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Ausgabe:

1898

Spalte:

136-140

Autor/Hrsg.:

Augustini, Sancti Aureli

Titel/Untertitel:

Confessiosionum libri XIII., recensuit et commentario critico instruxit Pius Knöll 1898

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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Theologifche Literaturzeitung. 1898. Nr. 5.

J36

fchaften, die er fchon bei feinen Arbeiten über die Apologie
des Ariflides bewährte, treten hier wieder in helles
Licht. Um feiner Arbeit ein tüchtiges Fundament zu
fchaffen, zählt er zunächft alle biblifchen Darftellungen
in den Römifchen Katakomben auf, trägt Alles zufammen
was an zerftreuten Orten über die Bilder gefagt ift, führt
die guten Reproductionen auf und kritifirt fie, und ermöglicht
dem Lefer felbft ein Urtheil, indem er von den
fich öfter wiederholenden Darftellungen die befte ihm
erreichbare Abbildung wiedergiebt; die 35 Abbildungen
find forgfältig ausgewählt und meift ganz gut gelungen.
Er giebt eine Ueberficht über die Katakomben, in denen
fich Malereien finden, fafst alle öfter wiederkehrenden
Bilder in einer Befchreibung des Typus der Darfteilung
zufammen, und giebt fchliefslich eine Ueberficht über
den gefammten Beftand, der auch mit manchen guten
archäologifchen Bemerkungen ausgeftattet ift. Derartige
Zufammenftellungen, wie fie in dem zweiten und dritten
Capitel bei Hennecke gegeben werden, waren längft ein
dringendes Bedürfnifs. Einzelforfchung gab es genug,
aber es fehlte jede tüchtige Zufammenfaffung. Es ift
ziemlich gleichgültig, ob fich hie und da ein Fehler ein-
gefchlichen hat, indem ein Bild oder irgend ein fchwer
zugängliches Buch überfehen wurde — ich habe übrigens
keine Fehler bemerkt —; auch das ift einerlei, dafs die
Ausgrabungen in den Katakomben fortgefetzt Neues ans
Licht bringen: das Bild, das Hennecke gezeichnet hat,
wird darum fo bald kein anderes werden. Durch diefe
Partien befonders wird fein Buch vielen erwünfcht fein
und von vielen fleifsig benutzt werden.

In feinem zweiten Theil zieht Hennecke die altkirchliche
Literatur zur Deutung der Bilder heran. Er ftöfst
dabei auf zwei aus der Römifchen Gemeinde hervorgegangene
Werke, in denen eine Paradigmenreihe aus dem
A. T. dem Lefer vorgeführt wird , im erften Clemensbriefe
und in Novatian De trinitate. Die dort aufgeführten
Beifpiele decken fich — zwar nicht genau, aber
doch bei einigen Abftrichen beiderfeits — mit den Bildern
aus dem A. T., die in den Katakomben fo oft gemalt
find, während es für die Bilder aus dem N. T. nicht
ohne Bedeutung fcheint, dafs fie mit den alten Pilatus-
acten Beziehungen haben. So erklären fich denn die
biblifchen Malereien aus den Beifpielsreihen in den angeführten
Schriften. Was die Schriftfteller veranlafste,
Beifpiele aus der heiligen Gefchichte zufammenzuftellen,
das befeelte auch die Maler: fie wollten die Macht des
einen Gottes bezeugen, der fich im A. T. fo vielfältig
bezeugt und in Chriftus am herrlichften geoffenbart hat.
Nach dem Hauptgefichtspunkt mufs fich die Einzelerklärung
richten: die Bilder aus dem A. T. veranfchau-
lichen die Thaten der Männer Gottes, die aus dem N.
T. die göttliche Macht und Würde Chrifti. Es gelingt
Hennecke, in den meiden Fällen auch Einzelbelege aus
der Literatur für feine Auffaffung beizubringen; dafs
ein Reft überbleibt, der fich feiner Erklärung nicht fügt,
wird zugeftanden.

Diefe neue Theorie über die Entftehung des chrift-
lichen Bilderkreifes entfpricht auf der einen Seite Gedankengängen
, die häufig in der chriftlichen Literatur,
befonders bei den Apologeten, begegnen; aber fie entfpricht
nicht dem Charakter der altchriftlichen Malerei.
Um feine Theorie plaufibel zu machen, fieht fich Hennecke
zu Aeufserungen über die Entftehung der chriftlichen
Kunft veranlafst, die m. E. dem Welen der Katakombenmalerei
nicht gerecht werden. Er bemerkt,
wie es fchon fo oft gefchehen ift, in den Producten einer
volksthümlichen Kunft gelehrte Gefichtspunkte und kirchliche
Beeinfluffung. Wo die Freiheit und Willkür nicht
ungefchickter Künftler herrfcht, fieht er die bedächtige
Abficht der Kirchenleitung. Er betrachtet die chriftliche
Malerei als im kirchlichen Auftrag erfonnen, als in einem
Moment gefchaffen. Einiges ift zwar fpäter dazu erfunden
worden, und nicht einmal immer in der Tendenz des

bereits vorhandenen — aber im Ganzen handelt es fich
um einen feftftehenden Cyklus von Darftellungen, der als
Ganzes verftanden fein will, und der in vortrefflich aus-
gefuchten Paradigmen einen einzigen grofsen Gedanken,
den Gottesgedanken des Chriftenthums, zum Ausdruck
bringt.

Wer aber die flotte Decoration der altchriftlichen
Grabftätten mit fo gelehrten Augen anfleht, der wird fie

j kaum verliehen. Die Maler, welche die fchönften Erzählungen
der biblifchen Gefchichte darzuftellen fuchen,
kehren fich wenig an die Einzelheiten des Textes, und
haben von den gelehrten Bemühungen um fein Verftänd-
nifs offenbar keine Kunde. Sie ftellen den ihnen vertrauten
Stoff in eigner Auffaffung dar. Sie malen auch
keine Paradigmenreihen, wie byzantinifche Künftler, fondern
fie fügen in das gefällige Linienfpiel der Wand- und
Deckendecoration leichte Schilderungen der biblifchen

i Gefchichte, bei deren Auswahl fie fich ebenfo fehr nach
äfthetifchen Gefichtspunkten richten, als nach der Bedeutung
des Dargeftellten; es deutet fchon auf einen
Rückgang in der Kunft, wenn das Inhaltliche in den
Vordergrund und das Decorative zurücktritt. Wann und
von wem die einzelnen Darftellungen erfunden find, läfst
fich nicht fagen und wird fich vielleicht nie ausmachen
laffen; fie ftellen auch garnicht diefe anfpruchsvolle Frage.
Aber dafs die ganze lange Zeit von den Flaviern an
bis zu den Söhnen Conftantin's hier thätig war in fteter
Fortführung und Vermehrung des Bilderkreifes, und dafs
die gröfste Bereicherung fogar erft nachher, in der Sar-
kophagfculptur des vierten und fünften Jahrhunderts,
eingetreten ift, ift gewifs. — Wenn Hennecke fich weniger
um Einzelheiten bemüht hätte, und ftatt deffen vielmehr
die altchriftliche Exegefe auf ihre Wurzeln und
ihre Abficht hin unterfucht hätte, und andererfeits die
Eigenart der chriftlichen Decorationsmalerei feftzuftellen
verfucht hätte, würde er gefunden haben, dafs der einzige
Berührungspunkt beider Gebiete nur in den volksthümlichen
Anfchauungen zu fuchen ift, die uns vom
Leben und den Vorftellungen der chriftlichen Gemeinde
Zeugnifs geben; dann würde er fich auch der offenbaren
Thatfache nicht verfchloffen haben, dafs die meiften
Bilder auf die Hoffnung auf Auferftehung Bezug nehmen.

Ein Buch, das dem Beweis einer Thefe dient, wird
leicht mit der Thefe bei Seite gelegt. Bei dem vielfachen
Nutzen, den das fleifsige Buch Hennecke's gewährt
, ift das kaum zu befürchten.

Göttingen. Hans Achelis.

Augustini, Sancti, Aureli, Confessionum libri XIII, recensuit
et commentario critico instruxit Pius Knöll. [Corpus
scriptorum ecciesiast. latin., Vol. XXXIII, pars 1.}
Wien u. Prag, F. Tempsky. — Leipzig, G. Freytag, 1896.
(XXXVI, 396 S. gr. 8.) M. 10.80

Als feiner Zeit die Wiener Akademie den Plan fafste,
die lateinifchen Kirchenväter herauszugeben, gab fie in
der Ankündigung ihres Unternehmens, mit der fie den
Plan der Oeffentlichkeit vorlegte, den Zweck mit folgenden
Worten an: ,Die . ... Akademie der Wiffen-
fchaften hat die Herausgabe eines nach ftreng philolo-
gifcher Methode zu bearbeitenden Corpus der lateinifchen
Kirchenfchriftfteller befchloffen'. (SBWA XLV, S. 385).
Die Akademie hat fich damit ein bleibendes Verdienft
erworben und das darf ihr nicht vergeffen werden, auch
wenn man mit Recht über die mangelhafte Ausführung
jenes unumftöfslich richtigen Grundsatzes bei einzelnen
Bänden Klage führen mufs. Nach ,ftreng philologifcher
Methode' follten die Kirchenfchriftfteller herausgegeben
werden. Aber die Methoden wechfeln und nicht zum
minderten in der Philologie. Dafs man das nicht in feiner
ganzen Schärfe erkannt oder eingeftanden und dem ent-
J fprechend die Mitarbeiter inftruirt hat, fcheint mir ein