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Ausgabe:

1899

Spalte:

8-10

Autor/Hrsg.:

Hadorn, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Entstehung des Markus-Evangeliums, auf Grund der synoptischen Vergleichung aufs neue untersucht 1899

Rezensent:

Weiß, Johannes

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 1.

Gabriel und Uriel bilden eine Licht-Säule und führen fie
in das heilige Land. Die Anhänger des Antichrifls aber
wenden fich felbft von ihm ab, worauf er durch Elias
und Henoch, die abermals vom Himmel herabkommen
, getödtet und in den Abgrund geworfen wird.
Zuletzt erfcheint der Gefalbte vom Himmel her mit allen
Heiligen und richtet das taufendjährige Reich auf der
erneuerten Erde auf.

Diefes zweite Stück hält Steindorff für die alte ,Apo-
kalypfe des Elias', weil das letzte Blatt die Unter-
fchrift trägt: ,Die Apokalypfe des Elias'. Mir fcheint,
dafs der Inhalt felbft diefe Annahme unmöglich macht.
Zunächft wiffen wir aus Origenes, dafs die ihm bekannte
Elias-Apokalypfe eine jüdifche Schrift war (f. meine
Gefch. des jüd. Volkes. 3. Aufl. III, 268). In unferer Apokalypfe
gehen aber die chriftlichen Stücke und die Re-
minifcenzen aus dem Neuen Teftament durch das Ganze
hindurch. Gleich im Anfang (S. 19, 6—7 der achmim.
Recenfion) finden wir eine Stelle aus dem erften Johannesbrief
(,Liebet nicht die Welt, noch das was in
der Welt ift' wörtlich = I Joh. 2,15). Die Menfchwer-
dung Chrifti wird als Thatfache vorausgefetzt (S. 20),
das Zeichen des Kreuzes erwähnt (32, :s—4). Die
Warnung vor Zweifeln beim Gebet (S. 24, a—n) erinnert
an den Jakobusbrief. Die Wunder des Antichrifls
(33,2 fr.) find das genaue Gegenftück der Wunder Chrifti
(Matth. 11,5). Die Bezeichnungen des Antichrifls: ,der
Sohn des Verderbens' (29,8—9), ,der Gefetzlofe' (29,10),
,der Sohn der Gefetzloligkeit' (21, 2. 31, 10. 33, 12. 34,
8—9. 16. 35, 1. 18. 37, 10. 38, 5. 39, 14. 40, 5) flammen
wohl aus dem zweiten Theffalonicherbriefe; die
Figur der Tabitha (S. 34, 10 ff.) aus der Apoftel-
gefchichte. Der Spruch: ,wir find ftark alle Zeit im
Herrn' (35, 10) erinnert an Ephefer 6, 10. Die Bezeichnung
der Erwählten als folcher ,auf deren Stirn der Name
des Gefalbten gefchrieben ift und auf deren Hand das
Siegel fich befindet' (achmim. 39,3—5 = fahid. 11,ig—19),
das Auftreten des Henoch und Elias in Jerufalem, wo
fie 3V2 Tage todt auf dem Markte liegen bleiben (fahid.
S. 7, vgl. Apoc. Joh. c. Ii), die taufendjährige Dauer
des Reiches der Herrlichkeit, das alles find ebenfoviele
Reminifcenzen aus der Apokalypfe Johannis. Die
Schrift, wie fie vorliegt, ift alfo chriftlich. Nun ift ja
denkbar, dafs ihr eine jüd ifche Apokalypfe zu Grunde
liegt. Für diefe Annahme kann angeführt werden, dafs
nach S. 29, 2—3 die Juden Aegyptens nach Jerufalem
gebracht werden follen (freilich gewaltfam!), dafs Jerufalem
überhaupt der Schauplatz ift, auf welchem die
Kämpfe des Antichrifls fich abfpielen (achm. 34,15 ==
fah. 6, ig. fah. S. 7. achm. 37, 17 = fah. 10, 1), und wohin
auch die mit dem Siegel des Meffias verfehenen Auserwählten
dereinft verfammelt werden (achm. S. 39 =
fah. 11). Aber gefetzt, eine jüdifche Elias-Apokalypfe
läge zu Grunde, fo müfste dem chriftlichen Ueberarbeiter
ein grofser Theil des Inhaltes zugefchrieben werden. In
einer Elias-Apokalypfe kann nicht von Elias in der dritten
Perfon die Rede gewefen fein, wie hier zweimal der Fall
ift (fah. 7, 5. achm. 42, 11); Elias müfste, wenn er die
Offenbarungen ertheilt, in der erften Perfon von fich
fprechen. Schon aus diefem Grunde, nicht nur wegen
der Reminifcenz an Apoc. Joh. c. 11, fcheiden alfo diefe
Stücke aus. Wenn es aber richtig ift, dafs die in dem
ganzen Abfchnitt S. 31—43 gebrauchten Bezeichnungen
des Antichrifls aus dem zweiten Theffalonicherbriefe
flammen, was im Zufammenhang mit den anderen zahlreichen
Reminifcenzen aus dem Neuen Teftamente doch
recht wahrfcheinlich ift, fo ift diefer ganze Abfchnitt als
chriftlich in Anfpruch zu nehmen. Aber auch der Abfchnitt
über die Kriege der Perfer gegen Aegypten und
ihr Auftreten dafelbft (S. 24—31) fcheint mir nicht aus
der alten Elias-Apokalypfe flammen zu können. Diefe
Combinationen lagen doch erft nahe, als bei der Zerrüttung
des römifchen Reiches ein Uebergreifen orien-

talifcher Mächte bis nach Aegypten hin politifch denkbar
erfchien, alfo in der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts
nach Chr. (damals haben ja in der That zwar nicht
die Perfer aber die Palmyrener auf kurze Zeit in Aegypten
geherrfcht). Endlich kann aber auch die chriftliche
Bufspredigt im Eingang (S. 19—24) nicht der alten Elias-
Apokalypfe angehört haben, da letztere jüdifch war. Ein
Zufammenhang der S. 19—44 vorliegenden Apokalypfe
mit der dem Origenes bekannten Elias-Apokalypfe fcheint
mir demnach im höchften Grade unwahrfcheinlich.

In betreff des erften Stückes (S. 1 —18) wird ein
folcher Zufammenhang auch von Steindorff nicht ange-
| nommen. Auch hier ift von Elias in der dritten Perfon
[ die Rede (S. 14, 12). Aus diefem Grunde, und weil ein
engerer Zufammenhang mit dem zweiten Stücke (der
,Elias-Apokalypfe') nicht befteht, bezeichnet St. diefes
erfte als eine ,anonyme' oder ,unbekannte' Apokalypfe.
Er glaubt nämlich, dafs das Blatt, auf welchem der Name
des Sophonias vorkommt (S. 1 der fahidifchen Recenfion
), auch zu diefem Stücke nicht gehöre. Die Gründe
für die Trennung (Steindorff S. 15) fcheinen mir nicht
durchfchlagend. Sahid. 1 kann fehr wohl vor Blatt I
der achmimifchen Recenfion geftanden haben. Für die
Zufammengehörigkeit fpricht der verwandte Charakter
im allgemeinen, infonderheit aber der Umftand, dafs die
Ermahnung des Engels an Sophonias ,Sei fiegreich und
ftark, damit du befiegft den Ankläger und kommft herauf
aus der Unterwelt' (fah. 1, 12—15) in einem fpäteren Abfchnitt
der achmimifchen Recenfion faft wörtlich wiederkehrt
(achm. 12, 12—15). Es dürfte alfo in fah. 1 und
achm. 1 —18 eine Sophonias-Apokalypfe vorliegen.
Sie kann mit der dem Clemens Alexandrinus be-
: kannten Sophonias-Apokalypfe zufammenhängen; denn
j was Clemens Strom. V, 11,77 daraus citirt, würde fich
j in unfere Fragmente wohl einfügen. Ob der Ausdruck
,Katechumenen' (16, 1) nothwendig chriftlich ift, wage ich
nicht zu fagen. An die griechifche Hades-Vorftellung
erinnert die Ueberfahrt zu Schiff (achm. 12,15 f. 13,1.
14, 4). — Da aus den oben entwickelten Gründen, trotz
der Unterfchrift, auch das zweite Stück fchwerlich eine
,Elias-Apokalypfe' ift, fo find vielleicht beide Stücke doch
nicht verfchiedene Apokalypfen, fondern Theile eines
Werkes. Dasfelbe fcheint mir in der vorliegenden Ge-
ftalt freilich jünger zu fein als Clemens Alexandrinus.

Göttingen. E. Schürer.

Hadorn, Pfr.Lic. W., Die Entstehung des Markus-Evangeliums.

auf Grund der fynoptifchen Vergleichung aufs neue
unterfucht. (Beiträge zur Förderung chriftlicher Theologie
. Herausgegeben von Proff. DD. A. Schlatter und
H. Cremer. 2. Jahrg. 1898. 4. Heft.) Gütersloh, C. Bertelsmann
, 1898. (VI, 165 S. gr. 8.) M. 2.80

Die Schrift Hadorn's beanfprucht weniger um ihrer
felbft willen das Intereffe der Mitarbeiter, als deswegen,
weil wir vermuthen dürfen, in ihr die Anfchauungen der
Herausgeber der ,Beiträge' vertreten zu finden. Je zurückhaltender
die Vertreter der Theologie, welche fich auf
dem Titel diefer Hefte in eigenartiger Plerophorie als die
.chriftliche' bezeichnet, dem fynoptifchen Problem gegenüber
fich bisher gezeigt haben, um fo gefpannter darf
I man fein, was für Methoden diefer Schule aus dem Schatze
| ihres Glaubens und Erkennens zur Verfügung flehen.

Ueberrafchender Weife zeigt fich, dafs auch hier das Ver-
[ wandtfehaftsverhältnifs der Synoptiker durch eine litera-
rifche Benutzungs- oder Bearbeitungs-Hypothefe erklärt
wird. In der Einzelnachweifung der Bearbeitung wird genau
! diefelbe Methode der Vergleichung angewandt, wie in
der fogenannten ,kritifchen'Schule. Die Varianten werden
| nur z. Th. durch Zuwachs an mündlicher Ueberlieferung,
j überwiegend aus Reflexionen fachlicher, ftiliftifcher und
! theologifcher Art erklärt, d. h. es werden höchft fubjec-