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Ausgabe:

1899

Spalte:

219-221

Autor/Hrsg.:

Eckert, Alfred

Titel/Untertitel:

Der erziehende Religionsunterricht in Schule und Kirche 1899

Rezensent:

Bassermann, Heinrich

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die Piscatorbibel aus dem Gebrauche gekommen; fie ift
der Lutherbibel und anderen neueren Ueberfetzungen gewichen
. ,An Stelle der Naffauer Bibel trat die Naffauer
Politik' fagt Steck S. 45; was das bedeutet, weifs ich
nicht.

Möchte die allgemeine Gefchichte der Piscatorbibel
einmal einen ebenfo fleifsigen und verftändigen Bearbeiter
finden, wie ihn die Gefchichte ihrer Bernifchen Schick-
fale in dem Berner Rector von 1896 gefunden hat.

Heidelberg. Adolf Deifsmann.

Eckert, Pred. u. Rekt. A., Der erziehende Religionsunterricht
in Schule und Kirche. Ein Beitrag zur Pädagogik
und Katechetik. Berlin, Reuther & Reichard, 1899.
(VIII, 195 S. gr. 8.) M. 2.60

Das Schlufswort diefes Buches: ,Die praktifche Theologie
gründe ihre Katechetik tiefer, pädagogifcher und
piychologifcher; die Pädagogik ihre Methodik religiöfer,

gläubiger, kirchlicher' bezeichnet feine Haupttendenz i Ueberlegung werth; unfere gewöhnliche Katechetik kann

welches eine pfychologifch begründete, gefetzmäfsige
Anordnung des Stoffes und der geiftigen Arbeit des
Lehrers wie der Schüler darftelle (S. 150.174). Freilich
mehr noch als die Methode ift die Perfon des gläubigen
Katecheten, fie ift Schlechthin alles' (S. 175); fo-
fern in ihr Chriftus Fleifch und Blut annimmt (S. 176) und
ein Engel der Verkündigung des Evangeliums vor die
Kinder tritt (S. 186), ift fie das wirkfamfte Mittel, den künftigen
Glaubensentfchlufs vorzubereiten, daher denn auch
auf die Heranbildung gläubiger Katecheten in den Gym-
nafien, Seminarien und auf der Univerfität weit mehr
Ernft und Sorgfalt zu verwenden ift als bisher.

Man wird nicht leugnen können, dafs das Buch,
deffen Inhalt ich hier fkizzirt habe, mit echter religiöfer
Wärme, mit grofser Sach- und Literaturkenntnifs, fowie
mit eindringendem Scharffinn und beachtenswerther Selbft-
ftändigkeit des Denkens gefchrieben und durch diefe
Vorzüge wohl geeignet ift, die Theologen den Pädagogen,
die Kirche der Schule, die Katechetik der Pädagogik anzunähern
. Die Aufftellungen des Verfaffers find fehr der

(Jafs ich damit ganz übereinftimme, fiehe in meiner Be- i ihnen gegenüber nicht unverändert bleiben; derartiges
iprechung von Zange in diefer Zeitung 1898, Sp. 151). hat Referent fchon gegen die 1. Auflage von Achelis'
Verf.vermifst(S.8u.ö.)mitvollemRechtbeidenneuerenprak- prakt. Theologie in ZprTh. XIV, 95 geltend gemacht,
tifchen Theologen ein verftändnifsvolles Eingehen auf | Damit ift freilich nicht getagt, dafs die Katechetik in
die Errungenfchaften der (Herbart-Ziller'fchen) Methodik, i allen Punkten den Pofitionen Eckert's beitreten müfste.
wie er umgekehrt wieder mit Recht den Vertretern : An manchen Punkten geht er ohne Zweifel zu weit oder
diefer zu Gemüthe führt, dafs fie mit ihrem ,warmherzigen j greift er fehl, und da fein Denken ein fehr gefchloffenes
Moralismus' (S. 101) dem biblifchen und evangelifchen , ift, fo dürfte eine differirende Beurtheilung jener auch
Chriftenthum im Grunde nicht gerecht werden. So ge- ! die Stellung zum Ganzen ftark beeinfluffen. Z. B. gehört
ftaltet fich feine Darlegung zu einer doppelfeitigen Kritik dahin die Behauptung (S. 34ff.), dafs Bibl. Gefchichte und
und ihr Erträgnifs ift eine neue Katechetik in nuce j Katechismus nicht wie Gefchichte und Lehre, Concretes
zu nennen, welche einerfeits durch die Herbart-Ziller- 1 und Abftractes, Leben und Syftem, einander gegenüber-
fche Methodik fundamentirt, andererfeits durch das evan- flehen; der Katechismus fei durch und durch praktifch,
gelifche Verftändnifs des biblifchen Chriftenthums orien- j ebenfalls concret, kein Lehrfyftem, fondern ,die bekennt-
tirt fein will, entfprechend dem, dafs der Verf. fich zwar -. nifsmäfsige Darftellung des zu perfönlichem Leben ge-
nicht zu den Herbartianern rechnet (S. 2), aber von ihnen wordenen Evangeliums mit der Tendenz, das in ihm
viel gelernt hat und ihr Verdienft, als die einzigen die 1 dargeftellte Leben auch in anderen zu erzeugen und zu

Methodik auf pfychologifch-fichere Grundlagen gelegt zu
haben, öfter warm anerkennt (z. B. 62.89).

Zunächft nun hat die Katechetik das von ihr gewöhnlich
aufgehellte Ziel als unpfychologifch zurück-
zufchrauben. Weder der Schul- noch der kirchliche

erhalten' (S. 42.47). Hat aber nicht Luther in der Vorrede
zur .Kurzen Form' (S.38) den Katechismusinhalt fyfte-
matifch entwickelt? es giebt eben auch populär-praktifche
Syfteme. Und folche find unfere Katechismen, wie z. B.
der Heidelberger oder andere reformatorifche (vgl. Ernft

Unterricht kann gläubige Chriften erziehen, er kann den j und Adam, katech. Gefch. des Elfaffes, 1897), auf die
.Glaubensentfchlufs' in den kindlichen Seelen nicht er- ] der Verf. freilich nicht die geringfte Rückficht nimmt,
wecken (S. 18). Dasfelbe habe ich gegen Sachffe geltend i PZtwas derartig-Syftematifches bedarf geradezu der
gemacht 1898 Sp. 499. Verfaffer formulirt die Aufgabe Religionsunterricht, weil es einem Bedürfnifs derMenfchen-
dahin, dafs es gelte, dem zukünftigen Glaubensentfchlufs feele entfpricht. Richtig ift freilich, dafs der Lutherifche
vorzuarbeiten, ihm die innere Leichtigkeit im Voraus zu Katechismus ein Bekenntnifs- und nicht eigentlich ein
bereiten (S. 23) und zwar durch Wegräumung der fich ihm Lehrbuch ift, richtig auch, dafs man kein theologifch.es

entgegenftellenden Hindernifse, der intellectuellen durch
Verftändlichmachung des Evangeliums nach feiner ob-
jectiv-gefchichtlichen und befonders nach feiner fubjectiv-
pfychologifchen Seite hin (fo dafs das ,Dir find Deine
Sünden vergeben' klar und energifch heraustritt), der
ethifchen durch kräftige Hervorhebung feines Werthes.
Gemäfs dem ift denn auch der Stoff des Religionsunterrichts
nichts als ,das Evangelium'; alle in der gewöhnlichen
Katechetik aufgezählten Stoffe wie Katechis-

Syftem in ihn hineindeuten darf. Fraglich ift mir ferner,
ob der Katechismus ebenfalls nach den Formalftufen
behandelt werden foll: dafs bei ihm ein genetifch-fyn-
thetifches, nicht ein analytifch-erklärendes Verfahren am
Platze ift, das hat Eckert vortrefflich gezeigt, fein Schema
einer nach den Formalftufen verlaufenden Durcharbeitung
des Katechismus S. 153 f. ift dagegen in feiner pedanti-
fchen Complicirtheit geradezu abfchreckend. Weiter foll
jede biblifche Gefchichte irgendwie das Evangelium von

mus, Biblifche Gefchichte, Kirchenlied u. f. w. haben ihre j der Sündenvergebung enthalten, in jeder ift diefes desEinheit
und finden ihre Begründung darin, dafs fie Evan- halb aufzuzeigen (S.99 vgl. 138): das ift doch offenbar zu
gelium enthalten oder find, nur in verfchiedenen Dar- | viel gefagt und würde auch in feiner Durchführung zu
ftellungsformen, und werden angemeffen auf die ver- | recht monotoner Wiederholung führen, von der die Er-
fchiedenen Schulftufen und den Confirmanden-Unterricht leichterung des Glaubensentfchluffes fich nicht erwarten
vertheilt. Die Methode diefes Unterrichts befteht dann ; läfst. Speciell das A. T. enthält dem Verf. nicht blofs,
confequent (obw. Verf. das nur in Betreff des bibl. Ge- i fondern es ift Evangelium (S. 33); es darf alfo nicht etwa
fchichtsunterrichts aufftellt S. 79—81) in Erklärung und als hiftorifche Vorftufe des Neuen behandelt werden.
Verftändlichmachung des Stoffes einer- und Anwendung Auch das ,erfte Hauptftück ift das Evangelium'(S. 77). Das
auf das religiöfe Leben der Kinder andererfeits. Jedoch ift zum mindeften ftark übertrieben; Gefetz ift doch nicht
will Verf. durchweg, fogar beim Katechismusunterrichte, Evangelium! Das Beifpiel einer Behandlung des VI. Ge-
das Verfahren nach den Normalftufen (wobei jedoch ,das j botes S. 144h zeigt, dafs Verf. das Gefetz als die Norm
Ziel' = Thema fehr richtig hinter die Analyfe geftellt des neuen Lebens fafst; dann müfste es jedenfalls nach
wird) befolgt fehen, da es eben doch das einzige fei, ' dem Glauben feine Stelle finden.