf, in-
fcheint mir auch die Dispofition des dritten Theiles ; fofern im cod. C/ic/tenhamc?isis de beiden Bücher c.Apion.
uicht glücklich Holften Hellt nachdem zunächft die als Uber vigesimus primus und vigesimus secundus be-
Genefis der Grundgedanken der paulinifchen Theologie 1 zeichnet find (Boyfen, Prol. p. XLIV). — Die lateinifche
^gezeigt ift die Rechtfertigungslehre an die Spitze Ueberfetzung ift zwar nicht feiten fehlerhaft, aber doch
ft>. 64—7g) d'ann f0igt die Lehre von der Sünde (S. 80 ( gerade bei den Büchern contra Apionem für die Her-
"~"98),von der Perfon und vom Werke Chrifti (S. 98 — 106) j Heilung des griechifchen Textes wichtig, weil letzterer
f- w- Ich glaube nicht dafs die Voranftellung der ■ uns nur in einer, noch dazu lückenhaften Handfchrift
^echtfertigungslehre zweckmäfsi^ ift, denn man gewinnt [ uberliefert ift, dem cod. Laurenhanus phtt. LXIX cod. 22,
Jn polge deffen keine rechte Anfchauung von dem wirk- 1 denn die anderen noch exiftirenden griechifchen Hand-
Pchen Verlauf der Sache- wie in der Verwirklichung und j fchnften find aus diefem gefloffen (f. Niefe's Prolego-
UTncignung des Heils ein Moment auf des andere folgt. | mena zu feiner Ausgabe, Jos. opp. vol. V, 1889, und
iNamentlich kommt aber in Folge diefer Dispofition das ' TheoL Litztg. 1890, 75). Zur Ergänzung des Apparates
v.Crhältnifs von Rechtfertigung und fubjectiver Heiligung 1 für den griechifchen Text dienen dieCitate beiEufebius,
n,cllt zu klarer Darftellung; und das ift bei Paulus doch namentlich in feiner Praeparatio evangelica (Buch VIII
ein Hauptpunkt. —X) und die Fragmente in der grofsen Excerpten-Samm-

Auch die Einzelausführung möchte man an manchen lung aus griechifchen Hiftorikern, welche der Kaifer