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Ausgabe:

1899 Nr. 6

Spalte:

184-185

Autor/Hrsg.:

Steude, E.G.

Titel/Untertitel:

Die monistische Weltanschauung 1899

Rezensent:

Ritschl, Otto

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Theologifche Literaturzeitung. 1899. Nr. 6.

184

Burckhardt, Dr. Paul, Die Basler Täufer. Ein Beitrag
zur fchweizerifchen Reformationsgefchichte. Basel,
R. Reich. (XI, 125 S. gr. 8.) M. 2.—

Die bahnbrechenden Arbeiten E. Egli's über die
Täufer in Zürich (1878) und S. Gallen (1887) haben nach
der breit gehaltenen Gefchichte der Berner Täufer von
E. Müller (1895) nun auch eine kurze Darfteilung des
Täuferthums in Bafel veranlafst. Hatte Egli sich auf
die Reformationszeit im engften Sinne befchränkt, Müller
dagegen die Gefchichte der Berner Täufer bis in die
neuefte Zeit verfolgt, fo ftellt fich Burkhardt in die Mitte
beider. Mit Recht hat er ,auf (latiftifche Genauigkeit
und ausführliche Wiederholung der gleichen Vorgänge
unter verfchiedenen Perioden' verzichtet (S. VII.) Die
Wiedergabe des ganzen Quellenmaterials bei Müller hat
etwas Ermüdendes. Auch konnte Burckhardt auf die
Arbeit von Ed. Thurneyfen über die Bafler Separatiften I
in den Bafler Jahrbüchern 1895 und 1896 verweifen, aber
er hat dabei wohlgethan, die Gefchichte der Täufer feines
Gebietes durch das ganze 16. Jahrhundert bis ins 17.,
wenn auch kurz, zu verfolgen, machte fich doch die
Blüthe der mährifchen Täufergemeinden im Zufammen-
hang mit fchweren Theuerungszeiten in den 1570er und
1580 er Jahren in Süddeutfchland und der deutfchen
Schweiz fehr fühlbar. Was Burckhardt bietet, ift von
Werth; denn die Bafler Täuferacten find bis jetzt noch
gar nicht, die Mittheilungen von Joh. Gaft aber in feiner
Schrift über die Täufer [De anabaptismi exordio, crro-
ribus etc. Basel 1544) und in feinem Tagebuche (Basel
1856) nur theilweife benützt. Zwar ift die Gefchichte
der Täufer von Basel nicht von hervorragender Bedeutung
, es fehlt an fo kräftigen und eigenartigen Geftaltcn,
wie fie das Täuferthum anderer Gegenden zeigt; auch
ift die Zahl der Täufer in der Stadt befcheiden und j
auch im Landgebiete nicht fo grofs, wie im Berner Ge- j
biet. Aber Burckhardt's Arbeit kommt eben recht, um
die Probe, welcher L. Keller's Aufftellungen über die alt-
evangelifchen Gemeinden und den Urfprung der Täufer
gegenwärtig auf verfchiedenen Seiten unterzogen werden,
an einem befonders empfindlichen Punkte vollziehen zu
helfen. Sollte doch Bafel nach Keller's Annahme recht
eigentlich die Wiege des fog. Anabaptismus und der
Ort fein, wo fich der Zusammenhang des Täuferthums ;
mit den altevangelifchen Gemeinden am eheften nach- 1
weifen liefs. Burckhardt zeigt nun, wie Keller's Annahme
völlig in der Luft steht. Die Täufer kommen von aufsen
nach Basel. Eine ,altevangelifche' Gemeinde oder Brüder-
fchaft in Keller's Sinn beftand nicht. Was Keller aus j
dem Namen der ,uralten Hüttenbruderfchaft zum Himmel' 1
herausfpinnt, zerrinnt wie Dunft und Nebel und ift ein j
ebenfo grobes Mifsverftändnifs, wie feine Auffaffung von J
Hubmeier's Capitelsbrüdern, die er feltfamer Weife noch
in seinen ,Anfänge der Reformation und die Ketzer-
fchulen' S. 28 fefthält, obwohl Loferth fchon 1891 in
feiner Monographie ,Die Stadt Waldshut etc. in den
Jahren 1525—26" S. 18 die Sache richtiggeftellt hatte.
Jetzt zeigt Burckhardt, wie es fich bei der Bruder-
fchaft ,zum Himmel' einfach um die Zunft der Maler
und Scherer handelte. Zugleich weift er allerdings das
Dafein von vorreformatorifchen Ketzern, ,Grubenheimern',
in Bafel aus der Chronik des Karthäufers Georg nach,
aber es fehlt auch die leifefte Spur einer Verbindung
derfelben mit den Täufern. Scharf, aber wohlverdient j
ift die Kritik, welche Burckhardt an Joh. Gaft übt, aber j
der vorfichtige Gebrauch feiner Angaben durch Burck- I
hardt ift nur zu billigen und bringt doch viel Licht. Sehr 1
bezeichnend ift der Unterfchied in der fchwächlichen
und inconfequenten Haltung der Bafler Obrigkeit vor
der Durchführung der Reformation 1529 und nach der
Organifirung der evangelifchen Staatskirche, die fich mit
voller Strenge der Täufer erwehrt, wenn auch nicht
mit derfelben Schärfe wie in Zürich und Bern, während I

die Täufer den Papillen erträglicher find als die Männer
der evangelifchen Reformation. Der Bafler Weihbifchof
erklärt feierlich vor dem Rath, er und feine Collegen
flehen im Artikel von der Kirche dem Bruder Karlin (einem
Täufer) näher als dem Reformator Oekolampad (S. 28).
Der Weihbifchof hat die innere Verwandtfchaft der
,Mönche ohne Kappen' mit dem Heiligkeitsideal der
römifchen Kirche ganz richtig herausgewittert. Zur Cha-
rakteriftik des ftürmifchen, aber nicht zuverläffigen
Täuferhauptes Wilh. Reiblin giebt B. eine bisher unbekannte
Bittfchrift diefes ehemaligen Pfarrers zu Alban
an den Rath vom II. Aug. 1554 um Geftattung des
Aufenthalts in Bafel und einen kleinen Gehalt als Krankenpfleger
S. 52 ff. Zu den ärztlichen Kenntnifsen der Täufer
ift Loferth, ,Der Communismus der Mährifchen Wiedertäufer
im 16. und 17. Jahrhundert S. 141 ff.' zu vergleichen.
Diefe und die andern Veröffentlichungen Loferth's, z.B. ,Der
Anabaptismus in Tirol 1526—36 und 1536 bis zu feinem
Erlöfchen aus den Papieren v. Becks' find Burkhardt unbekannt
geblieben. Die von Gaft erwähnte ,auguftinifche
Secte' S. 124 Anm., welche Burkhardt nicht nachzuweifen
vermochte, ift nichts anderes als der Anhang des Wiedertäufers
Auguftin Bader. Vgl. Keim, Schwäbifche Reformationsgeschichte
S. 64, Württemb. Reformationsgefchichte
(Stuttg. u. Calw 1893) S. 293 etc. — Burkhardt
hat feinen Stoff in zwei Abfchnitte zerlegt: in eine chrono-
logifche Darftellung der Gefchichte der Bafler Täufer
und eine Charakteriftik derfelben. Die Art der Theilung
ift nicht ganz glücklich. Z. B. S. 36 wird das dritte
Täufergefpräch von Bafel erwähnt. Von den beiden
vorausgehenden Gefprächen aber erfährt man erft im
zweiten Theil, S. 66 etwas. Der ganze Abfchnitt über
Oekolampad wäre wohl beffer im erften Theil untergebracht
worden. Auch konnten bei der Zweitheilung des
Stoffes kleine Wiederholungen kaum vermieden werden.
Diefe formellen Bedenken kommen jedoch gegenüber
dem Werth des neuen von Burkhardt beigebrachten und
dankenswerth kurz gefafsten Materials für die Gefchichte
und Charakteriftik der Täufer in Bafel nur wenig in Betracht
. Gewifs hat die Kritik, welche das Täuferthum
wie alles Sectenwesen an der Kirche geübt hat, ihr un-
beftreitbares Recht. Aber wie bei der Gefchichte des
Täuferthums in Mähren, wo es den weiteften Spielraum
hatte, um feine Kräfte zu entfalten, fo erhebt fich auch
bei der Gefchichte der Bafler Täufer die Frage, ob es
ihnen möglich war, ihr Heiligungsprincip auch nur in
der erften Zeit der frifchen Begeifterung zu verwirklichen.
Burkhardt betont den wiederholten Eid- und Wortbruch
S. 95. Bedenklich ift auch die betrügerifche Berufung
auf Wunder S. 97, ein Zug, der fich auch bei der Schilderung
des Martyriums von Mich. Sattler findet und an
die Legendenbildung der römifchen Kirche erinnert.
Vgl. Bl. f. württemb. K.-G. 1892 S. 9. Aber als ,Stille
im Lande' erwarben fie fich fpäter wohlverdiente Achtung.

Nabern. G. Boffert.

Steude, Seminaroberlehrer Lic. E. G., Die monistische
Weltanschauung, dargeftellt und geprüft. Gütersloh,
C. Bertelsmann, 1898. (98 S. 8.) M. 1.40

In vorliegendem Büchlein find 3 Vorträge des Verf.,
durch Anmerkungen bereichert, wiedergegeben. In dem
Monismus, der von Ernst Haeckel fo genannten Welt-
anfehauung moderner Naturforfcher, deren Grundlage
die mechanifche Entwickelungslehre Darwin's ift, fleht der
Verf. den principiellften und gefährlichften Feind des
Christenthums. Indem er ihn bekämpft, befchränkt fich
der Verf. mit Umficht und Gefchick darauf, die Unmöglichkeit
einer ausfchliefslich mechanifchen Entwickelung
alles Werdens darzuthun. Dagegen richten fich feine
Ausführungen nicht gegen die teleologifche Verwerthung
des Entwickelungsgedankens. So ift es dem Verf. gelungen
, jene hypothefenreiche Weltanfchauung an ihrem