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Ausgabe:

1899 Nr. 7

Spalte:

216-219

Autor/Hrsg.:

Steck, Rudolf

Titel/Untertitel:

Die Piscatorbibel und ihre Einführung in Bern im Jahre 1684 1899

Rezensent:

Deissmann, Adolf

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215 Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 7. 216

der Synode Gegenftand einer neuen Unterfuchung wird 1 formeller, fondern auch in materieller Hinficht verhandelt

werden mtiffen (die von dem Verf. dazu gemachten Bemerkungen
kann ich allerdings nicht für abfchliefsend
anfehen).

3) Die Richter haben die Sätze aus den Schriften Ab.'s,
über die er zur Verantwortung gezogen werden follte,
ohne ihn gehört zu haben, auf Antrag B.'s im Voraus

Hinfichtlich des Jahres der Synode findet der Verf. j verdammt. Ueber diefes Thatfächliche find wir einig;
fowohl die für 1140 wie die für 1141 vorgebrachten Gründe ! der Unterfchied ift nur, dafs Hr. Prof. M. ein folches
fchwach, entfcheidet fich aber doch für das erftere Datum Verfahren für rechtmäfsig hält, während ich darin eine
aus der Erwägung, dafs der Feldzug, mit deffen Vorbe- j enorme Rechtsverletzung fehe. Hr. M. meint, die Rich-
reitungen Ludwig VII. im Frühjahr 1141 befchäftigt war, i ter konnten ja, nachdem fie dann Ab. gehört, fich immer
ihm fchwerlich würde Zeit gelaffen haben, der Reliquien- noch zu feinen Gunften ausfprechen. Allerdings, wenn

ausftellung zu Sens und der damit verbundenen Synode
beizuwohnen. Bedenkt man aber, welche Bedeutung die
damalige Zeit folchen Reliquienausftellungen beilegte, fo
wird man wohl auch diefen Grund nicht allzu ftark finden.

fie die Selbflverleugnung befafsen, zu erklären: Ab. hat
uns überzeugt, dafs die geftern von uns als häretifch
verdammten Sätze in der That gut katholifch find. Man
Helle fich vor, dafs etwa in einem Prefsproceffe, in ge-

Darin ftimme ich bei, dafs ein Suchen nach datirten 1 nauem Anfchlufs an das von Hrn. M. bezeichnete und

Urkunden jener Zeit zum Zwecke einer ficheren F'eft-
ftellung des Jahres der Synode wünfchenswerth ift.

So werthvoll die philologifch-kritifchenUnterfuchungen
der Schrift find, fo wenig vermag ich den Verfuch einer

belobte Verfahren, zuerft der Gerichtshof mit dem Staatsanwalt
feftftellte 1) dafs die incriminirten Sätze in der
betr. Schrift enthalten, 2) dafs fie wirklich ftrafbaren Inhalts
feien — wer würde nicht fagen, dafs die nachträg-

Rechtfertigung des gegen Ab. eingefchlagenen Verfahrens lieh dem Angeklagten geftattete Vertheidigung eine blofse
für gelungen zu halten. Hier fehe ich mich aber ge- - Farce fei? Doch, Hr. M. legt darauf Gewicht (S. 409!.),

nöthigt, eine perfönliche Bemerkung vorauszufchicken.

Hr. Prof. Meyer verbreitet fich mehrfach über die gegen oder um perfönliche Beleidigungen gehandelt habe, fon

Bernhard gerichteten Angriffe, und wo er in diefem

dafs es fich ja nicht um eine Klage über mein und dein

dem um eine Anklage der Verletzung der chriftlichen

Zufammenhange einen Namen nennt, ift es immer der Glaubenslehre, wodurch die ganze Chriftenheit angegriffen
des Ref. Dadurch erhält der Lefer den Eindruck, als ! war: ,Die verfammelte Synode war ein Ausfchufs diefer
ob ich alle jene Angriffe zu vertreten hätte, oder wenigftens Chriftenheit, und jedes Mitglied war infofern felbft be-
als ob ich der fchärffte Tadler B.'s wäre. Das ift aber j droht .... Von der ganzen Synode wurde alfo gegen
durchaus nicht der Fall. Bernhardi und Hausrath z. B. Abälard die Forderung erhoben: du haft durch diefe und
haben viel härter geurtheilt und zwar, was die Hauptfache | jene Lehren unferen Glauben angegriffen; rechtfertige
ift, nicht blofs über fein Verhalten in einzelnen Fällen, dich'. Als ob die Schwere einer Anklage den Richter
fondern über feine Perfon. Gegen Bernhardi habe ich ; berechtigen könnte, fie von vornherein als begründet
in der Einleitung zu meiner Ausgabe von Neander's ,Der anzufehen, als ob nicht der Richter die Pflicht hätte, vor
heil. B. und fein Zeitalter' B.'s Charakter entfehieden in Allem den Angeklagten zu hören und fein eignes Urtheil,
Schutz genommen, und fchon in der Schrift über die fo lange das nicht gefchehen ift, in suspenso zu halten?
Synode von Sens S. 44 habe ich ausgefprochen ,perfön- ! Oder nimmt Hr. M. an, dafs wo die Frage der Ketzerei
licher Hafs war es ja nicht, der fein bei manchen Ver- | in Betracht kommt, auch die elementarften Forderungen

irrungen doch edles Gemüth beftimmte'. Ich meine, es
hätte der Billigkeit entfprochen, diefen Unterfchied bemerklich
zu machen. Was foll ich aber vollends zu der
Anm. auf S. 413 fagen? Hier theilt Hr. M. einen Satz
aus meiner Schrift in Anführungszeichen mit, der fich fo
dort gar nicht findet, fondern aus einem längeren zu-
fammengezogen ift. M. E. follte, wo Anführungszeichen
gefetzt werden, gar nichts geändert und follten felbft un

der Gerechtigkeit ihre Geltung verlieren? Meiner Anficht
nach hat B. eben darin gefehlt, dafs er fich im Bewufst-
fein feines abfoluten Rechtes allzuleicht über das formelle
Recht und gewiffe andere Rückfichten hinweggefetzt hat
— und ich glaube nicht, dafs Hrn. M.'s Vertheidigung in
diefer Hinficht gelungen ift. Niedrige Beweggründe aber
habe ichB. nie beigemeffen und nie zugetraut, und des Be-
weifes, dafs er nicht aus Neid Ab. angegriffen hat (S. 403),

wefentliche Auslaffungen angedeutet werden. Hier aber bedarf es, wenigftens mir gegenüber, nicht,
ift grade das Wefentlichfte ausgelaffen, nämlich die Worte: Was die Bemerkungen auf S. 399 f. über das Ver-

(Nikolaus v. Clairvaux) ,über deffen wahren Charakter er halten der Kirche gegen Ketzer betrifft, fo bin ich ebenfo
(B.) erft einige Jahre fpäter fchmerzlich enttäufcht werden , einverftanden damit, dafs die Kirche Recht und Pflicht
follte'. Hätte es Hrn. Prof. M. gefallen, diefe Worte mit hatte, neue Lehren zu prüfen und zu billigen oder zu
abdrucken zu laffen, fo würde fofort klar gewefen fein, J verwerfen, wie nicht einverftanden damit, dafs fie be-
dafs es nach meiner Meinung nicht die Schlechtigkeit rechtigt war, Häretiker als ,ftrafwürdig' zu behandeln —
fondern die Gewandtheit des N. war, um deren willen ; und man weifs, was ,ftrafwürdig' in Bezug auf einen Häre-
B. ihn zu feinem Boten nach Rom wählte, dann würde tiker im Sinne des M. A. heifst. Gefleht man das zu,
der Lefer aber auch fein Urtheil darüber gehabt haben, | fo gelangt man, mit Hinzunahme des fonft auf S. 400
ob ich verfahren fei, wie ein fchlechter Staatsanwalt und 1 Gefagten, zu Schrörs' rettender That der Inquifition, ob-
ob ich die Abfurdität begangen habe, B. für die fpäteren j wohl ich nicht behaupten will, dafs dies in Herrn M.'s
Spitzbübereien des N. verantwortlich zu machen. Abficht liegt.

Was die Sache felbft betrifft, fo ift es hier nicht j Berlin. S M Deutfch.

möglich, auf die verfchiedenen Momente einzugehen, in _J_'__

denen das Verhalten B.'s fo oder anders beurtheilt werden „. . D , ,r m___1__uiw.i j -u »• r -u :„

kann, fondern ich mufs mich auf den Kernpunkt der SteTck> Rudolf' D,e P'SCatorb.bel und ihre Einfuhrung in
Sache befchränken, nämlich die Frage, ob das zu Sens Bern im Jahre 1684. Eine Studie zur Vorgefchichte
gegen Ab. eingehaltene Verfahren den nothwendigen ■ der fchweizerifchen Bibelüberfetzung. Rectoratsrede.
Forderungen eines unparteilichen richterlichen Vorgehens Mit einem Bildnifs Piscator's und einem Anhang von
entfpricht. Der Verf. fucht dies darzuthun, aber ich Actenftücken aus dem Bernifchen Staatsarchiv. Bern,
mochte behaupten, dafs es gar keine fchlagendere Ver- v t w r ß , ^ t 01
urtheilung jenes Verfahrens geben kann, als die in feiner K- wyls' Iö97- l°4 »• ».J

eigenen Darflellung liegt. Aus diefer ergeben fich nämlich Dafs die Bibelüberfetzung des im Jahre 1625 gefolgende
Punkte: 1) Bernhard hat als Ankläger Ab.'s und ftorbenen Herborner Theologen Johannes Piscator, die
zugleich als Richter fungirt. 2) B. als Ankläger hat mit fog. Strafmichgottbibel, Gegenftand einer Rectoratsrede
den Richtern ohne Zuziehung Ab.'s vor der öffentlichen geworden ift, ift eine nicht unverdiente Ehre; denn diefe
Verhandlung über die Anklage, und zwar nicht blofs in reformirte deutfehe Bibel ift in mehr als einer Hinficht