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Ausgabe:

1898 Nr. 6

Spalte:

177-179

Autor/Hrsg.:

Issel, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Reformation in Konstanz 1898

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 6.

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mit einem Mal für Zwingli und die Schweizer Reforma- j u. A. es waren, fondern noch mehr in der Lage von

tion erreicht, nämlich ein Zwinglimufeum (in Verbindung
mit der Stadtbibliothek) und eine allerdings in ihrem
Umfang befchränkte Zeitfchrift für die Gefchichte Zwingli's
und der Reformation, welche auf weitere Kreife berech-

Konftanz, das die Brücke zwifchen der deutfchen und
fchweizerifchen Reformation bildete, aber auch den vollen
Druck der an der Schweiz machtlos abprallenden felbft-
füchtigen öfterreichifchen Politik erfahren mufste, welche

net ift was dem Redakteur, Profeffor Egli, die Pflicht j die Stadt auf drei Seiten mit ihrem grofsen oberfchwä

auferlegt: 1) Schwieriges einfach zu fagen, 2) mit dem
Lateinifchen Maafs zu halten und, wo es angeht, den
wefentlichen Inhalt deutfch zu bieten. Die beiden vorliegenden
Hefte geben eine Reihe intereflänter Abhandlungen
und Notizen, fo über Zwingli's Bild. Ein ficher
authentifches Bild aus den Lebzeiten des Reformators ift
nicht vorhanden. Das erfte Heft giebt zwei Medaillonbilder
von Jakob Stampfer von c. 1540 und ein Oelgemälde
von 1549 von Hans Afper und befpricht apokryphe Bilder.
Wichtig find die auf die Bilder bezüglichen Nachweife
aus Briefen, aus denen fich ergiebt, dafs Zwingli's Sohn
Ulrich dem Vater vollkommen ähnlich war, und dafs es
noch weitere Bilder als die jetzt bekannten, gegeben
haben mufs. Erfreulich find die Vorarbeiten für eine
Neuausgabe von Zwingli's Werken, in welche wir einen
kleinen Einblick thun, und wozu Finsler 1. einen ver-
befferten Text des Briefes von Zwingli an Konftanz 5.
Aug. 1523 giebt und 2. den Nachweifs liefert, dafs Zwingli
nicht der Verfaffer der Streitfchrift gegen Bugenhagen:
,Antwurt dem Hochgelerten Doctor Joan. Pugenhag vfs
Pomern, Hirt zu Wittenberg, vff die Miffiuc, fo er
an den Hochgelerten Doctor Heffo, Leerer zu Prefslaw

bifchen Gebiet umfchloffen hielt, und die der Reichsftadt
endlich ihr tragifches Ende bereitete.

Was Iffel bietet, ift eine gefchickte Verarbeitung hand-
fchriftlicher Quellen, aus denen fchon Th. Preffel in feinem
,AmbrofiusBlaurer' (Stuttgart 1861) vielfach gefchöpft hatte.
Sehr erfreulich ift die Nachricht, dafs die Reformations-
acten der Stadt trotz der jefuitifchen Gegenreformation
hinter einem Haufen unbrauchbarer Acten verborgen
fich erhalten haben und feit einem halben Jahrhundert
im Stadtarchiv in Konftanz fich befinden. Eine gute,
gleichzeitige Quelle bilden auch die hier benutzten Aufzeichnungen
des Stadtfchreibers Jörg Vögeli, deffen Kon-
ftanzer Reformationsgefchichte leider noch nicht gedruckt
ift, wie die Correfpondenzen der Konftanzer in der Va-
diana in St. Gallen und im Staatsarchiv zu Zürich. Aber
es wäre Iffel doch zugut gekommen, wenn er neuere
Veröffentlichungen von Quellen zur Reformationsgefchichte
benützt hätte. So find ihm die wichtige Correfpondenz
von Strafsburg und der Briefwechfel Butzer's mit Landgraf
Philipp von Heffen, wie die von Dobel veröffentlichten
Berichte des Memminger Reichstagsgefandten Hans
Ehinger von 1530, aber noch mehr die Schätze des

gefchickt das Sacrament betreffende. Durch Con- bifchöfllich Konftanzifchen Archivs auf dem Staatsarchiv
rad Ryffen zu Ofen gemacht' (1525) ift, fondern dafs zu Zürich entgangen. Gerade dies Archiv bietet befon-
fchon Ludwig Lavater (1527—1586) 1563 diefelbe Mich, ders für die Zeit nach 1548, z.B. über die Berufung der
Cellarius in Augsburg zufchrieb. Ein hübfeher Zug | Jefuiten und die Zultände in der Zeit der Gegenrefor-
Zwingli's findet fich in dem Bericht über die Aufführung mation reiches Material. Vgl. die Einleitung zu des
von AriflophanesPlutos und dem 6. Buch derOdyffee 1531 1 Ref. Studie ,die Jurisdiction des Bifchofs von Konftanz
in Gegenwart des Reformators, der dabei vor Freuden j 1520 —1529' Württb. Viertelj.hefte 1893, S. 260 ff. Für
weinte. Die deutfchen Bugenhagen-Biographen werden den erften Abfchnitt hätten auch die Regesta episcopontm
auf die von ihnen überfehenen Notizen in Keffler's Sab- J Constanticnsium, herausgegeben von der bad. hift. Com-

bata aufmerkfam gemacht. Neu ift der Nachweifs F1 u ri's,
dafs der Züricher Wandkatechismus v. 1525, den Geffken
in feinen Bilderkatechismen befchrieb, auch in franzö-
fifcher Ueberfetzung von Frofchouer gedruckt wurde.
Der Revers von Zwingli's Oheim Balth. Zwingli bei feiner
Beftellung zum Pfarrer in Wefen vom 29. Jan. 1487
beweift die Unabhängigkeit der Schweizer Gemeinden
gegenüber geiftlichen Uebergriffen. Neues Ouellenma-
material für die Reformationsgefchichte läfst fich aus der
Winterthurer Chronik von Laur. Bofshart hoffen. Unter
den kleineren Notizen ift die Berichtigung zu beachten,
welche S. 20 Kellers Auffaffung von der Verfammlung
auf dem Lindenhof (Die Anfänge der Ref. und die Ketzer-
fchulen S. 26) zu Theil wird. Von der umfichtig redi-
girten Zeitfchrift läfst fich für die Gefchichte Zwingli's
und der Schweizer Reformation reicher Gewinn hoffen.

Nabern. G. Boffert.

Issel, Ernft, Die Reformation in Konstanz, hauptfächlich

nach handfchriftlichen Quellen dargeftellt. Freiburg

i. B., J. C. B. Mohr, 1898. (VIII, 207 S. gr. 8.) M. 4.—
Längft hätte die Gefchichte der Reformation in Konftanz
eine neue Monographie verdient. Denn die Abhandlung
von Vierordt ,Gefchichte des Proteftantismus in
Konftanz' in Schreiber's Tafchenbuch für Gefchichte flammt
aus dem Jahr 1S41; und doch hat Konftanz neben Strafsburg
in Öberdeutfchland in der erften Hälfte des 16.
Jahrhunderts eine Führerrolle eingenommen, wie man fie
bei der durch den Schwabenkrieg tiefgefchädigten Stadt
nicht erwarten follte, und welche das mächtige Ulm hinter
fich liefs. Es lag dies nicht nur in dem Charakter

der Reichsftadt, welche zugleich Bifchofsfitz war und ; etwa nur zur Reformation in dem kleinen Landftädtchen

miffion, herangezogen werden follen. Dann wäre z. B.
das Bild der Haltung von Konftanz unter Ludwig dem
Bayern noch ein lebensvolleres geworden.

Auch hätte Ref. da und dort ftrengere Genauigkeit
gewünfeht. Aus den genannten Regesta, wie aus den Jahrbüchern
des Deutfchen Reiches von Meyer von Knonau
ergiebt fich z.B. dafs Bifchof Otto I. nicht von Lierheim genannt
werden darf. Denn die Quellen geben dafür keinen
Anhalt. Die Charakterbilder der Bifchöfe von Konftanz
dürften fchärfer gezeichnet fein. Vgl. des Ref. Schrift
,Württemberg und Janffen', Halle 1884 S. 161 und die
Württembergifche Kirchengefchichte (Stuttgart u. Calw
1893) S. 262, 322, 357, zu Hugo von Landenberg auch
Luther's Erzählung in den Tifchreden (Braunfchw. Luther-
ausg. 8, S. 285), vgl. Bl. f. w. K.G. 1894, S. 23 ff. Die
Punkte S. 134 Z. 10 find nicht mehr nöthig, da das ehrenvolle
Prädikat, das Vögeli Joh. v. Weeze giebt, durch
Stälin 4, S. 467 Not. 3 hinlänglich bekannt geworden ift.
Der Wechfel von alter und neuer Schreibweife der Namen
ift nicht zu billigen. Vgl. S. 77 Philingen ftatt Villingen
, S. 132 Bagk, S. 173 Back, S. 60 Nüweck ftatt
Neuneck, S. 28 Chirgattas ftatt Chieregati. Der Ulmer
Hauptmann heifst Marcell Dietrich, nicht Dietrich Mar-
cell. S. 128 Joh. Bader war Pfarrer in Landau, nicht in
Lindau. Auch fonft begegnen Ungenauigkeiten. Die
Schillerftadt Marbach S. 3 gehörte nicht zum Bisthum
Konftanz, fondern zu Speier. Denk's Heimath S. 84 ift
nicht in der Oberpfalz, fondern in Habach bei Hugelfing
in Oberbaiern. Die Widerlegung der Tetrapolitana wurde
nicht am 24. fondern am 25. October verlefen. Der an-
fchauliche Bericht Ehinger's über diefes Ereignifs wäre
der Darftellung fehr zugut gekommen. Blarer wurde nicht

damit eine gute Anzahl akademifch und humaniftifch ge- | Geislingen S. 100 nach Ulm berufen. Das Bekenntnifs
bildeter Kräfte in fich barg, nicht nur in fo hervorragen- | der Stadt Konftanz, das nicht an Luther abging S. 128,
den Söhnen der Reichsftadt, wie die Blarer und Zwick I und das eine Veröffentlichung verdiente, ift ganz richtig